Die Sixtinische Madonna – Dresden feiert Electra
15.08.2014
Dresden,
Theaterplatz,
Festtagsstimmung
und
überall
gut
gelaunte
Menschen.
Das
Volk
bekommt
Vergnügen
–
Fußball
ist
ja
vorüber
–
und
die
Politiker
erklären
salbungsvoll,
warum
das
gut
ist
und
wem
wir
das
alles
zu
verdanken
haben.
Wie
schön,
dass
uns
noch
immer
eine
vertraute
(Block)Partei
den
Weg
in
die
Zukunft
weist
und
schön
auch,
dass
es
noch
immer
wie
einst
klingt,
wenn
auch
die
Worte
andere
sind.
Wir
sehen
eine
Bürgermeisterin,
das
Kostüm
passend
zur
blauen
Brille
ausgewählt,
aber
die
Sprechblasen
verfliegen
über
den
Köpfen.
Eigentlich
aber,
geht
mir
das
alles
peripher
und
sowieso,
weil
ich
Schaum
und
die,
die
ihn
zu
Schaum
schlagen,
nicht
mehr
aushalten
kann.
Den
Weg
nach
Dresden
habe
ich
nicht
der
Politiker
und
Marionetten
wegen
gewählt,
sondern
weil
ich
die
Musik
von
ELECTRA
mit
den
Noten
von
BERND
AUST
sowie
den
Worten
von
KURT
DEMMLER
hören
und
erleben
möchte.
Die
sind
noch
immer
tausendmal
wertvoller,
als
das
leere
Gesülze
von
der
Freiheit
und
dem
Spiel,
welches
sie
Demokratie
nennen.
Um
wie
vieles
ehrlicher,
aufrichtiger
und
schöner
ist
dagegen
das
Gemälde
von
Rafael
im
Zwinger
gleich
nebenan,
das
uns
die
Sixtinische
Madonna
in
ihrem
schlichten
Glanz
zeigt.
Bild,
Worte
und
Musik
als
eine
Botschaft,
die
wichtiger
ist
in
diesen
Tagen,
als
all
diese
zertretenden
Worthülsen
in
den
Medien.
Wie
sagte
BERND
AUST
im
Konzert:
„Wir
sind
acht
Milliarden und sitzen alle in einem Boot, in dem noch immer mit Feuer gespielt wird.“ Wie gefährlich für uns alle und wie
nah das Feuer inzwischen ist! Auch solche Gedanken habe ich, wenn ich mich von Musik inspirieren lasse.
Die
„Madonna“
ist
ein
Auftragswerk.
Vielleicht
hat
die
FDJ
ja
sogar
in
Kauf
genommen,
dass
es
älter
wird,
als
blaue
Hemden
mit
dem
Sonnenball
darauf.
Schön
ist,
dass
es
so
gekommen
ist
und
die
Musik
von
ELECTRA
noch
immer
lebt.
Jedenfalls
füllt
sich
der
Theaterplatz
eine
Stunde
vor
dem
Konzert
und
so
mancher
nimmt
dafür
ein
feuchtes
Hinterteil
in
Kauf.
Alle
anderen,
und
das
sind
unfassbar
viele,
stehen
um
das
bestuhlte
Karree
herum
bis
weit
nach
hinten.
Blaue
Hemden
sind
nicht
darunter,
dafür
ganz
viele,
die
sich
der
Stadt,
der
Madonna
und
der
45-jährigen
Band
verpflichtet
fühlen.
Dies
ist
wohl
das
erste
und
auch
einzige
Mal,
dass
„Die
Sixtinische
Madonna“
live
und
Open
Air
in
der
Elbmetropole
zu
erleben
ist
und
diese
Gelegenheit
wollen
sich
viele
nicht
entgehen
lassen
und
die
toben,
als
BERND
AUST seine Instrumente auf die Bühne bringt.
Wenig
später
haben
die
Musiker
der
Elblandphilharmonie
Sachsen
ihre
Plätze
eingenommen
und
es
erklingt
die
„Badineri“
von
J.S.
Bach,
beinahe
so,
wie
sie
der
Meister
aufs
Notenpapier
geschrieben
hatte.
Filigrane
Töne
aus
Meisterhand
verwöhnen
tausende
Ohren,
doch
Momente
später
werden
aus
den
verspielten
Perlen
die
wuchtig
donnernden
Akkorde
einer
Rockband,
die
diese
Melodie
dem
Spiel
der
Querflöte
in
den
Händen
von
BERND
AUST
übertragen.
Der
nimmt
sie
auf,
spielt
mit
ihnen
und
genau
deswegen
sitze
ich
hier.
Vor
mir
rockt
ELECTRA
den
„Türkischen
Marsch“
und
hinter
mir
antwortet
die
spontane
Begeisterung
der
Masse.
Dritte
Stuhlreihe,
freier
Blick
und
die
Wucht
von
Orchester
und
Band.
Ich
bin
glücklich,
genieße
meine
Gänsehaut
und
dann
nehmen
meine
Beine
den
Rhythmus
vom
„Säbeltanz“
auf,
der
nahtlos
aus
dem
Mozart’schen
Marsch
mutiert.
Das
soll
der
Dresdner
Kapelle
mit
dem „Hexer an der Querflöte“ erst einmal jemand nachmachen!
Das
ist
jener
Augenblick,
der
mich,
abgesehen
von
der
noch
folgenden
Rock-Suite,
an
diesem
Abend
am
meisten
berührt.
Als
sie
den
Song
schrieben,
so
der
Bandleader
AUST,
lebten
auf
diesem
Planeten
ungefähr
vier
Milliarden
Menschen.
Gemeinsam
und
miteinander,
wie
in
einem
großen
Boot.
Eine
große
leise
Hoffnung
der
Wendezeiten
bestand
auch
darin,
dass
Kriege
zum
Lösen
von
Konflikten
nun
überflüssig
werden
würden,
denn
einer
der
Gegner
hatte
sich
selbst
überflüssig
gemacht.
Wir
sind
inzwischen
schon
acht
Milliarden
oder
mehr,
aber
Kriege
schaffen
sich
diese
übermächtigen
Mächte
und
deren
Imperatoren
immer
wieder
neue.
Gleich,
ob
sie
nun
Obama,
Putin
oder
Al
Kaida
heißen.
In
meinen
Augen
sind
sie
alle
gleich.
Mächtige,
die
für
Macht
morden,
gehören
überflüssig
gemacht,
denn
genau
vor
ihnen
sollte
man
Angst
haben
und
von
genau
dieser
Wahrheit
singt
ELECTRA
mit
„Vier
Milliarden
in
einem
Boot“. Rock für den Frieden lässt heimlich grüßen!
Über
dem
Theaterplatz
schwingt
eine
besondere
Stimmung,
die
sicher
so
nie
wieder
zu
erleben
sein
wird.
Wir
sitzen
oder
stehen,
um
einige
der
schönsten
Lieder
zu
hören,
die
ELECTRA
über
mehr
als
vier
Jahrzehnte
repräsentieren.
Den
„Scheidungstag“
von
einer
Rockband
gespielt
und
die
„Frau
im
Spiegelbild“
als
Akustik-Variante
mit
Orchesterunterstützung.
Das
legendäre
„Bouree“
nach
Johann
Sebastian
Bach
mit
SABINE
GROSCHE
an
der
Querflöte
neben
BERND
AUST,
das
sich
fließend
zum
wuchtigen
„Locomotive
Breath“,
gesungen
von
GISBERT
KORENG,
auswächst.
Ganz
großes
Kino
vor
der
überwältigenden
Kulisse
des
Theaterplatzes.
Wie
gern
würde
ich
jetzt
unerkannt
dort
oben
stehen
wollen,
während
„Still
Got
The
Blues“
erklingt,
um
dieses
Panorama
zu
bestaunen,
das
die
Musiker
sicher vor sich haben.
Es
sind
nicht
nur
das
Bild,
die
Musik
und
die
Worte,
die
einem
Gänsehaut
bescheren
können.
Es
ist
auch
der
besondere
Ort,
der
Platz
vor
der
wieder
errichteten
Semper-Oper
in
Nachbarschaft
zum
Zwinger,
in
dem
das
Bildnis
der
Madonna
zu
bewundern
ist.
Hier
die
dreiteilige
Rock-Suite
einmalig
und
niemals
wieder
aufzuführen,
den
Reiz
des
Besonderen
als
Besucher
zu
genießen,
das
hat
schon
fast
eine
historische
Dimension.
Als
BERND
AUST
noch
einmal
jene
„Laune
des
Augenblicks“,
so
seine
persönliche
Formulierung,
in
Erinnerung
ruft,
betreten
nach
und
nach
die
einhundert
Chorsänger
aus
Hoyerswerda
die
Bühne.
Einer
von
ihnen
hat
die
Wiedergeburt
des
Musikstückes,
jene
„Laune
des
Augenblicks“,
einen
Gedankenblitz
genannt,
der
nunmehr,
einem
musikalischen
Feuerwerk
gleich,
an
historischer
Stätte
seinen
vorläufigen
Höhepunkt
findet.
Auf
der
Bühne
stehen
einhundert
Chorsänger
aus
Hoyerswerda
unter
der
Leitung
von
KERSTIN
LIEDER.
Davor
die
Musiker
der
Elbland-Sinfonie
und
an
der
Rampe,
stimmlich
verstärkt
vom
Tenor
JENS
UWE
MÜRNER, die Dresdner Rockband ELECTRA. Was für ein Bild, das ich sehe, und darüber jenes, das sie besingen!
Der
erste
Teil
ist
dem
Maler
gewidmet,
der
das
Meisterwerk
schuf.
Vielleicht
soll
„Der
Maler“
uns
ein
wenig
seiner
Gedanken
und
Gefühle
nahe
bringen,
so
wie
man
sie
sich
heute
vorstellen
kann
und
wie
sie
uns
auch
selbst
berühren.
Ein
Fanfarensignal
öffnet
die
Klangwelt
des
Künstlers,
der
Chor
und
ein
Saxophon
steigen
in
das
Motiv
ein,
ehe
JENS
UWE
MÜRNER
die
Stimme
des
Malers
erklingen
lässt:
„Irgendwann
gewonnen,
irgendwo
gesehn
oder
nichts
als
Sehnsucht
gar.“
So
oder
so
ähnlich
kam
das
Motiv
auf
die
Leinwand
„und
er
malte,
wie
es
aus
Menschenaugen
spricht“.
Tenor,
Chor
und
Band
im
Gleichklang
der
Emotionen,
von
einem
wunderschönen
Solo
für
Saxophon
aufgegriffen,
ehe
der Chor, getrieben vom gleichmäßigen Rhythmus, wieder das Grundmotiv zum Klingen bringt.
Ein
Kunstgriff
verbindet
nun
den
Teil
„Der
Maler“
mit
dem
zweiten
„Das
Bild“.
Der
Komponist
BERND
AUST
wählte
dafür
das
Madrigal
„lot
ti
voria“
von
Orlando
die
Lasso,
um
beide
Teile
miteinander
zu
verschmelzen.
Etwa:
Von
meinen
Leiden
möchte
ich
dir
erzählen,
aber
tausend
Monate
würden
dafür
nicht
reichen.“
So
kann
man
einerseits
ein
Gefühl
der
Erhabenheit
und
Schönheit
des
entstandenen
Werkes
erahnen,
aber
auch
die
Mühen
wahrnehmen,
die
aus
dem
Kunstwerk
zu
uns
sprechen.
Nur
vom
Chor
gesungen,
erlangt
diese
kleine
Perle
auf
dem
Theaterplatz
einen
ganz
besonderen und, trotz der räumlichen Dimensionen, sehr intimen und beeindruckenden Reiz.
Zwei,
drei
kräftige
Beats,
der
Klang
der
Gitarre
und
es
beginnt,
getragen
von
der
wohl
bekanntesten
Melodie
der
Suite,
„Das
Bild“,
wie
es
von
Soldaten,
Menschen
im
Krieg,
aus
den
Trümmern
gerettet
wird,
damit
wir
es
noch
immer
betrachten
können.
So
schön
wie
hier,
wurde
wohl
nur
selten
das
Antlitz
einer
Frau
besungen:
„Herrliche
Frau,
Himmel
und
Erde
in
eins
–
es
ist
auch
unsere
Frau.“
Mir
gefällt
es
noch
immer,
wie
die
Madonna
von
ihrem
himmlischen
Thron
herunter
gesungen
wird
und
eine
irdische,
eine
unter
uns
wird.
Es
ist
beeindruckend,
wie
Tenor
und
Chor
klanglich
miteinander verschmelzen, dem Bild der Madonna ein musikalisches Pendant verleihen.
Der
letzte
Teil
gilt
uns,
der
wir
„Der
Betrachter“
sind.
Der
Bass
entwirft
eine
Melodie,
die
rezitativ
vom
Chor
aufgegriffen
wird:
„Wenn
du
dahinhetzt,
vergiss
die
Deine
nicht.“
Dies
ist
der
rockigste
der
drei
Teile,
während
die
beiden
ersten
eher
liedhaften
Charakter
haben.
Die
Gefühle
und
Motive
ringen
miteinander,
um
letztlich
in
einem
gemeinsam
gesungen
wuchtigen
Abgesang
zu
münden.
Wie
dies
von
allen
Beteiligten,
insbesondere
den
Chorsängern,
bewältigt
und
umgesetzt
wird,
lässt
mich,
der
ich
einst
auch
in
einem
großen
Chor
ein
Mosaiksteinchen
war,
auf
meinem
Stuhl
erschaudern.
Erst
dann
bemerke
ich,
dass
rund
um
mich
herum
alle
stehen
und
begeistert
ihre
Ovationen
nach
vorn
schicken.
Dann
stehe
auch
ich,
um
es
allen
anderen
gleich
zu
tun,
eine
wirklich
grandiose
Leistung
zu
würdigen.
Es
hätte schöner und imposanter kaum sein können.
Keine
Frage,
so
kann
dieser
Abend
nicht
enden,
denn
aus
viertausend
Kehlen
entlädt
sich
ein
einziger
Wunsch:
mehr
davon!
Es
gibt
mehr
und
vor
allem
das,
was
der
Kenner
aus
dem
Katalog
der
Band
so
gern
hören
möchte.
Auch
wenn
nicht
von
der
Originalstimme
angestimmt,
die
„Nie
zuvor“
einst
sang,
es
tut
dem
Erlebnis
keinen
Abbruch
und
„Wenn
die
Blätter
fallen“,
muss
dann
natürlich
auch
noch
her.
WOLFGANG
„Kuddel“
Riedel
darf
zeigen,
was
er
mit
vier
dicken
Bass-Saiten
alles
anstellen
kann
und
welche
Funktion
ein
Bogen,
mit
Rosshaar
bespannt,
dabei
hat
und
was
man
damit
für
Spaß
haben
kann.
„Kuddel“
ist
wirklich
einer
jener
echten
Ur-Musikanten,
die
auf
der
Bühne
eben
nicht
nur
Bass
zupfen und spielen. Musik macht vor allem auch Spaß, was man ihm noch immer deutlich anmerkt.
Wenn
schon
Chor
und
wenn
schon
Orchester,
dann
bitte
auch
„Tritt
ein
in
den
Dom“
in
voller
Pracht
und
Schönheit.
Kein
Werk
von
ELECTRA
ist
so
populär
und
obwohl
es
keinen
direkten
Bezug
zu
der
„Madonna“
gibt,
keines
passt
besser
zu
ihr,
als
der
„Dom“.
Und
dann
steht
dieser
STEPHAN
TREPTE,
mit
grauem
Haar
und
großer
Brille,
da
vorn
und
haucht,
stöhnt
und
bricht
diesen
Song
aus
seinem
ganzen
Körper
heraus,
wie
es
kein
anderer
hierzulande
je
zustande
bringen
würde.
Der
Mann
ist
noch
immer
das
Maß
aller
Dinge,
wenn
es
um
gesungene
deutsche
Rock-Lyrik
geht
und
wirklich
herrlich,
dass
er
es
noch
immer
macht.
Es
ist
beinahe
noch
einen
Klitzekleinen
oben
drauf
gesetzt,
ein
Stück
zeitloser
Musik
fest
im
Dresdner
Nachthimmel
verankert
und
dennoch
gibt
es
ein
kleines
Liedchen,
das
unmerklich
allen
anderen
schon
längst
den
Rang
abgelaufen
hat
und
nur
wenige
haben
es
bemerkt.
Kein
Lied
komprimiert
bestimmte
Gefühle
meiner
Generation
so
unglaublich
kompakt
und
erhaben,
wie
dieses
unscheinbar
einfühlsame
„Seh’
in
die
Kerzen“,
das
von
all
den
Freunden
und
Lieben
singt,
die
unsere
Wege
kreuzten,
die
wir
trafen
und
sprachen,
so
wie
die
Lieder,
die
davon singen.
Damit
ist
für
mich
der
Abend
rund
und
ich
weiß,
dass
ich
bei
einem
unglaublich
großen
musikalischen
Ereignis
dabei
war.
Wieder
einmal,
denke
ich
und
ich
fühle
ein
Lächeln
im
Gesicht,
denn
an
so
einem
Abend
im
Sommer
1969,
vor
nunmehr
45
Jahren,
klangen
andere
Töne
an
einem
fernen
verregneten
Ort
namens
Woodstock.
Manchmal
hat
man
solche
Gedankensprünge
zur
rechten
Zeit.
Ich
würde
gern
da
vorn
sein,
Hände
schütteln,
danke
sagen
oder
mit
einem
der
Beteiligten
reden.
Liebend
gern
auch
mit
CANDALETTO,
dem
Namenspatron
des
Stadtfestes.
Gern
auch
mit
einem,
von
„ganz
da
oben“,
um
ein
paar
ungefilterte
Worte
zu
formulieren,
die
mir
zwischen
„Madonna“
und
TV-Tages-Schau
durch
den
Kopf
jagen.
Doch
ich
bin
gerade
voll
mit
guten
Emotionen,
die
in
mir
überquellen
wollen.
Ich
bin
nun
einmal
so,
Waage
eben.
Also
gehe
ich
in
die
Meute,
lasse
mich
von
ihr
langsam
durch
die
Nacht
tragen,
während
Klangfetzen
in
mir
das
Bild
der
Madonna
immer
wieder
neu
und
anders
entstehen
lassen.
Einfach,
schön,
erhaben
und
menschlich
–
ein Gesicht aus dem Volk und ganz bestimmt kein anderes wäre einer „Lady Madonna (Children At Your Feet)“ würdig.