Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Ruben Wittchow – „Liebesmedizin“  (Tonpol/Wittchow, 28.04.2017)                                           13.04.2017 Ein Ich für mich Der Pedant Ich liebe mein Facebook In diesen Tagen Liebesmedizin Nein Nein Nein Problem, Problem Fliegen Nur was man will Sein & lassen Maulkorb Stern Ich pass auf dich auf Bonus: Sommersong Vor   einigen   Wochen   hat   sich   einer   bei   mir   gemeldet   und   gefragt,   ob   ich   mir   seine   neuen   Lieder   einmal   anhören   und   etwas dazu   schreiben   würde.   Da   mir   RUBEN   WITTCHOW   kein   Unbekannter   ist,   ich   ihn   auch   persönlich   kennenlernen   durfte,   habe ich   spontan   zugesagt.   Beim   ersten   Hören   der   Scheibe   ist   mir   dann   wieder   aufgefallen,   dass   zwischen   Lieder   hören,   sich darüber   eigene   Gedanken   machen   und   dann   etwas   Sinnvolles   zu   schreiben,   ein   kleiner   aber   feiner   Unterschied   besteht. Versucht habe ich es trotzdem: In   den   letzten   Monaten   hatte   Ruben   Wittchow   viel   komponiert,   hat   im   Studio   experimentiert,   gesucht   und   verworfen,   hat Ideen   umgesetzt   und   sie   selbst   mit   verschiedenen   Instrumenten   eingespielt.   Dabei   hat   er,   unbewusst   und   ungewollt, Gefühle   und   Empfindungen   eingefangen,   die   sich   wohl   am   ehesten   mit   guter   Laune,   Sonne,   Lebenslust   und   -leid   sowie Liebe   und   deren   Nachwirkungen   umschreiben   lassen.   Kein   Wunder   also,   dass   daraus   ein   Album   mit   dem   beziehungsreichen Titel „Liebesmedizin“ geworden ist. Gleich   der   Eröffnungssong   deutet   an,   wohin   die   Reise   gehen   wird.   „Ein   Ich   für   mich“   lockt   mit   einer   eingängigen   Melodie und   treibenden   Rhythmen.   Die   Nummer   geht   ins   Ohr,   sie   ist   tanzbar,   sie   taugt   fürs   tägliche   Radiohören   und   sie   holt   die Zielgruppe   der   Twens   plus   X   mit   ihren   eigenen   Gefühlen   ab.   Im   Grunde   sind   damit   alle   weiteren   Lieder   der   CD   ebenfalls grob   umrissen   und   dennoch   entdeckt   der   interessierte   Hörer   jede   Menge   feiner   Nuancen   und   Facetten.   Den   Klang   vom Dudelsack    zum    Beispiel,    der    flockige    Pianotupfer    gekonnt    miteinander    verbindet,    den    Song    letztlich    bis    zu    einem wunderschön   geschachtelten   Chorus   aufbauscht   und   dafür   sorgt,   dass   sich   der   Ohrwurm   „In   diesen   Tagen“   auch   wirklich einprägen kann. Ganz   anders   hingegen   kommt   der   Titelsong   „Liebesmedizin“   daher.   Die   vom   Funkrhythmus   getragene   Gitarre   und   die prägnanten   Synthi-Einwürfe   wecken   Erinnerungen   an   Zeiten,   als   die   deutschsprachige   Rockmusik   wieder   „neu“,   knackig und   schnörkellos   auf   den   Punkt   traf.   So   schreit   denn   der   Künstler   seinen   Bedarf   an   „Liebesmedizin“   ganz   unverblümt brachial   hinaus,   bis   er   endlich   singt:   “Bin   wieder   aufgetankt“.   Einem   ähnlichen   Muster   folgen   ebenfalls   „Nur   was   man   will“ sowie   „Maulkorb“   und   liegen   damit   (vielleicht?)   sogar   voll   im   Trend   bei   jüngeren   Pop-Musik-Konsumenten,   die   sicher   eher Wert   auf   Tanzbarkeit   und   klare   Worte,   denn   auf   komplizierte   Klanggewebe   mit   überladener   Lyrik,   legen.   Genau   so erfrischend locker und verständlich klingen auch diese Lieder. Beim   Hören   fällt   auf,   dass   gleich   mehrere   Songs   Hinweise   auf   die   musikalischen   Vorlieben   des   RUBEN   WITTCHOW andeuten.   Sting   und   Police   scheinen   ganz   weit   vorn   zu   agieren,   folgt   man   der   Bass-Figur   und   der   verschleppten   Reggae- Rhythmik    von    „Fliegen“.    Aber    auch    „Sein    und    lassen“    spielt    mit    einem    solchen    Bass    und    zitiert    zudem    aus    einer Harmonieabfolge,   die   sicher   einige   wiedererkennen   werden.   Eine   zweite   (Frauen)Stimme   im   melodischen   Duett   verleiht diesem   Song   einen   zusätzlichen   Reiz.   Ein   wirklich   schöner   Pop-Song,   von   deren   Sorte   man   noch   einige   auf   dieser   Scheibe entdecken   kann.   Zum   Beispiel   „Der   Pedant“,   ein   Typ,   der   alles   mit   Bandmaß   und   Stoppuhr   zu   regeln   versucht,   wird   hier   mit Bläsern und einem Touch von Rockabilly leicht ironisch auf die Schippe genommen. Wieder eine Facette mehr. Abgerundet   wird   der   Silberling   mit   einem   sehr   emotionalen   Song,   der   zunächst   ganz   leise   und   intim   daher   kommt.   „Ich pass   auf   dich   auf“   geht   fünf   Minuten   lang   unter   die   Haut   –   „lese   in   deinen   Spuren,   was   keiner   versteht“   –   und   glänzt   noch einmal   mit   einem   tollen   Chorus   sowie   intensivem   Gitarrensolo.   Danach   gibt   es   als   Bonus   eine   Neubearbeitung   vom   bisher nicht   auf   einem   Silberling   veröffentlichten   „Sommersong“   plus   einem   guten   Gefühl   für   Sonne   und   Meer   sowie   einer gehörigen    Dosis    Vorfreude    auf    den    kommenden    Sommer.    Vielleicht    sogar    mit    einem    bunten    Melodien-Mix    aus „Liebesmedizin“.        Die    Lieder    von    RUBEN    WITTCHOW    haben    hohen    Wiedererkennungseffekt,    sind    prägnant    und    dennoch    ein    wenig schnoddrig,   dem   Jungvolk   „Zwanzig   plus“   auf   das   Maul   geschaut   und   deren   Alltag   zwischen   Liebe,   Reisen   und   Facebook, teils   ironisch   und   augenzwinkernd,   abgelauscht.   Da   wird   nichts   versteckt   oder   vom   Sound   geglättet.   Einige   der   Lieder haben   gar   die   Tendenz,   Gassenhauer   werden   zu   wollen,   obwohl   sie   oftmals   auch   kantig   wirken.   Was   für   ein   reizvoller Gegensatz.   Der   Künstler   selbst   ordnet   seine   individuelle   Art   zu   musizieren   als   Deutschpop   ein.   Viele   der   Lieder   folgen   klaren Strukturen   und   überraschen   mit   kurzweiligen   Nuancen.   Wer   den   Künstler   einmal   kennenlernen   durfte,   blickt   in   diese   Lieder wie   in   dessen   Spiegel.   Schlicht,   ohne   banal   zu   sein,   klare   Formen   und   Sprache,   ohne   simple   zu   wirken,   und   mitunter Melodien,   die   sich   förmlich   zum   Mitsingen   anbieten.   Die   Platte   ist   ein   Angebot,   in   dem   sich   viele   schnell   wiederfinden werden,   wenn   sie   ähnliches   erlebt   oder   schon   einmal   so   gedacht   haben.   So   klingt   Pop-Musik,   nicht   Schlager(!),   Lieder   von einem,   der   zwischen   Pop   und   Liedermachen   pendelt   und   dennoch   Seins   macht,   ohne   wenn   und   aber.   Die   Parallelen   zu Sting,   Police   und   Keimzeit   wirken   nicht   aufgesetzt.   Es   ist   seine   Art,   Melodien   zu   schreiben,   sie   zu   produzieren,   aber   auch live auf die Bühne zu bringen und zu interpretieren. So   farbenfroh   und   vielleicht   auch   ein   wenig   grell,   wie   die   Lieder   der   CD   „Liebesmedizin“,   kommt   auch   die   Verpackung   daher. Beipackzettel   mit   witzigen   Collagen   und   den   Texten   inklusive.   Sehr   ausführlich,   mit   vielen   Informationen   und   liebevoll gestaltet.   Nur   der   Hinweis   auf   die   möglichen   Nebenwirkungen   ist   nicht   zu   finden.   Sei’s   drum:   Einfach   rausnehmen,   einlegen und mal schauen, was passiert, welche (Nach)Wirkungen sich einstellen werden. Viel Vergnügen (und gute Besserung)!