Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Sternensinfonie – Stern Combo Meissen live 16.05.1979 (Mag sein, dass man rückblickend manches verklärt oder nicht einfach nüchtern sehen möchte, weil die Emotionen überwiegen. Aber meine Erinnerungen sind ebenso belegbar, wie die anderer an Satchmo oder Glenn Miller und deshalb sind sie auch wahr.) Sie ist über Jahrzehnte eine der tragenden Konstanten im ostdeutschen Rockgeschehen, wenn nicht sogar eine gesamtdeutsche, auch wenn das westlich vom Harz vielleicht nicht viele hören, erst recht nicht verstehen möchten. Bei all den Stilwechseln, die sich an internationalen Trends orientierten, aber auch neuen Besetzungen geschuldet waren, die STERN COMBO MEISSEN war immer präsent, hatte mit ihrem außergewöhnlich hohen musikalischen Anspruch auch immer etwas zu sagen und war nah am Puls der Zeit, diktierte ihn sogar mit. Diese Band war neben der legendären THEO SCHUMANN COMBO aus Dresden, UVE SCHIKORA und den BEROLINA SINGERS aus Berlin eine meiner ersten Live-Erfahrungen als Jugendlicher Mitte der 1960er Jahre. Ich erinnere mich noch gut einer Zeit, da begann die noch junge STERN COMBO MEISSEN jeden Tanzabend im Gesellschaftshaus Hoppenz zu Elsterwerda - Konzerte wurden noch nicht gespielt - mit „For Your Love“ von den Yardbirds. Der Bühnenvorhang war noch geschlossen und während die vier Akkorde - die Kenner und Genießer wissen der Gitarre erklangen, kurbelte jemand den schweren Vorhang zur Seite und die Band begann auf der Bühne zu spielen. Als wäre es erst gestern gewesen, so sehe ich den jungen Martin Schreier auf der Bühne hinter seinem Schlagzeug sitzen und „Hey Joe“ von Jimi Hendrix singen. Damals waren sie auch noch Amateure und vielleicht war sogar „Jockel“ mit dabei, den ich später in den 1970ern bei den PRIMANERn aus Bad Liebenwerda wieder traf. Dort allerdings an der Orgel, statt mit Gitarre. Dann gab es jene Phase, da stand die Band mit kompletter Bläsersektion und auch mit einer Sängerin namens VERONIKA FISCHER auf der Bühne. Beat nannte sich jetzt Rock und die Combo aus Meissen sah sich in der Tradition ihrer damaligen Vorbilder Blood, Sweat & Tears, Chicago sowie Temptations und brachte deren opulente Bläserarrangements auf die Bühne. Der Sound war schwarz sowie vom Funk getränkt. Die Stimme des neuen Sängers, REINHARD FIßLER, versuchte dies nachzuempfinden. In zunehmendem Maße gestaltete die Band nun Konzertprogramme und dies mit eigenen Songs und den Bearbeitungen klassischer Vorlagen. Auf dem Höhepunkt im Jahre 1975 gingen dann sogar mit der STERN COMBO MEISSEN und den KLOSTERBRÜDERn aus Magdeburg zwei Bands als Projekt FUSION auf große Tour durch die kleine DDR und spielten gemeinsam das großartige „Masterpiece“. Bald war dieser Höhepunkt Geschichte und auf der Bühne der STERN COMBO MEISSEN befand sich nach einer weiteren Neuausrichtung nun eine Ansammlung von Tasten- und Percussionsinstrumenten. Von den KLOSTERBRÜDERN war LOTHAR KRAMER geblieben und als zweiter Keyboarder übernahm THOMAS KURZHALS das musikalische Zepter. Mit diesen beiden Ausnahmemusikern wandelte sich die inhaltliche Ausrichtung erneut und man orientierte sich in den 70ern, der Experimentierfreudigkeit von Nice, Ekseption und natürlich Emerson, Lake & Palmers folgend, an einigen klassischen Vorbildern von Mussorgski bis Sibelius. Das ganze nannte sich Art-Rock und wenn die STERN COMBO MEISSEN in den beginnenden 1970ern live spielte, war die „Finlandia“ eines meiner Lieblingsstücke. Inzwischen hatte auch AMIGA endlich mitbekommen, dass diese Band aus dem Sächsischen Meissen den Nerv der Jugend und offensichtlich auch mancher Musikexperten traf. Gottfried Schmiedel, ein freischaffender Musikwissenschaftler aus Dresden, den ich gut kannte, hat sich oft begeistert über die STERNE geäußert und war der festen Überzeugung, dass die „Bilder einer Ausstellung“ in der Art von ELP „eine ernst zu nehmende zeitgenössische Interpretation des Werkes darstellten“. Genau in diesem Kontext sah Schmiedel auch die Meissner Band und ELECTRA aus Dresden sowie deren Bearbeitungen klassischer Vorlagen. Eine solche Weitsicht und fachliche Kompetenz hätte ich schon damals gern so manchem Kulturoberen gegönnt und vielleicht wäre dann die erste Doppel-Live-LP der DDR eine andere geworden. Aber Meissen war schon damals nicht Berlin und ein Herr Büttner kein Wissender. Heute darf man das den Plattenbossen schon wieder wünschen. So etwas wie Zensur gibt es zwar nicht mehr, Einschränkungen und Nichtbeachtung aber sehr wohl. Im Jahre 1975 dann endlich das erste Vinyl, eine Single mit „Hoch war der Berg“. Zwei Jahre später dann die erste Langrille mit einem Live-Mitschnitt aus Nünchritz bei Riesa, der nicht mehr aktuell war, als er in die Läden kam. Mit mehr Mut und offeneren Herzen hätte daraus, lange vor den Puhdys, die erwähnte erste Live-Doppel-LP des DDR-Rock, inklusive der „Finlandia“, werden können. Doch wieder einmal siegten Kleingeist, Dummheit und Ignoranz über künstlerische Innovation. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon mehrfach versucht, die STERN COMBO MEISSEN endlich auch in Elsterwerda auf der Bühne zu haben, wo ich sie schon als Teenager beim Jugendtanz bewundert hatte. In den Jahren danach musste ich nach Ruhland in das „Zollhaus“ oder nach Riesa in den „Stern“ fahren, um sie live und im quadrophonen Raumklang erleben zu können. Nachdem die STERN COMBO MEISSEN einen Termin bei uns 1978 wegen einer Auslandsverpflichtung abgesagt hatte - als „Ersatz“ gaben REFORM ein Konzert - war es am 16. Mai 1979 endlich soweit. Die Band hatte ihr gewaltiges Equipment auf der großen Bühne des Kulturhauses in Plessa aufgebaut und die Musiker plauderten mit uns in der Garderobe. Der Saal war restlos ausverkauft, wir hatten wohl um die 450 Platzkarten unter die Leute gebracht. Heute würde man dort wahrscheinlich die doppelte Anzahl Besucher in den Saal lassen, wenn das alte Haus noch einen Betreiber hätte. Doch das ist schon wieder ein ganz anderes Thema. Als Martin Schreier seinen Platz am Mischpult eingenommen hatte, am Schlagzeug saß seit geraumer Zeit MICHAEL BEHM, von der NEUEN GENERATION kommend, konnte endlich unsere „Sinfonie der Sterne“ beginnen. Den großen Raum erfüllten allmählich geheimnisvolle, ja düstere Geräusche und zu Orgel-Stakkato und Sythesizer-Figuren meinte man die Hexen von Kiew durch den Saal schweben zu sehen. „Die Nacht auf dem Kahlen Berge“ nach Mussorgski verarbeitet die alte Sage, nach der es drei zu Hexen verwandelte Schöne nachts zum Kahlen Berg zieht, von einem uralten Zauber angezogen, um dort den Leibhaftigen zu treffen. Erst mit den morgendlichen Glockentönen der Kirche im nahen Tal verschwindet der Spuk. Dieses Stück ist ein beinahe ausuferndes Klangemälde, das Stimmungen der alten Sage wunderbar umsetzt, düster, wild und unheimlich. Nach den hellen Glockentönen aus NORBERT JÄGER’s „Röhren- und Glocken Laden“ ertönt dann REINHARD FIßLER’s klare Stimme, „Steig empor, neuer Tag“ singend. Solche Momente vergisst man wohl nie im Leben. Von Beginn an hatte die STERN COMBO ihr Publikum in ihren Bann gezogen. Durch die Umsetzung der klassischen Vorlagen durch eine Rockband bekamen die Werke eine zusätzliche, moderne und wuchtigere Dimension. Der Sound der Band wird in den ausgehenden 70ern von den Tasten und einer fulminanten Rhythmus-Gruppe bestimmt. Am Schlagzeug wechseln sich der Bandgründer MARTIN SCHREIER und der dynamische MICHAEL BEHM, der auch Gesangsparts übernahm, ab. Ergänzt durch NORBERT JÄGER an einem breit gefächerten Percussions-Arsenal sowie wahlweise auch als dritter Keyboarder plus BERND FIEDLER, den langjährigen Bassisten, geben sie den STERNEN ein sicheres und kraftvolles Rhythmusfundament. Die beiden Zauberer an den unterschiedlichen Keyboards sind LOTHAR KRAMER und THOMAS KURZHALS, der mit seinen kompositorischen Fähigkeiten zunehmend das Profil der Band prägte. Mit seiner markanten Stimme, die auch die schwierigsten Gesangsparts spielerisch meisterte, rundet der Sänger REINHARD FIßLER das Klangbild der sechsköpfigen Band ab, gibt ihr Seele und lyrischen Ausdruck sowie im Scheinwerferkegel ein Gesicht. Eine der markanten Schöpfungen vor allem des Komponisten THOMAS KURZHALS war neben dem „Weissen Gold“ das Opus „Reise zum Mittelpunkt des Menschen“, das schon in großen Teilen live gespielt wurde, obgleich die Platte erst im darauf folgenden Jahr erscheinen sollte. Das Werk besaß all das, was man damals von so einem komplexen opulenten Kunstwerk erwarten durfte. Da erklangen ausgefeilte Instrumentalpassagen, bei denen sich vor allem die Tastenvirtuosen beweisen konnten, sowie besinnliche und liedhafte Teile, um den Worten sowie ihren Inhalten Raum und Zeit zu geben. Damit stand dieses Konzeptwerk durchaus auf Augenhöhe mit jenen Konzeptalben, die sich damals auch international miteinander maßen. Mir ist noch heute die Wucht genau dieses Stückes bestens in Erinnerung, mal davon abgesehen, dass uns der Inhalt auch noch heute viel zu sagen hat, wenn man genau auf den Text achtet, denn…..“was bleibt sind wir“. Wie wahr! Danach wurde es wieder klassisch, denn das Duo KRAMER & KURZHALS demonstriert mit spielerischer und perfekter Leichtigkeit, wie man mit einem elektronischen Instrumentarium das pulsierende Leben in der Natur musikalisch hör- und nacherlebbar machen kann. Die neue Bearbeitung von Vivaldi’s „Der Frühling“ aus den „Vier Jahreszeiten“ ist eines der Glanzstücke und konnte sich ohne weiteres, ebenso wie die „Reise zu Mittelpunkt des Menschen“, internationalen Maßstäben des Genres stellen, wenn dies denn möglich gewesen wäre. Die beiden übersetzen den aufkommenden Frühling, das Erwachen, Keimen und Blühen von Flora und Fauna gekonnt in die Sprache elektronischer Sounds und Samples. Wie sehr die STERN COMBO schon immer historischen Themen zugewandt war, zeigt „Die Sage“, ein vertontes historisches Geschehnis aus uralten Zeiten, das als musikalisches Gleichnis aus dem Gestern in die Gegenwart gespiegelt wird, um den „Mächtigen“ dieser Welt die Worte und die Wünsche der einfachen Menschen ins Stammbuch zu schreiben. Zu DDR-Zeiten erdacht und formuliert, ist es im gemeinsamen deutschen Lande gültiger und aktueller denn je zuvor und hat, gleich in welcher der vielen Besetzungen es gespielt wurde, nie seine Aktualität eingebußt. Ich mag diese wunderschöne Melodie, die sich langsam auf einem Synthesizer-Riff zu einem fulminanten Höhepunkt empor schwingt. Das Stück hat etwas Majestätisches und zugleich auch Aufrüttelndes in sich. Ein Song, der bis heute zu meinen „Stern-Talern“ zählt. Damals wurde er von MICHAEL BEHM (auf der Platte von Werther Lohse) gesungen. Auch Reinhard Fißler ist als zweiter Stimme in das Stück integriert. Wer STERN sagt, meint auch den „Kampf um den Südpol“. Beide sind wohl untrennbar miteinander verbunden, seit es gelang, die tragische Geschichte von Amundsen und Scott und deren Wettlauf bis zum Südpol in Töne zu kleiden und darunter den schwarzen Temptations-Groove zu legen. Es ist die Frage nach dem Wissensdurst der Menschen, nach dem WARUM, dem Antrieb und dem, was „nach dem Tode bleibt“. Für mich außerdem der Song, mit seinem nach vorn drängenden Rhythmus- und Chorusgeflecht, der auch das musikalische Credo der Band seit Jahrzehnten formuliert. Man kann förmlich nachvollziehen, wie spannend aber auch opferreich diese Expedition gewesen sein muss. Der quadrophone Live-Sound der STERN COMBO MEISSEN machte daraus ein äußerst effektvolles sowie beeindruckendes Live-Erlebnis. Für viele ist dies schon immer der Höhepunkt eines Sternen-Konzertes und meist auch sein fulminanter Abschluss. Zurückblickend muss ich gestehen, dass dieses Konzert Ende der 1970er für mich einmalig bleibt. Die Band um MARTIN SCHREIER befand sich wieder einmal im Zenit ihres Schaffens und die Umsetzung der Musik als Klang-Sinfonie aus vier Kanälen ringsum im Raum war hierzulande einzigartig. Mit dem Duo KURZHALS & KRAMER agierten zwei gereifte Keyboarder auf der Bühne, die ihrer Zeit weit voraus musizierten und die unverkennbare Stimme von REINHARD FIßLER gab den jeweiligen Song-Inhalten einfühlsam einen besonderen und nachhaltigen Ausdruck. Damals stand er noch vor dem Mikrofon und plauderte mit uns in der Garderobe. Wir alle waren noch irgendwie jugendlich unbeschwert und der Blick in die heutige Zukunft war nicht das, was uns hätte beschäftigen können. Um so tiefer ziehe ich heute den Hut vor einem Mann, der offensichtlich vieles durchlebt, durchlitten aber auch gelernt hat, einer der uns zeigt, was Haltung und Rückrad bedeutet, auch wenn er heute auf selbigen liegend uns mit seinem Kampfgeist ein großes Vorbild ist. Nachtrag 2014: Dieser Abend war auch jenes Ereignis, von dem an ich in THOMAS KURZHALS eher den Komponisten, als den Keyboarder sah. Einen Künstler, der diese Werke erst erdenken und erschaffen muss, ehe eine Band wie die STERN COMBO MEISSEN sie dem Publikum live präsentieren konnte. Ich liebe die in sich geschlossenen großartigen Konzeptwerke aus seiner Feder aber auch seine eingängigen Lieder, die er schrieb. Wie viele andere empfand ich es als ein besonderes Glück, ihn nach vielen Jahren wieder mit seiner STERN COMBO MEISSEN und mit seiner Hammond-Orgel auf der Bühne zu erleben, um jenen einmaligen Sound wieder lebendig werden zu lassen, den meine Generation mit dem Namen STERN COMBO MEISSEN verbindet. In den vergangenen Jahren dieser einzigartigen Band noch einmal so nahe kommen zu dürfen, über Konzerte zu schreiben und Höhepunkte mitzuerleben, das war für mich noch einmal das besondere „Salz in der Suppe“, von dem man als Musikliebhaber und Fan lange noch zehren kann. Das gemeinsame Konzert mit den KLOSTERBRÜDERN zum 45. Bandjubiläum in Meissen an der Elbe zählt dazu und auch jenes im Berliner Stage-Theater, als die DVD aufgezeichnet wurde. Besondere Emotionen verbinde ich mit der Veranstaltung zur Verleihung des Kunstpreises der Stadt Meissen sowie mit dem emotionalen Abend im Amphitheater nahe dem Senftenberger See, als die dort Anwesenden zum letzten Mal den „Kurzen“ an den Tasten erlebten, ohne zu wissen, dass es sein letztes Mal sein würde. Es schmerzt mich immer wieder ganz besonders, einen von jenen Schlage Musikern nicht mehr hier zu wissen, die das eigene musikalische Wissen und Erleben nachhaltig geprägt haben. Genau deshalb wird THOMAS KURZHALS immer einen Platz in meinen Erinnerungen haben. zum Vergrößern bitte anklicken Ich bin einer derjenigen, die sich freuen, dass eine Band wie die STERN COMBO MEISSEN immer ein Teil ihres Lebens war. Sie hat mich, so wie RENFT, CÄSAR, LIFT oder auch KERTH und andere, über viele Jahre meines Lebens begleitet und ich durfte all die Stationen von nunmehr 50 (!) Jahren STERN COMBO MEISSEN hautnah, und sehr oft auch live, miterleben. Bei einem Blick in die Vergangenheit merkt man plötzlich, wie vieles da parallel gelaufen ist und wie unheimlich oft auch deckungsgleich. Es macht mich glücklich zu erleben, dass die Keyboards wieder den Sound prägen und die Umstände einem jungen dynamischen Musiker wie MANUEL SCHMID das Mikrofon in die Hand gedrückt haben. Ich hoffe darauf, dass diese einzigartige Band durch ihn die reale Chance hat, die „Rockerrente“ locker zu umschiffen und das ostdeutsche Flaggschiff des Art-Rock in eine erfolgreiche Zukunft segeln kann, natürlich auch, um wieder das „Weiße Gold“ und andere klassische Perlen des Art-Rock erklingen zu lassen. Den Männern um MARTIN SCHREIER und ihren Manager DETLEF SEIDEL wünsche ich endlich die mediale Aufmerksamkeit, von der die gesamtdeutschen Medien noch ziemlich weit entfernt sind. Mit dem jungen Frontmann MANUEL SCHMID hat die STERN COMBO MEISSEN genug Charisma und Lebendigkeit aufgetankt, um ihren unverwechselbaren Sound, die Faszination und die Vielschichtigkeit ihres Schaffens, auch in Zukunft live präsentieren zu können. Von mir aus gern weitere 50 Jahre, auch wenn dann andere darüber berichten werden. Autogrammkarte von 1979