Steinlandpiraten singen Gundermann in Quedlinburg
25.07.2020
„Wir
hatten
nichts
zu
sagen,
manchmal
viel
zu
klagen
und
hatten
kein
anderes
Zuhaus.
Es
war
mein
Land,
vielleicht
auch
dein
Land
und
in
diesem
Steinland
war
ich
zu
Haus.“
So
in
etwa
müsste
ich
von
mir
sprechen,
wenn
ich
die
deutschen
Zeilen
vom
„Steinland“
adaptieren
würde.
Es
war
so
etwas
wie
das
Lebensgefühl
einer
ganzen
Generation,
geboren
in
der
DDR
um
das
Jahr
’49,
die
letztlich
doch
als
Verlierer
über
den
Zielstrich
der
Wende
lief,
deren
Leben
auf
diese
Weise
mittendrin
zerrissen
wurde.
Das
mögen
andere
vielleicht
anders
empfinden,
ich
jedoch
trage
dieses
Gefühl
seit
drei
Jahrzehnten
mit
mir
herum
und
Gundermann
hat
daraus
diese
trotzig
liebevollen
Lieder
gemacht.
Gleich
nebenan
in
der
Lausitz,
deren
Ruß
ich
morgens
„Am
Fenster“
riechen
und
abwischen
konnte.
Das
ist
der
Grund,
weshalb mich viele Melodien und deren typisch liebevoll-raue Lyrik bis in diese Tage verfolgen.
Steinlandpiraten,
das
passt
als
Begriff
gut
zum
Gedankenkosmos
eines
Gundermann
und
klingt
ebenso
unkonventionell,
wie
der
von
der
Randgruppencombo.
Kein
Wunder
also,
dass
ich
aufmerksam
wurde.
Doch
während
meines
Lausitzlebens
schaffe
ich
es
nicht
bis
vor
deren
Bühne,
ich
musste
erst
Lausitz
und
EE
verlassen,
um
eine
Chance
zu
finden.
Als
Rentner
und
nunmehr
im
romantischen
Harz
lebend,
ist
es
mir
vergönnt.
Ich
folge
dem
Ruf
der
Steinlandpiraten
in
den
Wipertihof
von
Quedlinburg,
keine
Viertelstunde
mit
dem
Auto
von
meiner
Haustür
in
Halberstadt entfernt.
Der
ist
schon
gut
gefüllt,
ein
Platz
für
mich
auch
bald
gefunden.
Den
Dokumentarfilm
vom
„Ende
der
Eisenzeit“
(1999)
schenke
ich
mir
diesmal.
Corona
sei
noch
nicht
vorbei,
vermute
ich,
und
Bock
auf
so
viel
Nähe
spüre
ich
auch
nicht.
Die
Zeit
bis
zum
eigentlichen
Konzertbeginn
widme
ich
einem
Hofkater,
ich
finde
Gesprächspartnern
und
nehme
an
einer
Fotosession
für
gealterte
Gundermann-Fans
teil.
Ich
bestaune
die
ebenfalls
angereisten
Regenschirme
mit
Liedtexten
und
Autogrammen,
die
das
Podium
zieren.
Mein
Gundermann-Poster
mit
vielen
anderen
Autogrammen
habe
ich
vergessen
mitzubringen.
Als
endlich
die
blaue
Stunde
aufzieht,
scheint
die
Zeit
der
STEINLANDPIRATEN
gekommen.
Da
ist
es
zwei
Stunden
nach
geplantem
Konzertbeginn
und
schon
ziemlich
frisch
geworden.
Von
jetzt
an
kann
das
Duo
der
Piraten aus dem Steinland auf die Härte der Ossis bauen.
Das
„Traurigen
Lied
(vom
sonst
immer
lachenden
Flugzeug)“
prallt
als
erstes
an
die
Mauer
gegenüber,
wo
die
Rosen
erblühen.
Die
Piraten
PATRICIA
„Patti“
HEIDRICH
und
KARSTEN
SCHÜTZLER
entern
das
Podest
vor
dem
Haus
und
versuchen,
die
Herzen
der
Filmbesucher
mit
dem
alten
Spiel
von
„Adam
und
Eva“
zu
erwärmen.
Es
dauert,
„Kein
Land
in
Sicht“
und
erst
als
Patti
von
ihrer
Art,
jeden
Tag
mit
ihren
Merkzetteln
zu
verplanen,
erzählt
und
einen
Bogen
zu
„Wolltest
du
nicht
noch“
spannt,
spüre
ich
das
Wippen
meiner
Füße.
Richtig
warm
allerdings
wird
mir
bei
einer
fast
ebenso
alten
Melodie,
die
mich
in
die
Tage
meiner
Aufmüpfigkeit
führt,
als
Crosby,
Stills,
Nash
&
Young
die
Hymne
„Helpless“
über
den
Planeten,
aus
einem
„Deja
Vu“,
schickten.
Da
war
ich
gerade
zwanzig,
steckte
voller
Ideale.
Es
waren
die
gleichen,
denen
Gundi
später
auch
folgen
sollte.
Als
da
vorne
die
Adaption
der
Brigade
Feuerstein
als
„Weinen,
weinen,
weinen“
gesungen
wird,
ahnen
die
nichts
von
meinen
Gedankengängen
und
wie
sie
damit
einen
Rockrentner auf eine Zeitreise schicken. Erst recht, als sie „Und musst du weinen“ folgen lassen.
Es
ist
dunkel
geworden.
Irgendwo
über
mir
rollt
der
Große
Wagen
über
den
Kometen,
der
sich
gerade
wieder
auf
die
Reise
ins
Interstellare
begibt.
Die
STEINLANDPIRATEN
singen
vom
„Niemandsland
(am
Ende
der
Welt)“,
wo
man
das,
was
man
nicht
mehr
essen,
vielleicht
noch
rauchen
kann.
Gibt
es
noch
jemanden,
der
sich
gern
an
Karo,
Turf
und
Casino,
in
der
rot-weißen
Packung,
erinnert?
Und
während
mir
dieser
Rhythmus,
einem
Reaggae
ähnlich,
locker
in
den
Beinen
zuckt,
erkennt
mein
Kopf
wieder
einmal,
dass
es
gar
nicht
darauf
ankommt,
dass
diese
Lieder
massenhaft
gesungen
werden,
sondern
dass
sie
massenhaft
verstanden
und
die
Gedanken
dahinter
geteilt
werden.
Jene
vom
„Feuerwasser“
zum
Beispiel.
Schön,
dieses
eher
unbekannte
„Sauflied“
von
Gundermann
zu
hören
und
auch
das
von
den
„Paradiesvögeln“,
denen
nur
ein
Stück
vom
Himmel
zu
klein
ist,
die
einem
flüstern,
dass
man
„all
seine
Freunde
vergessen
kann,
wenn
die
Winde
sich
drehn“,
oder
nur
der
Wohnort
gewechselt
wird,
füge
ich
gedanklich
hinzu.
Toller
Text von Gundermann für Tamara und so schmerzhaft wahr!
Es
sind
an
diesem
Abend
nicht
so
sehr
die
„Hits“,
sondern
eher
die
Gedanken,
versteckt
in
der
Lyrik,
die
mich
berühren.
Wenn
man
lange
schon
lebt
und
vieles
erlebt
hat,
beginnt
man
zu
bewerten
und
zu
erkennen.
Mir
geht’s
schon
länger
so
und
nicht
jede
Erkenntnis
macht
glücklich,
bemerke
ich,
als
die
STEINLANDPIRATEN
„Gerade
geboren“
singen.
Ein
Lied,
das
ich
nicht
kannte,
ein
Lied,
das
nie
auf
einem
Tonträger
erschien,
sondern
einem
Kassettenrekorder
abgelauscht
wurde.
Die
Zustimmung,
es
singen
zu
dürfen,
kam
von
Conny
und
Linda.
Es
wird
leise
im
weiten
Rund
zwischen
den
alten
Mauern
mit
Rosen
davor
und
farbigen
Lichteffekten,
als
sie
mit
Gundi’s
Worten
singen:
„Noch
nie
was
gesehen,
aber
alles
schon
durchschaut“.
Die
Gänsehaut
unterm
Nachthimmel
trifft
mich
unvorbereitet.
Warum
muss man, angesichts solcher Worte, so viel Soße um Naidoo & Co. machen, frage ich mich rhetorisch?
Eine
Stunde
vor
Mitternacht
kommen
die
Piraten
mit
der
„Schwarzen
Galeere“
um
die
Ecke.
Sie
singen
vom
„Ruhetag“
und
dem
„Fliegenden
Fisch“
sowie
dem
„Scheißspiel“.
Alles
Nummern,
die
sich
in
den
großen
Hallen
zum
Mitsingen
eignen,
aber
hier
ein
wenig
in
den
Sicherheitsabständen
versickern.
Dies
ist
nun
schon
der
zweite
Abend,
an
dem
ich
mich
ohne
Bedenken
live
gespielter
Musik
hingeben
kann.
Im
Zugabenteil
präsentiert
das
Duo
Heidrich
&
Schützler
ihre
Version
des
Klassikers
„Whisky
in
The
Jar“
als
„Ich
komm’
schon
selber
klar“
und
aus
dem
Musical
„Linie
1“
(der
Berliner
U-Bahn)
„Marie’s
Lied“
und
den
„Junimond“
von
Rio
Reiser.
Dann
ist
Schluss,
Ende,
aus
oder
doch
noch
nicht?
Jemand
hat
im
Schutze
der
Dunkelheit
„Zugabe!“
gerufen
und
dann
passiert
etwas,
das
wahrscheinlich
nur
im
Osten
des
Landes,
und
nur
von
wenigen,
verstanden
wird.
Ich
denke
an
jene
Zeiten,
da
man
mit
einer
Gitarre
und
Freunden
versuchte,
auch
ein
wenig
Hootenany-Stimmung
einzufangen.
Auch
wir
sangen
damals
diese
Melodie
von
der
„цыганскa
молодоaя“,
der
jungen
Zigeunerin,
in
einer
Singegruppe.
So
ein
schöner,
stimmungsvoller
und
etwas
anderer Ausklang! Dafür ein besonderes Dankeschön.
Dies
war
ein
Abend
mit
ganz
vielen
Stimmungen
und
Emotionen,
obgleich
ein
Teil
davon
gleich
wieder
in
den
großen
Abständen
versickerte.
Ich
vermisse
die
intime
Klub-Atmosphäre
oder
die
schwüle
Enge
der
Konzerthallen,
wo
man
Schulter
and
Schulter
im
Chor
singt
und
die
Woge
der
anderen
hinter
sich
spürt.
Es
wird
mich
also
weiter
raus
treiben,
weiß
ich.
Raus
auf
die
Suche
nach
einem
Hauch
Luft,
der
irgendwie
nach
Steinland
riechen
könnte,
nach
Sand,
der
spürbar
im
Getriebe
knirscht
und
nach
einer
erkennbaren
Botschaft,
die
das
Leben
zu
meistern
hilft,
nach
einem
Kompass im Niemandsland.