Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Solo-Konzert mit Sarah McQuaid in Magdeburg 03.03.2018 Vielleicht ist das heute eine der letzten eiskalten Nächte des scheidenden Winters. In solchen Nächten kann man weit hinaus ins All sehen oder zumindest etwas von dessen Unendlichkeit ahnen. So viele Lichtpunkte und jeder birgt neue Geheimnisse, intelligent(er)es Leben vielleicht sogar. Und ich fahre auf so einem Lichtpunkt ganz profan mit wenigen Pferdestärken über den Asphalt und bewege mich, gemessen an denen da „oben“, quasi überhaupt nicht. Ich erreiche dennoch Magdeburg, um hier ein unbekanntes Sternchen zu treffen. SARAH McQUAID lebt in England, wurde in Spanien geboren und lebte viele Jahre in Irland. Hier begann sie, Lieder zu schreiben und nun ist sie, mit sechs einzigartigen Alben im Gepäck, auf Europa-Tour. Dieses kleine Club-Konzert will ich mir nicht entgehen lassen, habe ich ganz kurzfristig beschlossen. Auf einem Poster ist sie mit einem langen roten Kleid zu bewundern und genau dieses warme blumige Sommer-Outfit trägt sie, als sie elegant die zwei Stufen zur Bühne nimmt. Im Gesicht ein strahlendes Lächeln, das von lockigem weichem Haar eingerahmt ist. Sie begrüßt uns in zauberhaft gebrochenem Deutsch mit englischem Akzent. Sie greift zu ihrer Akustikgitarre, klemmt den Kapotaster zwischen die Bünde und beginnt vom „Slow Decay“ (Langsamer Verfall) zu singen. Kaum hörbar zupfen ihre Finger die Saiten und ich bin überrascht. Fast glaube ich, Tanita Tikaram singen zu hören, doch spüre ich in der Musik von SARAH McQUAID eher einen leichten Hauch vom irischen Folk und das empfinde ich als sehr angenehm. Den ganzen Abend über wird mich dieses vertraute Gefühl nicht mehr verlassen. Die Künstlerin ist unterwegs, uns ihr aktuelles Album „If We Dig Any Deeper It Could Get Dangerous“ vorzustellen. Also singt sie uns auch dieses Lied. Sie greift zur E-Gitarre und dann erzählt sie, wie ihr Sohn hinten im Garten begann, ein Loch zu buddeln und sie irgendwann zu ihm sagt: „Wenn du noch tiefer buddelst, könnte es gefährlich werden.“ Dabei nutzt sie die technische Möglichkeit, ihre Stimme sich überlagern zu lassen, was zu interessanten Effekten führt und die Stimmung des Songs verstärkt. Davon wird sie später noch einmal und ebenso wirkungsvoll Gebrauch machen. Zwischen den Songs erklärt sie in wenigen Worten das Entstehen ihrer Lieder oder Begebenheiten, die sie inspiriert haben. Eine davon geht zurück bis ins Jahr 1590, als Schlossherrin Bess of Hardwick ihre eigenen Initialen in Übergröße in einen Turm einmauern ließ. Das hat SARAH zur bezaubernde Weise von „Harwick’s Lofty Towers“ im Stil alter schottischer Folkballaden angeregt, ein kleines Meisterwerk, das keinen Vergleich mit den großen Folk-Musikern scheuen braucht und auf ihrem dritten Album zu finden ist. Aber auch Melodien, wie „Charlie’s Gone Home“ oder das mit sehr sparsamen Fingerpicking gesungene „Time To Love“, überraschen mich durch ihre ganz eigenwillige Live- Präsentation. Sie kann es sich sogar leisten, bei „One Sparrow Down“, sich selbst nur auf der Trommel begleitend, zu singen, wodurch ihre warme voluminöse Alt-Stimme noch eine besondere Aufwertung erlangt. Wenig später erleben wir sie bei „The Silence Above Us“ nur mit Piano-Begleitung und auch hier weiß sie mit ihrer Stimme eine angenehme Stimmung zu erzeugen. Meist bringt sie vor einem Song ihre Gitarre in eine andere Grundstimmung. Das erleichtert das Spiel auf den Saiten und erzeugt zudem diesen ganz typischen Sound, den man vom Klang irischer oder schottischer Folk-Songs kennt. Wenn sie dann noch, wie bei „In Derby Cathedrale“, eine historische Thematik aufgreift, nimmt sie uns mit in ihre persönliche Gedankenwelt: „In Derby Catheral I found my last home“. Wieder sind es diese Voice-Loops, die am Ende den Eindruck eines Chores entstehen lassen. Mit „Cot Valley“ widmet sie jenen Kindern, die einst in den Bergwerks- Minen arbeiten mussten und mit Giften wie Arsen in Berührung kamen, eine Hommage. Die lässt sie dann, bezogen auf unsere heutige Zeit, damit enden, dass dieser Ort der Kinderarbeit heute nicht mehr vergiftet ist: „Cot Valley is green today“. Die Bandbreite ihrer Songs ist weit gefächert und bringt, da sie ihr Gitarrenspiel stets sehr gezielt einsetzt, ebenso vielfältige Klangerlebnisse auf die Live-Bühne. Mich fasziniert vor allem, wie dezent aber sehr wirkungsvoll sie die sechs Saiten des Instruments zum Klingen bringt. Einfach Klasse! Es ist wohl ein Querschnitt durch ihr Schaffen, den wir zu hören bekommen. Vom ersten Album, noch mit traditionellen Folk-Songs, bis zu allen anderen, mit immer mehr eigenen Liedern, sind einige Songs dabei. Die meisten natürlich vom neuesten Werk. Diese Lieder hat sie, so mein Eindruck, wohl selbst geschrieben. Ganz zum Schluss singt sie uns zum Abschied, und als Zugabe, mit „Parting Glass“ noch einen dieser typischen traditionellen Folk-Songs und es haut mich um. A capella singend steht sie vor dem Mikrofon und ich habe Gänsehaut. Zu sehr erinnert mich das Lied an „Quiet Joys Of Brotherhood“ der legendären Sandy Denny und als ich sie anschließend darauf anspreche, bestätigt sie mir diesen Eindruck. Wieder einmal habe ich mich auf Unbekanntes eingelassen und bin wieder positiv überrascht worden. Diese SARAH McQUAID, mit einer einzigartigen Stimme ausgestattet, bringt längst ihren eigenen Stil auf die Bühnen. Sie braucht nur noch zu feilen und die nötige Portion Glück, um mehr Hörer für sich zu gewinnen. Dann wird man sie allerdings auch nicht mehr so hautnah erleben können, fürchte ich. Heute steht sie noch für Gespräche zur Verfügung, sie signiert uns ihre CD’s oder ein Poster und hält für jeden ein Lächeln und freundliche Worte bereit. Ich glaube, von dieser sympathischen Künstlerin könnte man noch hören. Ein kleiner Lichtpunkt mehr, inmitten der vielen (unbedeutenden) Sternchen.