Stefan Diestelmann’s Kleinstadt-Blues
26.06.1982 / 08.09.2018
Da,
wo
heute
hinter
der
postmodernen
Sparkassenfiliale
in
der
Kleinstadt
Elsterwerda
ein
großer
Platz
mit
betoniertem
Untergrund
Kunden-
und
Firmenautos
sortiert,
dort,
wo
sich
Apotheke,
Buchhandlung
sowie
diverse
auswechselbare
Shops
aneinanderreihen,
wo
es
im
Blumenladen
duftet,
ein
Vietnamese
und
ein
Inder
ihre
wohlschmeckende
Gerichte
feilbieten
und
außerdem
eine
zu
kleine
Post-Filiale
mit
Paketformaten
hantiert,
also
unter
all
diesen
Betonplatten
und
Nachwendegesteinsmonumenten,
dort
befand
sich
vor
dem
Umbruchjahr
1989
einfach
nur
so
eine
riesige
Gras-
und
Sandfläche
mitten
in
der
Kleinstadt.
An
der
Ecke
von
Post
und
Elsterstraße
steht
heute
noch
ein
großes
rotes
Klinkergebäude,
in
dem
bis
zu
eben
diesem
Umbruchjahr
die
örtliche
Zentrale
der
Deutschen
Post
residierte.
Das
weite
Areal,
dessen
Aussehen
so
stark
verändert
wurde,
war
demzufolge
auch
der
Postplatz.
Hier
trafen
wir
uns,
wenn
der
Zirkus
in
der
kleinen
Stadt
gastierte,
wenn
Kettenkarussell,
Schießbuden
plus
Riesenrad
mit
Musik
lockten
oder
manchmal
auch,
wenn
jemand
einfach
nur
Lust
hatte,
mit
einem
Fußball
in
der
Gegend
rumzubolzen
oder
mit
seinen
Kindern, einen Herbstdrachen in die Lüfte zu schicken. Gelebter Alltag eben – damals in der tristen DDR.
Dort
sah
es
also
genau
so
aus,
wie
es
heute
noch
in
ungezählten
Kleinstädten
in
den
Weiten
der
USA
aussieht
–
trostlos.
Doch
in
der
DDR
gab
es
eine
führende
Partei
und
in
ihr
manchmal
jemanden,
der
diese
Führung
wörtlich
nahm.
So
ein
übereifriger
Bürgermeister,
der
die
Künste
und
Künstler
fördern
und
sich
selbst
profilieren
wollte,
hatte
schon
Ende
der
1970er
dafür
gesorgt,
dass
an
der
Stirnseite
vom
Postplatz,
wo
die
Weststraße
bis
zum
Bahnhof
führt,
eine
Betonfläche
mit
gemauerter
Rückwand
plus
einem
„künstlerischem
Putz“
für
die
kleine
Ewigkeit
bis
1989,
hingestellt
wurde.
Beton
statt
Knete
hätte
das
Credo
jener
Tage
sein
können,
denn
diese
Betonbühne
war
leider
kein
Einzelfall. Auch das war ein Stück Alltag – damals in einer Kleinstadt der DDR.
Dieses
Betonpodium
wollten
wir,
eine
bunte
Truppe
von
Jugendlichen
und
halbstarken
Enthusiasten,
nutzen,
um
den
Postplatz
mit
der
Bluesmusik
von
Stefan
Diestelmann
zu
beschallen
und
die
Kunden
aus
nah
und
fern
zu
beglücken.
Der
Blues
erlebte
damals
in
der
DDR
ein
stilles
und
geduldetes
Revival
und
Diestelmann
hatte
es
verstanden,
sich
dabei
gekonnt
in
Szene
zu
setzen.
Fans
und
Kunden
hatten
ein
Idol
und
sie
liebten
ihn.
Wir,
die
wir
uns
Jugendclub
nannten,
wollten
das
für
unsere
Leidenschaft
Musik
nutzen
und
so
begannen
wir,
ein
Blues-Konzert
mitten
in
der
Stadt
vorzubereiten. So waren wir eben - damals in der kleinen grauen DDR.
Es
geschah
am
26.
Juni
1982
in
einer
Kleinstadt
der
DDR.
Das
Wetter
war
für
unser
Vorhaben
bestens
geeignet.
Warum
wir
problemlos
eine
Veranstaltungsmeldung
beim
Volkspolizeikreisamt
bekamen,
ist
eines
jener
Mysterien,
die
ich
mir
bis
heute
nicht
erklären
kann.
Wir
mussten
auch
den
Postplatz
nicht
einmal
absperren
und
auch
keine
FDJ-
Ordnergruppe
nachweisen.
Für
Sicherheit
und
Ordnung
sorgten
wir
selbst.
Ein
Klavier
stand
ebenfalls
und
bestens
gestimmt
auf
dem
Bühnenbeton,
als
der
Bluesmann
Diestelmann,
in
Begleitung
von
Alexander
Blume,
auf
den
schmutzigen
Rasen
eintraf.
Auch
die
ersten
Blues-Fans,
in
der
DDR
Kunden
genannt,
hatten
sich
schon
eingefunden
und
sich
in
Tramper-Manier
auf
dem
Rasen
eingerichtet.
Getränkeflaschen
inklusive,
so
wie
es
üblich
war
–
damals
in
der DDR.
Was
dann
folgte,
wurde
ein
fröhlicher
Blues-Nachmittag
inmitten
eines
kleinen
Provinzstädtchens
am
Rande
des
damaligen
Bezirkes
Cottbus.
Diestelmann
spielte
sich
durch
das
Repertoire
seiner
beiden
Amiga-Langspielplatten
und
zelebrierte
den
einen
oder
anderen
Blues
von
der
„Reichsbahn“
oder
der
„Guten
Erziehung“
schon
mal
mit
ziemlich
süffisanten
Zwischentönen.
Die
Fans
klebten
beim
„Alten
und
der
Kneipe“
an
seinen
Lippen
oder
tanzten
auch
schon
mal
bei
„Caldonia“
barfuss
im
Staub
und
Gras
der
Postwiese,
während
Alexander
Blume
den
wilden
Boogie
Woogie
in
seine Tasten hämmerte. Auch so konnte das Jugendleben sein – damals in dieser grauen DDR.
Das
alles,
die
alten
Häuser
im
Hintergrund
und
der
stampfende
Blues
auf
einer
Betonplattform,
hatte
etwas
Besonderes
und,
wie
ich
heute
weiß,
auch
etwas
Einmaliges.
Das
waren
zwar
nicht
die
weiten
Baumwollfelder
im
Süden
der
USA
und
auch
keine
der
trostlosen
Ecken
am
Rande
der
Route
66,
aber
so
dreckig,
staubig
und
kurios
war
der
Postplatz
in
jenen
Tagen
allemal.
Der
langhaarige
Bluesmann
und
Sänger
mit
seiner
Gitarre
auf
diesem
Beton
und
der
Mann
am
Klavier
daneben,
das
hatte
etwas
Unwirkliches
und
beinahe
schon
Surreales.
Für
den
Hauch
einer
reichlichen
Stunde
hielt
der
Fortschritt
des
Sozialismus
in
Elsterwerda
inne,
um
sich
eine
musikalische
Verschnaufpause
zu
gönnen.
Blues
statt Planerfüllung. Das kam schon mal vor - damals im Kundenland DDR.
Das
Konzert
verlief
in
guter
Stimmung,
aber
auch
ganz
stinknormal.
Mein
Freund
Ralf
meinte
damals,
dass
er
nicht
verstehen
könne,
warum
„diese
Idioten“
nicht
einfach
vor
zur
Bühne
gehen
und
dort
ihre
Begeisterung
zeigen.
Das
Konzert
verlief
„erschreckend
gesittet“
ab.
Als
Diestelmann
und
Blume
sich
vom
Publikum
verabschiedeten,
war
auf
dem
Postplatz
auch
ziemlich
schnell
wieder
Stille.
Nur
einige
leere
Bier-
und
Schnapsflaschen
blieben
zurück
–
beinahe
so wie heute.
Meine
eigentlichen
Erinnerungen
gelten
den
unvergesslichen
Stunden
danach.
Wir
sind
anschließend
mit
beiden
Musikern
zu
unserem
Klub
„DIE
STUBE“
gefahren.
Das
war
ein
von
uns
umgebauter
alter
HO-Laden,
in
dem
wir
regelmäßig
kleine
Veranstaltungen
durchführten
konnten.
Dort
trafen
wir
uns
alle
wieder,
um
zu
quatschen
und
zu
trinken.
Später
hat
sich
dann
Stefan
Diestelmann
meine
Klampfe
aufs
Knie
gelegt,
seine
war
mit
der
Technik
im
Auto
verstaut,
und
Alexander
Blume
nahm
den
Platz
am
Klavier
ein.
Bis
spät
in
die
Nacht,
oder
war
es
schon
morgens,
wurde
viel
gesungen,
viel
geredet,
diskutiert
und
endlos
lange
Blues
&
Boogie
Woogie
gespielt
und
gehört.
Diestelmann
hat
mir
ein
Foto,
das
ihn
zusammen
mit
Alexis
Korner
in
Prag
zeigt,
für
meinen
schottischen
Freund
David
signiert.
Wir
waren
eine
gemütliche
Blues-Runde
und
konnten
damals
auch
Alexander
Blume
„überreden“,
im
Klub
ein
Solo-Konzert
am
Piano
zu
geben.
An
diesem
Abend
im
Juni
1982
sah
ich
Stefan
Diestelmann
zum
letzten
Mal,
aber
davon
ahnte
ich
nichts.
Alexander
Blume
spielte
am
07.
Oktober
1988
ein
Konzert
in
der
„STUBE“,
wie
die
Signatur
auf
meinem
Plattencover
beweist.
Ihn
traf
ich
im
April
2011
bei
einem
Konzert
im
Dixiebahnhof
Weixdorf
wieder,
wo
er
mir
die
seltene
LP
der
Intercity
Blues
Band
schenkte.
Natürlich
haben
wir
uns
auch
über
Stefan
Diestelmann
ausgetauscht.
Der
entschwand,
von
der
Fan-
und
Fachwelt
nahezu
unbemerkt
und
einsam
im
Westen
des
verwendeten
Landes,
schon
am
27.
März
2007
in
den
Blueser-Himmel.
Was
bleibt,
sind
die
Erinnerungen
an
einen
Vollblutmusikanten,
an
einen
kauzigen Typen und dessen einmalige Musik, die das Leben in der engen DDR auf besondere Weise spiegelte.
In
unserem
Klub
„DIE
STUBE“,
wo
auch
Hans
„Die
Geige“
Wintoch,
Gerhard
Gundermann,
die
junge
Gruppe
Keimzeit,
Gerhard
Schöne,
Reinhold
Andert,
Peter
„Mampe“
Ludewig
und
viele
andere
mit
uns
gefeiert
hatten
und
Erinnerungen
mitnahmen,
dort
klang
das
Blues-Happening
1982
im
kleinen
Kreise
mit
Freunden
zu
früher
Stunde
aus.
In
unserer
„STUBE“
von
Elsterwerda,
gegenüber
meiner
Wohnung
in
der
Breitscheidstraße,
habe
ich
viele
schöne
Momente
meines
Lebens,
gemeinsam
mit
vielen
guten
Freunden,
erleben
dürfen
–
damals
und
in
der
DDR
–
und
niemand
wird
uns
die
Erinnerungen
streitig
machen
oder
schlechtreden
können.
Manchmal,
wenn
ich
Ralf,
Muffe,
Witto,
Manuela,
Hannes,
Rossi,
Steffen
oder
„Mäuschen“
in
Elsterwerda
treffe,
halten
wir
kurz
inne
und
schwelgen
für
einen
Moment
in
unseren
Erinnerungen.
Dann
ist
wie
immer
ein
kleines
Lächeln
in
die
Gesichter
gemalt
–
auch
heute
noch,
lange
nach
dem
Ende
der DDR, in der ich viele Erlebnisse wie dieses hatte.