Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
The Wandsworth Philharmonic Orchestra from London 27.07.2019 live in a benefit-concert for the organ in the cathedral of Halberstadt Wandsworth ist ein Stadtteil von London. Hier gibt es mit der Clapham Junction den größten Bahnhof von Großbritannien und dem Battersea Park im gleichen Bezirk wurde von den Les Humphries Singers im Jahre 1971 eine musikalische Widmung zuteil. Da erscheint es fast logisch, dass es in Wandsworth auch ein Philharmonisches Orchester gibt. Es existieren sogar gleich drei derartige Klangkörper und das Wandsworth Philharmonic Orchestra ist der herausragende. Hier können Kinder und Jugendliche eine hervorragende musikalische Ausbildung erhalten, gemeinsam Konzerte geben und auf große Tournee, auch außerhalb von Brexitannien, gehen. Heute weilt der Klangkörper in Halberstadt und gibt ein Benefiz-Konzert für die Orgel im Dom. Natürlich lasse ich mir dieses Ereignis nicht entgehen, schließlich habe ich selbst einmal als Kind sieben Jahre lang das Spiel auf einer Violine erlernen dürfen. An der Penne hatten wir eine Musiklehrerin, die uns gefühlvoll mit klassischer Musik, zwischen Beethoven, Sibelius oder Prokofjew, infizieren und mit Chorgesang begeistern konnte. Mir bleibt also nichts anderes übrig, als mir ein fremdes Orchester, dessen Musiker durchweg Jugendliche sind und im Dom ein Konzert geben, anzuhören. Der Klangkörper, unter der Leitung von DAN WHITE, genießt einen hervorragenden Ruf und der Dom in Halberstadt ist eine der schönsten Konzerthallen, die ich mir gerade vorzustellen vermag. Wer unter der gigantischen Kuppel des Gotteshauses schon einmal Musik gehört hat, kann sich der Faszination solcher Erlebnisse nicht mehr entziehen. Beifall brandet auf, als die Jugendlichen, in schwarzer Kleidung, ihre Plätze unter dem Kronenleuchter einnehmen. Es ist 18.00 Uhr und die Glocken der zwei Türme beginnen pünktlich ihr Geläut, das man über die Stadt hinaus vernehmen kann. Minutenlang ist nur der Klang der Glocken zu hören und über einige Gesichter huscht ein Lächeln, weil es so scheint, als würde das Geläut nicht mehr enden wollen. Dann ist es für Momente still im Raum, ehe freundliche Begrüßungsworte, in Deutsch und Englisch, ausgetauscht werden. Nun kann der Dirigent seinen Stab schwingen. Am Beginn steht die „Finlandia“, eine ursprünglich sechsteilige Suite, die inhaltlich vom Gedanken der Unabhängigkeit sowie von großem Stolz geprägt ist. Noch heute hat sie in Finnland den Status einer heimlichen Hymne inne. Das junge Orchester musiziert mit großer Hingabe und irgendwie beschleicht mich der Gedanke, dass es kein Zufall ist, das Werk am Anfang des Konzertabends zu spielen. Jeder darf in diesen Minuten seinen eigenen Empfindungen folgen. Ich bin tief innen berührt, zumal ich mich jener Tage gut erinnern kann, da die „Finlandia“ als Klassik-Adaption im Konzertprogramm der Stern Combo Meissen ihren Platz und in jener Zeit ebenfalls eine besondere Bedeutung hatte. Auf diesen gefühlvollen Einstieg folgen von Ennio Morricone „Gabriel’s Obe“, mit einem sehr filigranen Solo, gespielt von ALIYAH NELSON, und George Gershwin’s schwungvolle Filmmusik „Ein Amerikaner in Paris“. ALIYAH bekommt einen herzlichen Applaus für ihre solistische Darbietung und nach dem Stück von Gershwin dürfen sich die Bläser stehend ihrer Ovationen erfreuen. DAN WHITE dirigiert die jungen Musiker mit lockerer Hand und lässt sie danach gebührend vom Auditorium feiern. Nichts ist motivierender, als Lob und Würdigung herausragender Leistungen. Stolz und Freude sind den jungen Musikern in die Gesichter geschrieben. Es folgen der 1. Satz der Sinfonie Nr. 1 von Gustav Mahler und die dreiteilige Suite „L’Arlesienne“ von George Bizet. Die ursprünglich als Bühnenmusik für ein Schauspiel konzipierte Suite wird von einem weiten Spannungsbogen, aus Wechsel von düster-schwermütig bis beinahe stürmisch und impulsiv in die abschließende „Farandole“, getragen. Für mein Empfinden ist dies der herausragende, mit großer Leidenschaft vorgetragene, Teil des Konzertabends. Der abschließende Akkord klingt noch für einige Augenblicke unter der Kuppel des Domes nach Stille, dann Applaus. Mit „Sicilienne“ erklingt jetzt ein beinahe zerbrechlich wirkendes Stück für Violine, die von ORION LOTH einfühlsam gespielt wird. In diesen leisen Momenten denke ich an meine Kinderjahre mit der Violine unterm Kinn. Die berühmte Gänsehaut kriecht über meinen Körper, so intensiv wirkt das filigrane Solo zwischen den wuchtigen Säulen im Dom. Eine wirklich wundervoll vorgetragene Darbietung und was für ein Konzertraum! Im abschließenden Drittel des Abends erklingen die Filmmusik aus „Jurassic Park“, ein Jazz-Walzer von Schostakowitsch sowie das „Cole Porter Salute“, mit einem ausdruckstarken Solo für Trompete. Leider habe ich den Namen des jungen Solisten, der mir sehr gefallen hat, überhört. Noch einmal ertönt mit den „Piraten der Karibik“ eine Filmmusik und zum Abschluss eine Themenfolge aus „My Fair Lady“, die begeistert aufgenommen wird. Es gibt Jubel und Standing Ovations für das Wandsworth Philharmonic Orchestra und seinen Dirigenten DAN WHITE, der sich mit den jungen Orchestermusikern abspricht. Danach gibt es als Zugabe noch den „Radetzky Marsch“. Die Begeisterung ist groß, als der letzte Ton verhallt ist und wieder Stimmengewirr dominiert. Ein nachhaltiges Erlebnis findet sein Ende. Natürlich bin auch ich schwer beeindruckt. Habe ich doch soeben, neben einer Menge herausragender Musikstücke, miterleben dürfen, wie junge Menschen mit ganz unterschiedlicher ethnischer Herkunft, gemeinsam Freude erleben und bereiten. Als schlimm empfinde ich, dass in unseren technologisch so hochentwickelten Zeiten, Politiker mit Verweisen auf solcherart „Merkmale und Herkunft“ versuchen, Politik für die Interessen der Mächtigen zu machen. Als beruhigend empfinde ich, mitzuerleben, wie die jugendliche Zukunft eines Landes, das gerade einen kleingeistigen Ausstieg vorzunehmen bereit ist, all das in Stunden des gemeinsamen Reisens und Musizierens beiseite wischt und das Gegenteil lebt. Sicher ist „dieses Europa“ nicht perfekt, sicher ist aber auch, wir Menschen könnten es stimmiger und lebenswerter machen, wenn uns nicht ständig neue Hürden konstruiert und aufgebaut würden. Diese, meine feste Überzeugung habe ich im Dom von Halberstadt sowie in der anschließenden Foto-Session und Gesprächen im Kreuzgang, bestätigt gefunden. Falls es eine Zukunft geben wird, muss die Jugend sie gestalten miteinander!! Die neunzig Minuten im Dom waren der Beweis, dass Leben mehr ist, als Politik sich vorzustellen, geschweige denn auch umzusetzen, vermag. Das macht mich glücklich und einem von der Abendsonne erleuchteten Dom im Rücken ahne ich, dass das Bauwerk, mit vielen hundert Jahren auf dem Buckel, eine gleiche glückliche Zukunft, wie die Generation unserer Enkelkinder, erleben wird, wenn wir alle es nur wollen. Mein DANK gilt Frau Wolf, die mir an diesem Samstag viel mehr als nur den Besuch eines Konzerts, plus das Fotografieren im Dom, ermöglicht hat.