Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Rock’n’Roll–Stammtisch in Braunsdorf 14.07.2016 (Rock-Opa’s Reise ins Rock-Bummel-Dorf, wo die Rocker lustig und Klugscheißer unerwünscht sind.) Man(n) steigt also kurz nach dem Mittagsmahl, gesättigt und etwas träge, in seine Schüttel und dann geht es Richtung Magdeburg und dort auf der Stadtpiste mitten durch das Häuserchaos. Spätestens auf der A2, der Chrash-Route nach Berlin, trauert man dem möglichen Mittagsnickerchen hinterher, doch die drei Fahrspuren fordern die volle Aufmerksamkeit. Auf dem Berliner Ring kommt die dunkle Wolkenwand in Sicht und ab Rangsdorf schüttet es von oben, was der Himmel hergibt. Schönefelder Kreuz und Dreieck Spreeau verschwinden im Gischt der Fahrzeuge. Hinter mir liegen Magdeburg und die Fahrt über den südliche Berliner Ring. Dann endlich die Baustelle und darin versteckt die Ausfahrt nach Storkow. Jetzt nur noch durch den dunklen nassen Wald, durch das kleine Nest Markgrafpieske, die Felder durchqueren und das Ortseingangsschild von Braunsdorf passieren. Endlich, nach knapp drei Stunden auf der Piste, darf ich mich wieder aus dem Sitz basteln. Geschafft, im bin im Reich der Holzfäller gelandet und mein Knochengestell freut sich über etwas sparsame Bewegung beim Freunde begrüßen. Die üblichen Verdächtigen sind irgendwo in der Menschtraube versteckt. Der Holzfällerkönig, der „nur“ eine kleine Veranstaltung vorhatte zu planen, hat wieder sein großes Herz zur „Stammtisch Ausgabe Nummer 1“ weit geöffnet. Also sind wieder ganz viele (Puhdels)Jünger angereist, obwohl Puhdels gar nicht mehr darüber steht und der Rufer in der Zitadelle Spandau BAP im Regen beistehen muss. Max nix, es geht locker auch ohne ihn. Vor dem Vergnügen kommt noch die Besichtigung der Schlafstätte. Mitten im dunklen Wald, verdeckt von hohen Bäumen und dichtem Gestrüpp, steht eine Jagdhütte auf einer kleinen Lichtung. Knarrend öffnet sich die Tür und die Liege, auf die ich Stunden später fallen werde, knarrt genau so laut. Doch davon ahne ich noch nichts und auch nicht, dass jemand nachts lustvoll den restlichen Wald zersägen und damit dem Holzfällerkönig Konkurrenz machen wird. Wenige Minuten später bin ich wieder zurück am Ort des Geschehens und in der Meute. Inzwischen sind wohl alle geladenen Gäste hier. Einige andere auch. Das fröhliche Volk, das sich hier versammelt hat, repräsentiert eine lange Geschichte vom einzelnen Puhdys-Fan zu einer losen Gemeinschaft von ganz unterschiedlichen Leuten, die sich der Rockmusik, vor allem der im Osten des Landes, irgendwie besonders verbunden fühlen. Sie alle sind, ihre Leidenschaft für Musik betreffend, auf vielen Pfaden unterwegs. Die große Klammer heißt, zumindest aus meiner bescheidenen Sicht, gar nicht Rock’n’Roll, sondern Deutsche Krebshilfe. Im Grunde ist das eine ganz eigene Geschichte, die zu erzählen (oder aufzuschreiben?) dem Mann an der Fallsäge und seiner Frau allein vorbehalten bleiben sollte. Kampf dem Krebs, das ist der eigentliche Grundgedanke, der die viel zu kleine Klammer Puhdys abgelöst hat. Was hier inzwischen geschieht und immer mehr Fans fasziniert, ist die Einsicht, dass es gar nicht um Musik an sich, um den Star als solchen, geht, sondern gemeinsam einer Idee zu folgen, um letztlich auch gemeinsam daran zu wachsen. Dafür könnte das Holzfällerpärchen mal eben locker einen Orden an die Brüste geheftet bekommen (und wir alle wären im Schlepptau). Es ist nicht irgend so ein Forum oder andere Plattform, sondern ein menschliches Ideal, das uns treibt und eint. Musik ist nur Ausdruck dessen. Punkt! Solche Gedanken gehen mir durch den Kopf, während der Zeremonienmeister, mit Schnauzer und der Berliner Schnauze, einige der (freiwillig gekommenen) Musiker an seinen Stammtisch, und damit zum Gespräch, lädt: Hans „Die Geige“ Wintoch, Dieter Quaster Hertrampf plus „Schatten“, Martin Schreier plus Manager Detlef Seidel, Werther Lohse, Peter „Bimbo“ Rasym, Big Joe Stolle & Robert Gläser, in der Reihe ihres Auftritts. Den Anfang allerdings machen Ingo & Marcel, die beiden „Puhdys-Büchler“ mit ihrem „fehlergedruckten“ Almanach und ebenfalls am Stammtisch erleben wir Dieter Beich, ein Mann aus dem Karussell-Umfeld. Beste Grüße von der Band und einige Mitbringsel für die Krebshilfe landen im Verkaufsstand. Als Fazit bleibt festzustellen: Selten so einen eleganten Moderator erlebt, der vorgibt, keine Ahnung zu haben und den Herren Musikanten Dinge entlockt, die ansonsten kaum über deren Lippen gekommen wären. Respekt, mein Holzfällerkönig! Über einem offenen Feuer wird ein Spanferkel langsam gedreht. In diesem Bereich hält man sich auf, um sich zu unterhalten, am Spieß drehend zu meditieren oder sich ein wenig aufzuwärmen. Manche warten auch einfach darauf, etwas von der Schwarte abzubekommen und irgendwann ist auch das letzte Stück Fleisch am Spieß gar und durchgebrutzelt. Man kommt sich beim Essen näher oder mit einem Bier in der Hand. Es gibt viele Gelegenheiten, Gespräche zu führen, Fragen zu stellen oder nur ein wenig Spaß zu haben. Musiker wie Musikliebhaber sind locker. Es gibt keine Bühnenkante, keinen Backstage-Bereich, keine VIP-Card und es gibt genügend Zeit, die jeder für sich nutzen darf. Inklusive der Fan-Fotos, wenn es denn sein muss. Doch am meisten freue ich mich, meinen Freund Siggi hier zu treffen. Das war ausgemachte Sache, aber alles andere als sicher. Siegfried „Siggi“ Schweimer, der einstige Chef des Kulturhauses in Fürstenwalde und kulturelle Institution der Stadt, der Mann, der quasi jeden ehemaligen Rock-Musiker des Ostens persönlich kennt, weil er sie alle auf seiner Bühne hatte, ist von schwerer Krankheit gezeichnet, die ihn Tagesablauf und Stimmung aufdrängt. Siggi, der Kämpfer und Mann mit dem großen Herz, kann sich zwei schöne Stunden lang hier wohlfühlen, ehe er wieder zurück muss. Alles Gute, Siggi, und tapfer weiter kämpfen. Du gehörst hierher zu uns! So manches Gesicht habe ich eine gefühlte kleine Ewigkeit nicht mehr gesehen, zumindest aber seit dem letzten Mal hier im Holzfällerland. Es ist diese ehrliche Herzlichkeit, die stürmischen Umarmungen und die ganz persönlichen intimen Gespräche, die im Laufe der Zeit Beziehungen ermöglicht haben, die man ansonsten im normalen Alltag kaum noch finden kann. Dieser Abend ist gemacht, um viel Zeit für Geselligkeit unter Freunden und für interessante Gespräche zu haben und wenn es einen Musiker überkommt, so geschehen bei den Herren von Dr. Kinski, dann wird auch mal locker und flockig in die Saiten gegriffen und gesungen: „Have A Drink On Me“. Dies sind die simplen Momente des Glücks, für Fans und Musiker gleichermaßen, sich in nächtlicher Intimität, ohne den Druck der Öffentlichkeit, dem Spaß an der Musik hinzugeben. Ohne Steckdose, ohne Scheinwerfer und ohne Selbstdarsteller-Modus, nur mit der eigenen Spontaneität ausgerüstet. Klasse! Mein besonderer Respekt gilt, neben Kerstin und Ulli, den Damen vom „Bataillon Gaumenfreuden“, um Ute Ronz, die ständig dafür Sorge tragen, dass die Tische mit den Köstlichkeiten im Flur niemals leer werden und immer zum Naschen verführten. Und das den ganzen Abend über bis in die Nacht hinein. Mir fällt gerade nicht wirklich ein, wie man Euch allen, die irgendwo und irgendwie im Hintergrund für das Gelingen sorgten, einen Dank sagen soll. Nehmt den DANK einfach hin! In den späten Momenten aber sitze ich allein für mich. Ganz bewusst, denn manchmal rieselt leise der Kalk und dann wollen die Knochen einfach nur noch Ruhe. Ich sitze mit dem einzigen Bier des Abends und mache mir bewusst, dass ich in diesen Tagen auch schon wieder zehn Jahre Muggen-Alltag und Rockmusik-Leidenschaft aktiv (er)lebe. Zehn Jahre, die mich Dinge und Ereignisse erleben ließen, von denen ich vor dieser Zeit keinen blassen Schimmer hatte. Der Abend heute ist für mich so ein weiterer Höhepunkt, einer in insgesamt 50 Jahren, vom Teenager und Beat-Fan zum Buchautor und verrückten Musikliebhaber. Das macht mich ein wenig stolz, mit meinen fast 67 Lenzen, aber immer mehr auch leise und demütig, das alles noch mitmachen zu dürfen. Ich denke an den Blueser und an Heike, die zu besuchen ich wohl doch nicht schaffen werde. Und ich denke an einen, der den Weg auch nicht auf sich genommen hat, weil es wohl gerade nicht geht. Auch mir zeigt in diesen Momenten mein Körper die rote Karte. Die gelbe hatte er mir in der Nacht davor schon gezeigt. Ich beuge mich, mein Tank ist leer. Reserve aufgebraucht. Es fällt mir schwer, zu gehen. Im doppelten Sinne. Meine Schüttel bringt mich zum „kleinen Haus im Wald“, wo eine Liege und die Matze auf mich warten. Morgens gegen 05.00 Uhr bin ich zwar nicht ausgeschlafen, kann aber auch nicht mehr liegen. Es sind noch mindestens vier Stunden bis zum Frühstück. Mehr Zeit, als ich bis in den Harz brauche. Es macht nichts, so ist es (für mich) besser und während ich auf einer einsamen Straße durch den dunklen Wald zurück rolle, freue ich mich schon darauf, den einen oder anderen bald wieder vor einem Bühnenrand zu treffen. Oder beim zweiten Stammtisch, den es geben wird. Das Projekt „Kampf dem Krebs“ darf ja nicht ruhen! Schauen wir mal, wohin die Reise nach dem „Stammtisch Nr. 1“ gehen wird. Schöner Schnappschuß, Kundi, fein gemacht und danke!