Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Veronika Fischer & Stern Combo Meissen rocken Dresden 20.08.2011 „Ich bin die Fischer und das ist die Band und wer bist du?“ So tönte es von der ersten Amiga-Single der blonden Rock- Lady. Das ist fast 40 Jahre her. Inzwischen weiß jeder zwischen Fichtelberg und Kap Arkona, wer die Fischer ist. Die „Altbürger“ zwischen Fehmarn und Alpen hatten auch ihre Chance, die Fischerin kennen zu lernen. Vroni hat bisher eine beeindruckende Lebensbilanz vorzuweisen: Gesang bei der Fred Herfter Combo beim Jugendtanz, Soul-Standards bei der Stern Combo Meissen und die ersten eigenen Sachen bei Panta Rhei. Zwischen jenen frühen Tagen und heute liegen Jahrzehnte des Suchens, Findens und Wiederkehrens. Inzwischen sind wir alle reifer an Jahren sowie an Erfahrungen geworden, wir haben politische Strömungen kommen und gehen sehen, und wenn man einiges heute mit etwas Abstand betrachtet, werden die Grenzen im Leben sowie in der Musik fließend. Manches ist schnell vergessen, doch es gibt Lieder, von denen kann ich nicht genug hören, weil sie inzwischen ein Teil meiner eigenen Erfahrungen und Vita geworden sind. Vroni und ihre Lieder sind so ein Stück Lebensgefühl, auf das ich nicht verzichten kann. Grund genug, um an diesem sonnigen Spätsommertag nach Dresden zu fahren, wo die Fischerin und ihre Band auf dem Platz vor der Semperoper ein Konzert geben wird und wie der Zufall in Gestalt der Organisatoren es wollen, danach noch die Stern Combo Meissen. Das wäre eine gute und seltene Gelegenheit, doch eventuell noch einmal etwas gemeinsam - ich hab’s als Spinnerei gleich wieder abgehakt. Dabei sind Träumereien doch so schön! Der Theaterplatz ist voller Menschen. Zwischen Semperoper, Schloss und Unmengen an Ständen und Buden drängen sich zig-tausende. Eigentlich ist mir diese Enge eher unangenehm. Als ich ankomme, sind die Sitzplätze und Sitzmöglichkeiten vor der hohen Bühne, auf der noch der Sound gecheckt wird, schon vergeben. Will man jedoch den Musikern in die Gesichter sehen, muss man ohnehin mit langem Hals vor der Rampe stehen, während die Füße die Unebenheiten des Pflasters davor abtasten dürfen. Die folgenden sechs Stunden könnten es also in jeder Hinsicht in sich haben. Für mich ist Veronika Fischer die Sängerin der großen „Gefühle“ (1991), von Liedern, die eigens für sie maßgeschneidert wurden. So beginnt das Konzert auch mit „Sehnsucht nach dir“ und dem „Verlorenes Herz“, beides Songs, die schon in der „Neuzeit“ entstanden. Sie erzählt kleine Geschichten aus ihrem Leben, sie singt von der Liebe und von der Sehnsucht. So auch die wunderschöne Melodie „Madame“, die ihr Manfred Maurenbrecher als „Weit übers Meer“ schrieb. Wenn ich das Lied höre, denke ich stets an Scott Walker’s Version von Brel’s „Amsterdam“, das die gleiche Melancholie und die tiefe Sehnsucht ausstrahlt. Doch leider geht bei diesen „Riesen-Muggen“ die Schönheit der Lyrik in Hitze, Schweiß und Nebengeräuschen ein wenig unter. Auch, dass sie eine neue CD ankündigt und sie daraus vorab schon mal etwas zu Gehör bringt, war nur nebenbei zu verstehen. Die meisten Besucher hörten erst richtig hin, als sie vom „Klavier im Fluß“ und von der Wiese sang, auf der wir, und wer weiß noch, „gelegen und Gras gekaut“ hatten. Es sind wohl auch diese Klassiker der Fischerin, auf die sie alle warten und natürlich bekommen wir die „Lieder unserer Jugend“, wie einer neben mir bemerkte. Für viele ist es ein Wiedersehen nach langer Zeit und für manche ein besonderer Tag. So auch für den Gitarristen von Vroni, der an diesem Tag Geburtstag hat. Von tausenden Menschen einen Geburtstagsapplaus zu bekommen, erlebt sicher auch Udo Weidemüller nicht ganz so oft. Dann erklingt mitten im Sommer „Wenn ich eine Schneeflocke wär“, das ihr, wie viele andere auch, Franz Bartzsch schrieb und das „einfach zu mir gehört“. Sie sagt es und man spürt noch immer den Kloß im eigenen Hals und in ihrer Stimme. Neben „Guten Tag“ und auch „Sommernachtsball“ gefiel mir persönlich deshalb auch wieder das Duett „In jener Nacht“ am besten, dass sie eigentlich mit Franz Bartzsch hätte singen sollen. Diese Rolle übernimmt in Dresden Andreas Gundlach, einer der beiden Männer an den Tasten. Von seiner Schönheit hat der Song bis heute nichts eingebüßt. Vroni stellt sich zu ihm auf das Podium und von dieser Position erstrahlen beide Stimmen weit über das Menschenmeer auf dem Theaterplatz, der inzwischen brechend voll ist. Von da oben muss das wie eine gigantische Kulisse aussehen. Viel zu schnell sind die 90 Minuten im gleißenden Sonnenlicht vergangen. Es gibt noch eine Zugabe, doch dann verabschieden sich Veronika Fischer und ihre Band. Jetzt haben die Bierstände, ganz im Gegensatz zur Weltwirtschaft, Hochkonjunktur. Andere wiederum zieht es zum Seiteneingang, um dort auf die Künstlerin, in der Hoffnung auf ein Autogramm, zu warten. Selbst Bernd „Benno“ Fiedler, der einstige Bassist der Stern Combo Meissen, steht in der Schlange. Wer mich kennt, der weiß, dass ich diese Chance nicht ungenutzt vergehen lasse und so muss Vroni Minuten später ihr Autogramm neben den Schriftzug von Benno auf eine dieser uralten Autogrammkarten aus den frühen 70ern schreiben. Was interessieren mich die Weltwirtschaft und die Konjunktur, wenn ich meine Sammelleidenschaft ausleben kann! Letzteres habe ich wenigstens durch Eigeninitiative auch selbst im Griff. Wie oft ich die Stern Combo Meissen inzwischen live erlebt habe, die Tanzabende meiner Jugendjahre nicht mit gerechnet, vermag ich nicht zu sagen. Es sind zum einen sicher weniger, als so mancher die Band und „seine Idole“ in den letzten zwei oder drei Jahren im Konzert gesehen hat, aber andererseits genug, um den Wertegang, die Brüche und die steten (Neu)Anfänge dieser einzigartigen Band ganz gut nachvollziehen zu können. Auch die aktuelle Besetzung beim Dresdner Stadtfest kam daran nicht vorbei, wie sich noch zeigen würde, und dennoch ist die Combo auf dem Wege zu „47 plus X“ Jahren. Die sechs Herren, die gegen 19.°° Uhr froh gelaunt die Bühne vor der Semperoper betreten, kennen keine Aufwärmphase. Nach einem kurzen Instrumental beginnt mit wuchtigen Klängen aus den Tasten „Der weite Weg“ und spätestens mit der markanten Melodieschleife der „Sage“ sind Publikum und die Band zu einem Ganzen verschmolzen. Larry B., der Mann am Gesangsmikrofon, hatte keine Mühe und brauchte nur wenige Worte, um den verbliebenen leeren Platz direkt vor der Bühne zu füllen. Als er dann auch noch „den größten Welterfolg seiner Band in der DDR“ ankündigte und die Adaption von Vivaldi’s „Der Frühling“ erklang, waren die vielleicht knapp 10.000 Sachsen und deren Gäste vor der Bühne glücklich. Es ist immer wieder ein Genuss, die beiden Keyboarder Thomas Kurzhals und Marek Arnold beim Spiel mit den Tasten zu erleben. Dennoch fiel einigen auf, dass ein Platz auf der Bühne leer geblieben war. Das Fehlen von Norbert Jäger zu erklären, fand Larry ebenfalls die richtigen Worte. Einer, der beinahe 50 Jahre das Bild und den Sound dieser Band mit geprägt hatte, musste sich entscheiden und seiner Gesundheit Priorität einzuräumen, was ihm ganz sicher nicht leicht gefallen ist. Einer hinter mir sprach aus, was viele im Publikum auch dachten: Band und der Musiker mögen die Zeit und den Ort für einen angemessenen Abschied von seinen vielen Fans finden. Erst dann, so glaube ich, wird das alte Blech mit seinem Namenszug darauf den eigenen Klang auf der Bühne entfalten können, der den Sound von „Südpol“ bis „Sage“ komplett macht. „Der Alte auf der Müllkippe“ hat ohne Zweifel an diesem besonderen Abend in Dresden gefehlt und Fans werden „den Alten“ auch noch eine Weile länger vermissen, doch auch viele unausgesprochene Wünsche werden ihn auf seinem Weg begleiten. DANKE Norbert und alles Gute für dich! Der Blick der Band war schon immer und ist auch in dieser Sommernacht weit nach vorn gerichtet. Es werden jene Lieder live gesungen, die man auch aus den heimischen Boxen hören möchte. „Ein Tag, ein Jahr, ein Leben“ ebenso wie „Das kurze Leben des Raimund S.“, die zum Standardprogramm der Band gehören und ebenso gefeiert werden, wie etwa die kompakte Konzertversion „Weisses Gold“, die auch in Dresden erklingt. Seitdem Thomas Kurzhals mit seinem innovativen Tastenspiel wieder den Sound der Combo dirigiert, sind neue Stücke entstanden, hat auch die Experimentierfreudigkeit wieder zugenommen. Wer, wie viele in Dresden, die Band seit langer Zeit wieder einmal live hört, wird vielleicht voller Staunen so ein Stück wie „Lebensuhr“ vernommen und staunend den rauen Klang des Saxophons gehört haben. Der Titelsong der kommenden neuen CD überzeugt eben auch dadurch, dass er scheinbar anders ist, als die alten. Doch diesen Effekt haben wir vor Jahren bei „Wir sind die Sonne“ auch schon erlebt und in Dresden wurde er von der Menge begeistert mitgesungen, während zwei Rocker auf der Bühne versuchten, dazu ihre Tanzbeine zu schwingen. Hörgewohnheiten ändern sich mit der Zeit und so verwundert es auch nicht, dass zum Ende des Konzertabends mit der Stern Combo Meissen schon viele „Die gelbe Elbe“ begeistert mitsingen, während in den Reihen weiter hinten über den süffisanten Text spontan gelacht wird. Es kann also durchaus sein, dass es nicht nur bei den tausenden Hörern vor der Bühne kleine Überraschungseffekte gegeben hat, sondern dass die kommende CD gar noch mehr solcherlei überraschendes Liedgut für die heimische Anlage und die neugierigen Ohren bereit hält. Nur seichtes Konsumgut darf man von der Stern Combo jedenfalls nicht erwarten und das ist gut so! Die Herren um Mastermind Martin Schreier, der anno 1964 die Band in Meissen gründete, sind immer noch auf einem „weiten Weg“ und die einzige Konstanten der Band sind die Veränderung und der Bandchef. So ein Konzert vor tausendfacher und historischer Kulisse macht nicht nur den Fans Freude, es gibt sicher auch Energie, noch möglichst lange musizierend zu unserer Freude unterwegs zu sein, damit immer wieder mal, wie in Dresden vor dem Konzert geschehen, von unten eine kleine Lady rufen kann: „Hallo, Opa Martin, hier bin ich!“. Das allein war den Wartenden einen Riesenbeifall wert. In diesem Sinne, Gratulation, meine Herren, zum tollen Konzert beim Stadtfest 2011 in Dresden und bis zum nächsten Höhepunkt in der Bandgeschichte, wann und wo auch immer das Event stattfinden wird!