Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Transit in Biesdorf – die Live-Rückkehr 12.06.2009 Support: Hannes Bauer & Orchester Gnadenlos Einen Ort zu verlassen, um an einem anderen anzukommen. Die Spanne dazwischen wäre eine der möglichen Bedeutungen des Wortes TRANSIT. Andere würden einfach sagen, dass damit die Rocker von der Küste gemeint sind, die sich vor gefühlten Jahrdutzenden von der hiesigen Live-Szene und überhaupt verabschiedet hatten. Rückkehr ausgeschlossen, hieß es einst. Von wegen ausgeschlossen! Sie sind endlich wieder da, hieß es kürzlich und deshalb bin ich an diesem völlig verregneten Tag mit Freunden nach Berlin gefahren, dorthin, wo in Biesdorf die Parkbühne hinter Häuserblocks versteckt wurde. Dort wollten sich die Mannen um EGON LINDE nach mehr als einem Vierteljahrhundert wieder, und entgegen anderen Vorsätzen, auf die Bühne trauen. Da muss es wohl einigen Musikern mächtig in den Fingern gejuckt haben. Die Bühne ist noch leer, das Auditorium überschaubar und der Himmel hat sich ausgeregnet. Der für die Karten verantwortlich war, hat seinen Job verfehlt. Also kaufen wir neu. Die Luft ist unterkühlt, die Stimmung einiger angereister Anwesender auch. Und wenn schon! Mir ist das genau genommen egal, schnurz-piepe und HANNES BAUER, der mit seinem Mini-Orchester GNADENLOS ziemlich pünktlich die Bühne betritt, um das kleine Areal zu rocken, wahrscheinlich auch. Der einstige Lindenberg-Gitarrist, für den der Rock’n’Roll wie gemacht schein, steht da oben als „Vorprogramm“, so als schiene er direkt aus Udo’s „Galaxo Gang“ entsprungen zu sein und genau so dreckig, rotzig und forztrocken rammelt der Mann mit seinen Fingern über die Gitarrensaiten: „Er spielte so schön schmutzig wie der Dreck, den man unter seinen Fingernägeln sah.“ („Rock’n’Roller“) Der steht in Biesdorf auf der Parkbühne und singt sich wahrlich sein Rockerleben aus der Hamburger Schnodder- Gusche. Es sind alles knackige Rock-Songs mit Texten, die Bauer irgendwann im Leben, in Hamburg oder auf den Autobahnen der Republik erlebt haben muss. Egal, ob er vom Autokult beim „Porsche-Blues“ oder von Erlebnissen zwischen Pommes-Bude und Reeperbahn singt, diesem Bauer muss man das einfach abnehmen. Manchmal ist die Textkrücke auch nur ein „Laubfrosch in seinem Bett“, die er dann nutzt, um die Haltbarkeit der Gitarrensaiten zu testen und wenn man dann auch noch Blickkontakt aus fünf Metern Entfernung erwischt, kommt der Mann auch noch vor an die Rampe und zeigt dir die schwingenden Saiten und seine Teufelsfinger, die darüber hinweg rasen und durch die Bünde rasen. Mal davon abgesehen, dass da vorn das klassische Hendrix Line-Up mit Gitarre, Bass und Schlagzeug rockt, ist dieser Typ in Lederklamotten auch noch Linkshänder wie Hendrix und bringt es zudem noch fertig, so ganz nebenbei beim unkaputtbaren „Peter Gun“ aus der Mottenkiste sein Idol Jimi Hendrix mit „Purple Haze“ instrumental zu zitieren. Wahnsinn! Also nüscht gegen den einen oder anderen Gitarren-Helden aus dem Osten, die über weite Strecken sicher technisch viel ausgefeilter und künstlerisch reifer (?) Instrumentalzaubereien vorzeigen können, doch BAUER nimmt einfach nur sein Rocker-Herz und seine Woodstock-Seele in die Finger und zeigt mit seiner Gitarre, warum sie auf dieser Welt ist zum Rocken bis die Fetzen fliegen. Klasse Hannes, hast so manchen, mich inklusive, damit überrascht!! Danach, so könnte man meinen, dürfte es TRANSIT auf dieser Bühne nicht ganz so leicht haben. Doch mit seinem Erscheinen auf der Rampe aus Beton strahlt EGON LINDE diese freundliche Gelassenheit aus, die ich noch in meiner Erinnerung habe und noch ehe jemand dazu kommt, anderen Gedanken zu folgen, überraschte TRANSIT mit einem brandneuen Song als Einsteiger. „Back Again“ knüpft dort an, wo LINDE vor 20 Jahren aufgehört hatte, TRANSIT zu sein, um sofort „Heinrich der Kneiper“ und den „Rock’n’Roll Zigeuner“ nachzuschieben. Der Bogen vom Damals zum Heute ist geschlagen und die Band mit der „Sturmflut“ und „Ich fahr’ an die Küste“ beim Publikum angekommen. Die wenigen voll besetzten Reihen versuchen sich in tosendem Applaus. EGON LINDE, so kommt es mir jedenfalls vor, scheint diese lange Zeit unbeschadet überstanden zu haben. Er hat noch immer dieses sonnenverwöhnte Skipper-Gesicht und eine Matte auf dem Kopf, dass einem wie ich, mit deutlich weniger Faden im Genick, Neidgedanken durchzucken. Dem blonden Küstenrocker ist die Freude ins Gesicht gemalt und auch seine beiden Langzeitkumpels, Siegfried „Siggi“ Scholz an den Tasten und Lutz Krüger hinter dem Schlagzeug, scheinen von der Magie des Rock’n’Roll nichts vergessen zu haben. Der Neue am Bass, Manfred Hecht, komplettiert unauffällig und mit gutem Saitenspiel, die neue TRANSIT-Band. Es passt alles, als wäre es nie anders gewesen. Als EGON LINDE endlich Sagen und Mythen ankündigt, schafft es die kleine Meute auf den kalten Sitzbänken, die Begeisterung von Hunderten zu simulieren. Bei „Jona“ und der „Bernsteinhexe“ wird hier und da sogar inbrünstig und mitgesungen. Seine wohl persönlichsten Lieder singt EGON ganz zum Schluss, denn „Raus aus meiner Haut“ und letztlich „Ein Mädchen wie du“ treffen auch die meisten der angereisten Fans mitten in ihren Erinnerungen, so sie eine Ostidentität haben. In der einbrechenden Dämmerung kann man sehnsuchtsvolle Blicke erhaschen: Mensch EGON, warum hast du uns so lange warten lassen? Kurz nach 22.°° Uhr ist im hauptstädtischen Dorfwald Pumpe. Berlin ist wohl doch mehr Provinz, als man glauben mag. Weitere Zugaben duldet die öffentliche Ordnung nicht und in die Freude über das Wiedersehen mischt sich der schale Beigeschmack verbeamteter, realisierter Dummheit und versteifter Rituale. Beschnittene und gekürzte Kultur in der Hauptstadt – warum fand eigentlich diese Wende statt? Nach dem Konzert sehen sich Egon, Siggi und Lutz noch die alten Fotos vom April 1981 an, nehmen sich etwas Zeit zum Plaudern und mein LP-Cover ziert nun endlich auch ihre Unterschriften. TRANSIT ist wieder da und wir haben sogar neue Songs gehört. Dann macht mal weiter, Jungs, wir sehen uns in Dresden oder in der Kirche von Koserow, um der Sage von der „Bernsteinhexe“ zu lauschen und uns der Magie gesungener Geschichten sowie Sagen hinzugeben. Darauf freuen sich viele Fans und alle anderen können neugierig sein. Bis denne und auf bald! Kundi, HH & Conny