Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Uriah Heep live bei Harley Davidson in Berlin 02.08.2008 Würde mich jemand fragen, wer mein bester Freund gewesen sei, dann müsste ich neben meinem Schotten DAVID meinen Vater HANS nennen. Dafür gibt es viele Gründe und einer ist dieser: Jene Generation, zu der ich gehöre, war von den großen Beat- und Rock-Ereignissen der 1960er- und 1970er Jahre abgeschnitten. Zu Bands jener Jahre mussten wir uns träumen. In den 60ern verbrachte ich fast jeden Samstagnachmittag mit meinem Tonbandgerät Marke Qualiton vor dem Radio, um den Rias-Treffpunkt zu hören und die Songs aufzunehmen. Im Jahre 1968 musste ich zur Fahne und mein Vater, der Direktor einer Sonderschule und bis Anfang der 70er auch in der Partei war, übernahm für 18 Monate meinen Job am Radio und konservierte die Musik vom Rias mit meinem Tonbandgerät. Die Bänder und das Gerät habe ich immer noch. Die mitgeschnittenen Songs präsentierte er mir immer voller Stolz, wenn ich zu Hause im Urlaub war. An einen solchen Urlaubssonntag kann ich mich noch heute erinnern, weil mir der Song regelrecht in mein Ohr schoss. Ein rotziges Gitarrenriff und eine markerschütternde Stimme fraßen sich in meine Gehörgänge. Dank dieser Ohrgravierung kann ich noch heute diesen „Bird Of Prey“ von Uriah Heep singen und schreien hören. Für mich ein Universalerlebnis. Abgesehen von der berühmten „Lady In Black“ wurde ich ein Heep-Fan und träumte davon, die Songs von „Solisbury“ bis „Wonderwall“ eines Tages live hören zu können. Bands wie Heep, Purple, Sabbath und Led Zep waren damals die Spitze des Hard-Rock-Olymp. Man erzählte sich Geschichten und Mythen von Schallplatten und Konzerten, die wir alle gern gehabt und gesehen hätten. Inzwischen ist die neue Zeitrechnung fast 18 Jahre alt und viele meiner Idole von damals habe ich mir musikalisch gegönnt, auch wenn ich dabei immer tiefer in die Abgründe meiner Geldbörse abtauchen muss. Was soll’s und wohl dem, der das überhaupt noch kann! Und dann stehe ich plötzlich diesem Gitarrenidol Mick Box von Uriah Heep nach mehr als 40 Jahren gegenüber und auf die Frage, ob ich denn ein Bildchen mit ihm und mir machen dürfe, sagt der schlich: „Sure“. Diesen Moment hätte ich einfrieren wollen, aber wenigstens ein Foto ist dabei entstanden. Eine Stunde „Free Concert“ mit URIAH HEEP ist „Am Salzufer“, zwischen den Filialen von Mercedes Benz & Harley Davidson, angekündigt. Locker zusammen gewürfeltes Biker-Publikum, grauhaarige Heep-Fans und jede Menge auf Hochglanz poliertes Edelmetall ist zu bestaunen. Was für ein geiler Anblick, „Easy Rider“ lässt grüßen! Die Band, deretwegen ich extra hierher nach Berlin fuhr, gestaltet den Höhepunkt eines langen Biker-Sonntags. Die Herren Box, Bolder & Shaw betreten die Bühne und wenig später brennt dort eine Stunde lang die Berliner Luft. Auf dem kleinen Podium, kaum doppelt so groß wie mein Wohnzimmer, steht Rock-Historie pur, Mensch gebliebene Rock-Monumente, genau so, wie ich sie mir einst erträumte. Diese Band hat zeitlose Musik geschaffen, Alben wie „Salisbury“ oder die Geschichten von „Demons & Wizards“ eingespielt und der Menschheit das Volkslied von der „Lady In Black“ geschenkt. Die Band um das letzte verbliebene Gründungsmitglied und Gitarrist Mix Box ist nach zehn Jahren in Berlin, um ihr neues Album „Wake The Sleeper“ (Erwecke den Schläfer) vorzustellen. Zwei Tage zuvor hatte ich mir das Vinyl (!!) zugelegt. Der Sound der Scheibe erinnert erfreulicherweise an die frühen Album-Produktionen und so ist es kein Wunder, dass sich die drei neuen Songs „Overloud“, „Tears Of The World“ und „Shadow“ sehr gut in das Gesamtkonzept einfügen. Sie erklingen neben „Free Me“, „Sunrise“ und „Gypsy“, die natürlich vom Publikum euphorisch begrüßt werden. Genau deswegen sind die meisten ja auch hier und natürlich möchte auch ich den einen oder anderen Klassiker hören. Mit „July Morning“ und „Easy Livin’ werde ich auch bestens bedient. Damit ist (fast) chronologisch auch die Abfolge der kurzen Set-List genannt. Natürlich gibt es die „Lady in Schwarz“ als Zugabe obendrauf und alle stimmen wir in den Chor ein: „Ha-Ha-Ha-Ha…“. Einige Konzerte habe ich ja schon gesehen in meinem bescheidenen Rockerleben. Bei Uriah Heep haut mich deren Natürlichkeit und Spielfreude der Herren regelrecht um. Davon abgesehen, dass man im Rock-Business ganze vierzig Jahre nicht nebenbei „überlebt“ und dass technische Perfektion und viel Kreativität wahrscheinlich unumgänglich sind. Wenn man dann diesen Mick Box mit seiner Gitarre und Trevor Bolder am Bass erlebt, wie sie mit ihrem Instrument und der Musik förmlich verschmelzen, da kann einem schon die Kinnlade runterklappen. Nicht zu vergessen Phil Lanzon, der im Hintergrund die Heep’schen Keyboard-Teppiche webt und der neue Drummer Russell Bilbrook, der einem Derwisch gleich hinter seiner Schießbude tobt. Die Stimme des Sängers Bernie Shaw schweißt diese Melange souverän zu einem einheitlichen Ganzen zusammen. Uriah Heep Band sind mit sich im Reinen! Ich kann’s meinem Vater leider nicht mehr erzählen: „Hey Paps, danke für’s Aufnehmen am Bandgerät und schönen Gruß auch von Mick Box!“ Als ich mit Freunden danke Laci für die Backstage-Card nach dem Konzert durch die Räume von Harley Davidson schlendere, da läuft uns leibhaftig Mick Box über den Weg und auf meine Frage, ob ich ein Foto mit ihm machen dürfe, reagiert der einfach nur: „Sure“. Ich denke an meinen Vater, als es klick macht und auch, als die fünf Herren im Innenhof von Harley’s mein neues Album von Heep signieren und Mick Box seine Signatur in das Cover von „Sweet Freedom“ zeichnet. In meinen Gedanken steht mein Vater neben und der „Bird Of Prey“ schwebt über mir. Ein Traum ist in Erfüllung gegangen und Paps hat seinen Anteil daran, dass es soweit kam.