Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Speiche’s Monokel in Torgau – „In Blues we trust.” 02.11.2012 Zwischen vielen anderen Scheiben ist bei mir im Regal eine versteckt, die hat so ein schmutzig gelbes Cover mit ein paar, auf Comic gemachten, Fotos darauf und oben rechts am Rand des Plattencovers steht geschrieben: Fünf nette, junge Herren, die 1a KRAFT – BLUES machen! Erschienen 1986 und hinter der Jahreszahl steht ein großes „A“ für die Berlin-Ausgabe.Ich hab’ sie trotzdem und auch immer mal wieder gern aufgelegt, um mich an Musik zu erinnern, die ich zuvor im (Beat)Schuppen von Zobersdorf in völlig verqualmter Luft live erlebt hatte MONOKEL. Die waren damals schon Kult und die Texte nah am wirklichen Leben, so wie wir es kannten. Inzwischen sind die Jahre ins Land gegangen, viele Jahre und das Land auch. Nur so ein paar schräge und irgendwie unverbesserliche Typen sind immer noch hier. Einigen von ihnen fällt das Haar noch immer über die Schulter und manchmal das Leben, so wie es heute ist, noch immer vor ihre Füße. Sie bleiben, zumindest innerlich, unangepasst und dem Geschehen gegenüber mürrisch. Nur wenn sie unter ihresgleichen sind, dann haben sie Lust, bei einem Bierchen mit Freunden den ollen Kamellen zu lauschen und, obwohl heute alles besser ist, sich stolz der alten Zeiten zu erinnern. So ist das nämlich mit dem Blues, den man hat, und den vergangenen Tagen, die man hatte. Beide gehören nun mal zu uns, wie die Karo, der Pfeffi, die Jeans und noch so ein paar knackige Utensilien von (vor)gestern. Mich persönlich interessieren die Querelen nicht mehr. Besondere Musik hat für mich aber immer noch eine Verbindung zu besonderen Ikonen, mit denen sich die alten Tage verbinden lassen. So ein Typ ist JÖRG SCHÜTZE, den alle „Speiche“ rufen. Wahrscheinlich, weil er schlank und rank wie ein Stahlteil, trotz hoher Drehzahlen immer scheinbar stur und gelassen, die ganze Welt von seiner Bassgitarre aus betrachtet, während vorn an der Rampe der Boogie tobt. Sein Blues tourt noch immer durch diese Lande und Mr. Speiche hat auch immer noch 1a-Musiker um sich versammelt, um seinen Blues zu spielen. An einem sonnigen Sommerabend auf der Hutbergbühne von Kamenz war es, da spielten sie den Blues, ehe Status Quo einen auf Boogie machten. Nach jenem Abend wusste ich, von denen will ich endlich wieder mal das volle Programm hören. Es hat nur bis zum Herbst gedauert und der Weg zur Kulturbastion in Torgau ist auch kürzer. Mr. Speiche’s MONOKEL BLUES BAND betritt die kleine Bühne gleich neben der Bar. In Jeans, Jacke, schwarzen Hemd und einem rot-weißen Binder darüber werden wir von BERND „Zuppe“ BUCHHOLZ begrüßt und dann erzählt er uns singend von seinem, unserem „Kindertraum“. Vom Fliegen in die weite Welt und von den Träumen, die uns noch immer keiner nehmen kann. Es kracht gehörig und der Blues der beiden „Strom-Gitarristen“, CARSTEN GROßE, (Metropol, Blank) direkt vor mir und J.J. BAILEY, der ex-Texaner, auf der anderen Seite, fährt mir wohltuend in die Knochen. Die beiden lassen von Beginn an keinen Zweifel daran, wer hier, außer „Zuppe“ am Mikrofon, den Ton angeben wird. Die beiden scheinen wie Topf und Deckel zueinander zu passen, obwohl Carsten sich bescheiden und völlig unnötig als „Aushilfe“ outet. Es gibt einen fließenden Übergang zur Monokel-Hymne „Bye Bye Lübben City“ und damit natürlich den berühmten Aha- Effekt, hier spielt MONOKEL. Das Boogie-Woogie-Mobil ist inzwischen auf Touren und bei „Amboss oder Hammer“ stampft das alte Gefährt und die beiden Gitarristen - erst Solo der rechten Seite, dann glühen links auf dem Podest die Saiten spielen sich die Bälle grinsend zu. Es ist die helle Freude, beide den heißen Blues spielen zu sehen, während „Zuppe“ für einige Momente beiseite tritt, um ihnen den Raum zu überlassen. Es gibt mit „A Fool For Your Stocking“, einen Klassiker von ZZ Top und dann mit „Boogie Mobil“ einen aus dem eigenen Hause hinterher. Dabei demonstrieren die beiden Twin Guitars wieder ihre Fingerfertigkeiten und ihren Spaß am Blues. „Zuppe“ lässt die Mundi dazu schmachten und gibt dann mit „Oma Krüger“ sowie dem „Landei“ zwei weitere Klassiker zum Besten. Ach ist das schön! Neben und hinter mir wippen die Körper und nicken die Köpfe den Rhythmus, den OLLI BECKER (ex –Jessica) an der Schießbude erzeugt, auch wenn dabei mal ein Stick verloren geht. Der Blues Motor, Olli an den Drums und „Speiche“ mit den vier dicken Saiten, kommt aus dem Stand auf Touren, läuft rund und lässt uns alle stampfen und schwitzen. So auch bei „Call Me The Breeze“, einem Klassiker von J.J.Cale, bei dem voller Hingebung in die Saiten gegriffen wird. Wer hatte, trug damals Parka zu schulterlangen Haaren und Jesuslatschen an seinen nackten Füßen, wenn gerade Sommer war. Dann kam es schon mal vor, dass man von misstrauischen Blicken beglotzt wurde und so mancher dachte sich auch, „was gehen euch meine Lumpen an?“. Dieses „Lumpenlied“ war rotzig trotziger Ausdruck und viele in meinem damaligen Umfeld, ich erinnere mich an Hansi und Mecki, hatten ihrerseits nur ein müdes Lächeln für solche Blicke übrig. Für sie war dieses „Lumpenlied“ geschrieben und in ihm fanden sie sich wieder. Hansi ist inzwischen zum feinen Unternehmer mutiert, hat die Jesuslatschen gegen seinen BMW und die Ideale gegen Geld eingetauscht. Mecki ist nie von der Feuerwehr los gekommen, aber noch immer besucht er Konzerte und fliegt dafür auch schon mal bis nach Brasilien. Ein Mal Kunde, immer Kunde oder Tramper, mein Kumpel Mecki (aus EE)! Nicht viel anderes will uns der Song vom „Schreier“ sagen, denn manchmal musste man aus den gleichen Gründen seinen Frust oder auch seine Freude artikulieren. Diese zwei Blues-Nummern, bei denen die beiden Gitarristen ihre Instrumente wimmern und kreischen lassen, sich gegenseitig deftige Gitarrenläufe zuwerfen, heizen uns richtig ein und so manchem überkommt es einfach und tanzt in sich versunken den Blues. An einer etwas leiseren Stelle lässt der andere J.J. (Bailey) klammheimlich Zitate von „Voodoo Chile“ und „When The Saints“ in sein Spiel einfließen, um Sekunden später bei einer alten „Steamhammer-Nummer“, „what a fuckin’ piece“ (Zitat J.J.), förmlich in seinem Spiel zu explodieren. Klassiker wie „Junior’s Wailing“ oder „Pickin’ Willi“ gehören einfach zu so einem Abend und „T For Texas“, welch’ schönes Wortspiel, natürlich auch. Und immer wieder reißen uns die Saiten-Duelle der beiden Gitarristen mit. Genau so hatte ich es mir gewünscht und eigentlich kommt es in dieser Stunde sogar noch viel besser und knackiger, so als hätte es all die vielen Jahre und das ganze Roulette mit den Bandmitgliedern nie gegeben. Dies ist dann auch der einzige Wehrmutstropfen, den die zeit bitter werden ließ. Es gibt Songs, die gehören einfach zu MONOKEL, wie die Speiche zum Rad. „Die schwarze Marie“ ist so einer und natürlich, welch’ Wunder, die Saga „vom Bär, der Frohsinn bringt“ oder eben auch „Das Monster vom Schilkinsee“. Bruder Alkohol, so tickten wir damals, gehört nun mal zum Blues und weiß Gott, manchmal haben wir nicht gerade wenig davon getrunken. Fragt Hansi oder Mecki. Zum Glück hat uns das Monster verschont, doch die Zeiten, die es besingt, schwingen in diesen Momenten ganz tief in meinem Innern und die Bilder stehen auch wieder auf: Holzhof, Stadtpark, Postplatz, Stube. Was hatten wir für eine geile Zeit und welch tolle Musik! Nicht nur die aus dem Westradio, hat uns dabei stets begleitet. Glücklich derjenige, der sie (wie ich) bei „Speiche“ und MONOKEL an diesem Abend in der Kulturbastion noch einmal gefühlt erleben darf. Wer weiß denn, wie lange noch … Ganz zum Schluss und auch vielleicht als Reminiszenz an das „röhrende“ Westradio spielen die Herren MONOKEL uns noch die alte Nummer „It’s All Over Now“, die schon die Stones in ihren frühen Blues Jahren coverten. In diesem Augenblick bin ich einfach nur froh und glücklich, hier zu stehen, diesen Blues zu hören und mit meinen Erinnerungen nicht allein zu sein. Die „fünf netten jungen Herren“ da vor mir machen es möglich und die vielen anderen älteren neben und hinter mir sorgen dafür, dass es mir nicht allein so geht. Wichtig ist die Musik und das besondere Gefühl, das sie vermittelt, und schön auch, dass es noch immer MONOKEL(s) gibt, eine davon mit SPEICHE - in blues we trust.