Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Pascal von Wroblewsky – Songbook der 70er live in Trebsen 29.06.2012 Meine Mitbürger in den großen Städten wie Berlin, bekommen die großen Namen dieser Welt quasi vor die Nase gesetzt. Mit der Bahn, über oder unter der Erde, geht’s dann zu dieser ohne jener Kirche und am nächsten Tag kann man stolz erzählen, man hätte Alison Krauss oder John Hiatt live erlebt. Oder sogar Pascal von Wroblewsky, die mit der großen Stimme und diesem einmaligen Feeling. Na toll, kann ich da nur sagen, und dann setze ich mich in mein Gefährt und fahre 100 Kilometer, um gleiches erleben zu können. Über Riesa, Oschatz und rund fünfzig Ampeln, gelange ich ins gefühlte Nichts bis fast ans Ende der Welt. Dort noch über die Mulde und dann bin ich endlich eingetroffen, wo ich gern sein möchte, in Trebsen. In einem Raum mit Balken und tiefen Fenstern findet gerade der Soundcheck mit Pascal von Wroblewski und ihrer Band statt. Das Liederbuch der 1970er Jahre ist sehr umfangreich. Es ist ein dicker Wälzer voller wunderschöner Songs, abwechslungsreich und spannend zu hören. Es finden sich Perlen darin, die für die Ewigkeit gemacht scheinen. Man kann sie spielen oder mitsingen, man kann sich bei ihnen Anregungen holen und man kann ihnen sogar ein anderes Gewand überstreifen, ohne dass sie dabei älter wirken oder nicht mehr zu erkennen wären. Man muss nur die richtige Idee haben und sie auch umsetzen können! Eine knappe Stunde später beginnt die Sängerin mit der Ausnahmestimme, ihre Ideen von den Songs der siebziger Jahre zu präsentieren. Schon gleich mit der ersten Melodie hat sie all meine Sympathien gewonnen. „Lucky Man“ von Emerson, Lake & Palmer, vor allem in der beeindruckenden Live-Version, zählt zu meinen absoluten Lieblingsliedern. Jürgen Heckel mit seiner Gitarre lässt diesen Song ganz anders beginnen, als man das vom Original her im Ohr hat. An diesem Abend grooven die Saiten und spielen eine Weile mit den Klängen, ehe Pascal von Wroblewsky ihre Stimme an der Melodie entlang gleiten und sie umspielen lässt. Ehe man es bemerkt, ist aus diesem simplen Lied ein Konvolut von Klängen geworden und erst ganz am Ende flüstert sie beinahe unhörbar „no money could save him, so he laid down and he died“. Das muss man erlebt haben! In gleicher Weise präsentiert die Band mit der Sängerin „I’m Not In Love“ von 10CC. Sie erzählt die Geschichte dahinter, wie es dazu kam und sie macht gleiches auch vor dem Doors Klassiker „Riders On the Storm“. Jetzt braucht sie mich schon nicht mehr zu überzeugen. Ich bin schlicht weg und alle. So schön und doch so anders ist die Story mit der Stimme von Pascal geworden. Das ist auch deshalb so reizvoll, weil man natürlich den Klang des Originals im Ohr hat und dann doch auf überraschende Weise ganz anders verführt wird. Auch „Move Over“ von Janis Joplin ist so eine Version geworden, bei deren Hören man völlig andere Nuancen entdecken kann, während die Musiker längst ihren eigenen Inspirationen folgen. Das ist großartig. Da zaubert Max Hughes am Bass ein singendes Solo aus den dicken Saiten und Peter Michailow spielt mit den Becken und Fellen. Hinterher lächelt er wie einer, der sich gerade in einer Sauna fit gemacht hat. Das nächste Stück, der „Inner City Blues“, gehört dem Gitarrenvirtuosen Jürgen Heckel allein, der Mann, der einst mit PASCAL die Band BAJAZZO erklingen ließ. Diesen Blues lässt er in der Hitze der Nacht stöhnen und stampfen, dass es eine wahre Freude ist, dem Spiel dieses Mannes zu folgen und seine Fingerzaubereien zu erleben. Spätestens jetzt verflüchtigen sich Kategorien wie Jazz, Rock oder Blues, denn mein ganzer Körper ist nur noch auf Musik eingestellt, die ich als die erkenne, die ich liebe. So muss es wohl den Musikern bei der Auswahl der 70er Jahre Stücke auch ergangen sein, denn die populäre Musik der 1970er Jahre ist voller Ideen und Inspirationen, die meisten Alben jener Jahre kleine Meisterwerke und genau das spüre ich wieder in diesen Minuten. Weather Report mit Joe Zawinul und Wayne Shorter war so eine Band, die mit ihrer Auffassung von Musik die Stile ineinander verschmelzen ließ und der Song über das „Birdland“ in New York ist einer ihrer schönsten. Vielleicht ist das der Grund, weshalb Pascal von Wroblewsky sich diese Melodie, zum Überstreifen eigener Stimmungen, ausgesucht hat. Genau dieses „Birdland“ und das später folgende „Black Dog“ sind es, die den alten Rocker und Hippie in mir in Hochstimmung versetzen. Da werden Erinnerungen wach und bei den vertrackten Rhythmen des Led Zep Klassikers beginnt meine Hüfte sogar wie von selbst den Takt aufzunehmen. Die vier Briten wollten angeblich einen Song schreiben, den keiner nachzuspielen in der Lage wäre. Davon ist aber in diesen Minuten bei Pascal, und ihrem eingespielten Team von Musikern, so rein gar nichts zu spüren. Die Reise führt zwar weit weg von der Originalvorlage, aber dennoch ist der „schwarze Hund“ des Zeppelins in jedem Moment rhythmisch, als auch melodisch, anwesend. An so einem Abend darf natürlich eine musikalische Erinnerung an die eigenen Anfänge mit BAJAZZO nicht fehlen. Mit „Promise Myself“ singt Pascal Töne aus Zeiten, da sie selbst am Anfang ihres Weges stand, den sie einst, noch jung und mit Sommersprossen im Gesicht, wie sie lächelnd nach dem Konzert im Gespräch bemerkt, begann. Diese Jugendlichkeit und das Unbeschwertsein sind ihr zum Glück nicht abhanden gekommen und die feuchtwarme Luft und der heiße Sound halten auch mich, während des Blicks in die 70er Jahre, an den heutigen Interpretationen angenehm fest. Wie man den Klassikern frisches Leben einhauchen kann, ohne ihnen etwas wegzunehmen, zeigen die Musiker mit einem Jahrhundertriff, das dem inzwischen weich gespülten Ritchie Blackmore in einer brandheißen Situation eingefallen war. „Smoke On the Water“ und diese gezupften Akkorde von „Machine Head“, oder noch lieber von „Made In Japan“, kann man auch völlig anders und neu ausgestalten. Auch das kommt verdammt frisch über die Rampe. Die vielen kleinen Überraschungen und Ideen, die ihnen folgen, sind genau das, was diesen Abend, der mit einer vom Publikum gepfiffenen Version von „Tears In Heaven“ endet, zu einem besonderen werden ließ. Er war gespickt mit tollen Songs, die durch vier exzellent spielende Musiker einen neuen Klang und durch die spürbare Hitze des Abends, im doppelten Sinne, wirkungsvolles Gefühl erhielten. Es war eine hitzige Melange aus swingenden, groovenden und manchmal Jazz ähnlichen verspielten Rock-Klassikern, die durch die Gestaltung von Pascal von Wroblewsky für Minuten ihr einstiges Leben abstreiften und zu einer anderen, neuen Erscheinung und Erfahrung wurden. Faszinierend schön und in dieser Art einmalig, glaube ich jedenfalls. Mich hat das blinde Zusammenspiel sowie die sichtbare Freude am Ausreizen des Songmaterials den ganzen Abend über begeistert und den Bluesfreunden aus Trebsen, die mich freundlich aufnahmen, ist es wohl ebenso ergangen, denn als wir nacheinander das Haus wieder verließen, kündigte sich bereits der neue Tag an.