Tadeusz Wozniak in Sopot - Gdansk im Sommer 1972
21.07.2013
Zur
abendlichen
Stunde
flimmert
der
Fernseher
in
meinem
Wohnzimmer.
Ein
Sänger
wird
angekündigt
und
betritt,
von
hinten,
aus
dem
Bühnenuntergrund
kommend,
eine
gewaltige
große
Freilichtarena.
Der
Mann
ist
ganz
in
schwarz
gekleidet
und
trägt
in
der
Hand
eine
einfache
Gitarre.
Vorn
am
Mirkofon
steht
ein
Hocker,
auf
den
er
sich
setzt.
Dann
legt
er
seine
Gitarre
auf
die
Knie
und
beginnt
ganz
leise
Akkorde
zu
zupfen
und
noch
leiser,
beinahe
zaghaft,
erklingt
eine
Melodie
und
aus
dem
weiten
Rund
vor
der
Bühne
brandet
stürmischer
Applaus
auf.
Ebenfalls
aus
dem
Hintergrund
tritt,
mit
langsamen
Schritten,
eine
Mädchengruppe
hinzu
und
steigt
mit
ihren
Stimmen
in
den
Chorus
ein.
Das
Lied,
das
ich
dann
zu
hören
bekomme,
wird
mich
mein
ganzes
weiteres
Leben
nicht
mehr
loslassen.
Es
wird
mich
begleiten
und
in gewissen Situationen immer mal wieder mein Partner sein, so tief im Innern sitzt die Melodie. Bis zum heutigen Tag.
Das
eben
geschilderte
Ereignis
liegt
vierzig
Jahre
in
der
Vergangenheit.
Das
Wohnzimmer,
in
dem
wir
damals
saßen,
befand
sich
irgendwo
in
der
City
von
Gdansk,
der
polnischen
Hafenstadt,
und
die
Bühne,
war
die
von
Sopot,
wo
auch
1972
das
internationale
Festival
stattfand.
Diesen
Abend
in
Polen
und
noch
einiges
mehr
erleben
zu
können,
hatte
ich
meinem
Freund
Hans-Georg
zu
verdanken.
Der
verbrachte
damals
mit
seinen
Eltern
eine
Woche
Ferien
bei
Freunden
in
Gdansk
und
mich
gefragt
hatte,
ob
ich
denn
Lust
hätte,
während
der
Tage
des
Liederfestivals
in
Sopot
dabei
zu
sein.
Ich
hatte und so verbrachte ich einige Tage mit Georg in Gdansk. Zeitgleich fand in Sopot das Festival statt.
Diese wenige Tage in der großen Hafenstadt waren voller Erlebnisse.
Es waren schöne dabei, über die man stundenlang reden könnte,
und solche, über die man als höflicher Gast und wohlerzogen, wie wir
damals waren und noch immer sind, heute einfach grinsend schweigt.
Nur wenn wir beide manchmal uns gemeinsam erinnern, dann möchten
wir uns am liebsten noch heute auf die Schenkel klopfen, so schön war
das alles und so anders damals schon, als noch niemand in den Werft-
anlage an einen Lech Walesa dachte. Doch ich kann schwören, die etwas
andere Lebensart und Denkweise waren in dieser polnischen Familie
schon ziemlich tief verwurzelt. Da hatte Lech Walesa nicht mehr sehr viel
Kraft aufzuwenden.
An
jenem
Abend
saßen
wir
alle
vor
der
polnischen
Röhre
und
schauten
uns
live
die
Konzerte
aus
Sopot
an.
Da
kam
also
dieser
junge
Mann
mit
seiner
Gitarre
und
sang
sein
Lied
von
„Zegarmistrz
Swiatla“
(Uhrenmeister
der
Welt).
Doch
TADEUSZ
WOZNIAK
sang
nicht,
er
zelebrierte
dieses
Lied
und
dirigierte
mit
seiner
Stimme
die
Gefühle
der
Massen
und
die
unseren
vor
den
Bildschirmen.
Es
war
so
eindringlich,
so
faszinierend,
dass
ich
von
dem
Song
wie
hypnotisiert
war.
Wenn
jemand
unbedingt
einen
Vergleich
braucht,
dann
vielleicht
den
zu
Donovan’s
„Atlantis“,
das
ebenso
intensiv
beschwörend
wirkt
und
eine
Stimme,
die
mich
im
Nachhinein
an
Nick
Drake
erinnert.
TADEUSZ
WAZNIAK
war
ohne
Zweifel
der
Star
des
Abends
und
der
Liebling
des
Publikums
sowieso.
Wir
haben
uns
beide,
Hans-Georg
und
ich,
in
diesen
Tagen
mit
Souvenirs
und
neuen
Schallplatten
eingedeckt
und
natürlich
haben
wir
auch
jene
Langspielplatte,
„Wozniak“
betitelt,
gekauft,
auf
der
dieser
Song
enthalten
ist.
Ich
habe
die
Platte
heute
noch
und
finde
sie
noch
immer
so gut, wie vor in jenen Jahren.
Darauf
finden
sich
so
wunderschöne
Lieder,
wie
das
filigrane
„A
Bodaj
To“
(Könnte
es
sein),
das
englisch
gesungen
ein
internationaler
Hit
geworden
wäre,
so
meine
Vermutung,
aber
auch
„Ten,
Ktory
Pedzi“
(Der,
der
beschleunigt)
traf
haargenau
den
Sound
und
den
Zeitgeist
jener
Jahre.
Auf
der
Platte
wirkt
die
damals
in
Polen
bekannte
weibliche
Gesangsgruppe
ALIBABKI
mit.
Songs
wie
das
eben
genannte
„Ten,
Ktory
Pedzi“
oder
auch
das
wunderschöne
„Smak
i
Zapach
Pomarasnczy“
(Geschmack
und
Geruch
von
Orangen)
leben
von
Wozniaks
Stimme
und
den
Backing
Vocals
der
Damen.
Eines
meiner
Lieblingslieder
ist
„Zanosi
Sie,
Na
Noc“
(Erwartungen
der
Nacht),
das
sich
als
einfühlsames
kleines
Schlaflied in meinen Ohren festgesetzt hat.
Die
zweite
LP-Seite
beginnt
wieder
mit
einem
der
typischen
WOZNIAK-Lieder,
die
diese
eigenartige
Folk-Stimmung
ausstrahlen.
Vom
Rhythmus
her
tanzbar
angelegt,
wird
man
bei
„Leze“
(Hinlegen)
dennoch
das
Gefühl
einer
leisen
Melancholie
nicht
los,
die
sich
dann
vordergründig
im
nächsten
Lied
fortsetzt.
In
„Ciche,
Biala
Kolysanie“
(Sanftweiße
Schwingen)
erlebt
man
die
balladenhafte
Stimmung
noch
intensiver,
die
den
Kenner
sicher
entfernt
an
Donovan
Gesangsstil
erinnert
und
doch
so
typisch
polnisch
ist.
WOZNIAK
hatte
eine
Stimme,
die
ich
noch
heute
als
einzigartig
empfinde,
die
erst
in
Kombination
mit
sparsamer
Gitarrenbegleitung
so
richtig
zur
Geltung
kommt.
Das
ist
auch
intensiv
bei „Moj Czas“ (Meine Zeit) zu hören. Höhepunkt der Scheibe ist allerdings ihr letzter und gleichzeitig der Titelsong.
„Zegmarmistrz
Swiatla“
(Uhrmacher
der
Welt)
beginnt
mit
dem
für
Wozniak
so
typischen
Spiel
auf
der
Akustikgitarre,
über
das
er
sehr
emotional
seine
Stimme
gleiten
lässt.
Schon
nach
der
ersten
Strophe
gibt
es
eine
Steigerung
durch
Hinzufügen
einer
Rhythmusgruppe
und
dann
nochmals
mit
Chorgesang
(ALIBABKI)
und
Bläsersektion.
Das
Lied
endet
schließlich
in
einem
finalen
gemeinsamen
Schlussteil,
der
an
Dynamik
und
Spannung
kaum
Wünsche
offen
lässt.
Bei
mir
geht
die
Melodie
noch
heute
unter
die
Haut,
vor
allem
dann,
wenn
ganz
zum
Ende
noch
einmal
WOZNIAK’s
Stimme
leise zur Gitarre ausklingt.
Der
besondere
Reiz
dieser
Musik
besteht
für
mich
noch
heute
darin,
dass
sie
ganz
schlicht,
aber
nicht
banal,
einfühlsam
und
unverwechselbar
ist
und
deshalb
auf
mich
sehr
eindringlich
wirkt.
Selbst
der
Vergleich
zu
Donovan
ist
nur
eine
halbherzige
Krücke,
um
dem
Nichtkenner
ein
Gefühl
zu
vermitteln,
das
dennoch
nur
ein
Fragment
bleiben
muss,
solange
man
WOZNIAK
nicht
einmal
selbst
gehört
oder
eine
Scheibe
aufgelegt
hat.
Wenn
ich
in
der
heutigen
Zeit
(2013)
Musik
von
TADEUSZ
WOZINAK
höre,
dann
nur,
weil
sich
auf
meinem
Plattenteller
eine
seiner
Platten
dreht.
Dann
denke
ich
an
die
Tage
in
Gdansk,
an
unsere
Taschen
voller
Schallplatten
und
eine
Zugfahrt,
bei
der
ich
lernte,
stehend
im
Zug
zu
schlafen.
Immer,
wenn
ich
mit
Georg
mal
wieder
zu
einem
Konzertbesuch
fahre,
sind
auch
diese
Erinnerungen an Sopot 1972 und an die Musik von TADEUSZ WOZNIAK dabei. Ihr könnt ihn fragen.