Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Zwischen damals und heute – mal wieder bei Renft 25.01.2014 Es gibt nur sehr wenige Bands in diesem Deutschland, deren Historie so sehr von ständig neu keimender Hoffnung, von praller Lebenslust, von Mut und frecher Aufmüpfigkeit, von derben Schicksalsschlägen, von Brüchen und von Gefühlen „zwischen Liebe und von Zorn“, statt von Karrierestreben, gekennzeichnet sind. Spricht man den Namen RENFT hier in diesem Landstrich aus, kann es schon passieren, dass vielen ganz persönliche Geschichten einfallen. Vielen steht die Euphorie noch immer in den Augen, andere mögen dem heute nicht mehr folgen. Gleich ob nun Zustimmung oder Widerspruch, RENFT polarisierte schon immer, war sicher niemals angepasst und hatte als KLAUS RENFT COMBO auch schon mal zeitweilig den Zusatz „Progressiv“ im Vertragskopf stehen. Man wollte fortschrittlich sein, über Grenzen hinweg leben und das mit aller Konsequenz, aber auch mit allen Fasern des Herzens. Die Fans dankten es ihrer Band, der Staatapparat hasste sie und handelte so. Am Ende der Auflehnung gegen staatlich verordnete Kulturobrigkeit stand das Verbot, das vom Gesang über den „kleinen und großen Otto“ begleitet wurde. Was für ein Armutszeugnis der Macht und was für ein gesungener Aufschrei: „Nimm’ mich mit, oh Kapitän, auf die Reise“! Das ganze Volk jedoch hätte diese Reise niemals machen können, stattdessen hat es sich später, Ironie der Geschichte, das Reiseziel Westen ins eigene Land geholt. Da war der Traum aber längst ausgeträumt. Das waren auch meine wilden Jahre und die etwas anderen Träume, am Ende der 1960er bis 1975, mit dem Gesang der KLAUS RENFT COMBO von „Power To The People“, also „Alle Macht dem Volke“, und denen von „Gleisen wie ein Fächer in die weite Welt“ sowie dem vom „Apfeltraum“ und der „Alten Woche“. Songs ganz unterschiedlicher Stilistik, mit vielen Themen, manche weich, manche lustig und andere rotzfrech, so wie Rockmusik nach dem Verständnis der Band, aber auch deren Fans, sein sollte. Damals begann ich langsam zu begreifen, dass man Worten von Genossen nicht blind trauen darf und die entsprechende Quittung dafür bekam ich prompt schriftlich nachgeliefert. Noch heute erinnere ich mich immer wieder gern an diese Abende mit Klaus, Pjotr, Jochen, Monster, Kuno und Cäsar, den ich für sein Saitenspiel bewunderte. Diese meine Begeisterung für ihre Musik und den stillen Gitarristen hat sich als Kraftquell und in Bewunderung über die Jahre gehalten, denn sie waren diejenigen, die, neben Team 4 und einigen anderen, begannen, deutsche Texte zu singen. So transportierten sie das Hoffen und die Wünsche vieler auf eine bessere Zukunft, heraus aus dem Trott des sozialistischen Gleichmaßes, um dann irgendwo und für lange Zeit medial ignoriert zu werden. Die Fans jedoch haben die Lieder, und mit ihnen die Band, niemals vergessen wollen oder können. Als sie wieder auftraten, unter dem Signum RENFT erschienen, waren die Zwänge von Füßen und Transparenten zertreten. Die anderen neuen Zeiten aber schienen nicht mehr geeignet, Erinnerungen zu verklären. Vielleicht hätte es ein neuer Kommentar vom „Dream-Team des Ostrock“, so Kuno bei seinen Ansagen, werden können. Die Band jedoch, zeitweise gab es sogar zwei davon, schien zerstritten und der Sensenmann war schneller und viel radikaler war er außerdem. Aus all dem, und natürlich der urwüchsigen und unbändigen Kraft ihrer Musik, nährt sich der Mythos RENFT sicher bis in diese Tage. Von denen, die aus der KLAUS RENFT COMBO eine Legende schufen, leben heute noch drei und einer steht noch immer auf der Bühne. In dieser wilden Musikantentruppe hatte die Sense gewütet, wie in keiner anderen hierzulande. Das ließ die Fans stark und mitunter auch knochig werden. Sie stehen zu ihrer Band, wie sie heute existiert und freuen sich über die Musik, die heute live anders klingt als Dekaden zuvor „alles ist im Fließen, alles ist im Gehn“ und manchmal bekomme ich eben doch Lust, über blöde Befindlichkeiten hinweg, noch einmal zu einem Konzert zu fahren. Es ist die Lust, diese alten Lieder live zu hören, auch wenn sie heute leider völlig anders von den Bühnen klingen. Sei’s drum, unser Leben ist nur scheinbar angenehmer geworden, auch eine Wunschveranstaltung ist es nicht und die, „die am Hintern zu schwer und im Kopfe zu bequem sind“, sitzen noch immer überall in den Ämtern herum und viele taumeln wieder „zwischen Liebe und Zorn“. Ehe man den eigentlichen Club KL17 in Döbeln betreten kann, wird man vom Schummerlicht vorbei an einem langen Bar-Tresen und „Strand“- Nischen geleitet. Mutig schließe ich, dass KL eigentlich nur ein Synonym für „Keller-Lagune“ sein kann, denn ganz hinten geht es noch einmal einige Stufen nach unten in den Saal. Erst hier hat man auch wieder festen Boden statt Sand unter den Füßen. Jedenfalls ist der erste Eindruck ein völlig anderer als der, den man draußen auf der kalten Straße stehend erwartet. Ich bin erst mal positiv überrascht und als ich den eigentlichen Saal in Döbeln betrete, überkommt mich genau wieder dieses Gefühl, irgendwie doch noch Teil einer Gemeinschaft zu sein. Die ich hier, unter hoch oben schwebenden Leuchten, sehe, haben graue Haare, wie ich, oder gar keine mehr und sehen entspannt wie zu Hause im eigenen Wohnzimmer aus. Sie kommen von überall her, wie die Autoschilder draußen verraten haben, denn in einem sächsischen Kleinstadtidyll wie Döbeln sind sie inzwischen eine Minderheit und würden keinen Saal mehr füllen können. Auch ich habe eine reichliche Autostunde auf winterglatten Straßen hinter mir, um im Treff der alten Säcke und deren weiblicher Begleitung, aufzuschlagen. Also eingetreten in die „Keller-Lagune Nr. 17“ (?) und „Willkommen bei RENFT“, so der neue trotzige Slogan für widerborstige Ureinwohner des Ostens. Pünktlich, nach dem akademischen Viertel, werden sie von RENFT und ihrem „Liebeslied“ begrüßt. Da stehen sie also, wieder einmal, vor mir, um einige der alten Songs zu zelebrieren. THOMAS „Monster“ SCHOPPE, das letzte verbliebene Urgestein und die Legende in Person, wie einer neben mir meint. Er mit bürgerlichem Haar-Styling und schon seit Jahren ohne den Rauschebart von einst und singt uns den „Wandersmann“, von den „Flüssen und Tränen“ und dann habe ich auch wieder ein wenig dieses Gefühl, „Zwischen Liebe und Zorn“ zu sein. Neben ihm MARCUS SCHLOUSSEN, der seinen gewaltigen Basskran-Ausleger, nach einem längeren Aufenthalt im Krankenhaus, brav auf den Schoß und damit bequem im Sessel liegen hat. Respekt, in diesem Zustand überhaupt auf die Bühne zu gehen, aber Rocker bleibt eben Rocker und ein Basskran fällt so schnell nicht um. Er neigt sich bestenfalls ein wenig und zupft, direkt vor mir sitzend, liebevoll mit seinen Fingern die dicken Saiten und gibt dem Sound von RENFT, gemeinsam mit DELLE KRIESE hinter seinen Drums, das kraftvolle Rhythmusfundament, auf dem sich Flinkefinger GISBERT „Pitti“ PIATKOWSKI mit seiner Gitarre austoben kann. Die drei heizen von Beginn an die kleine Hütte kräftig ein und schon bald kann man das auch in den Gesichtern auf der Rampe sehen. Die vier Herren haben sichtlich Freude am Geschehen und lassen das auch spüren. Bei „Mama“ wird gerockt und der Groove mittels des unvermeidbaren „Rock Your Baby“ (George McKrähe) gestöhnt und ein wenig versucht der Blues durch die Gitarrensaiten zu schimmern. Spätestens jetzt ist die Erinnerung an überhitzte Tanzsäle in den frühen 70ern da und wer nach oben auf die Galerie geht, kann die unten sehen, wie sich Körper und Köpfe im Gleichmaß wiegen. Nur die „Sonne wie ein Clown“ gab es damals noch nicht, das Gefühl davon allerdings schon. Trotz der Kälte da draußen habe ich wohl einen richtig guten Tag erwischt. RENFT gedachte diesen Abend, mit Rücksicht auf den Kranausleger im Sessel, in drei gleiche Drittel zu teilen, so dass der Basskran sich ausruhen kann und die Besucher die leeren Gläser füllen dürfen. Monster ist ganz offensichtlich in allerbester Spiel- und Plauderlaune, witzelt gern mal zwischendurch und erinnert in seinen besten Momenten vorsichtig an jene Zeiten, da er sich den Ehrentitel „Monster“ erwarb. Als er „So starb auch Neruda“ intoniert und die Wucht der Akkorde krachen, als „Was noch zu sagen wär“ und das epochale „Nach der Schlacht“ erklingen, werden mir doch ein wenig die Knie weich, so stark überkommen mich die Erinnerungen an das eingeschworene Sechserpack, das einstmals diese Lieder in unvergleichlicher Manier in die Hirne und Herzen ihrer Fans brannte. Alle diese schönen Lieder wurden einst in engen Grenzen für die unendliche Ewigkeit geschrieben, ohne dass es damals jemand so empfunden hätte und darin liegt sicher auch deren zeitlose Größe. Ich liebe den „Neruda“ mit dem Kondor hoch am Himmel ebenso, wie den „Wandersmann“ und ganz besonders die „Alte Woche“, zu DDR-Zeiten von sechs aufmüpfigen Musikern der Baker Curvitz Army um GINGER BAKER und den CURVITZ Brüdern abgelauscht, um darin den realen DDR-Alltag zu spiegeln. Das ist, was diese Band vielen anderen voraus hatte und was ich in diesen drei Stunden in der „Keller-Lagune“ wieder fühle. Da blitzt plötzlich Pitti’s Gitarre mit einem Hendrix-Zitat („Voodoo Chile“), für kurze Momente kann man die „Hitze in Dosen“ (Canned Heat) fühlen und Monster versucht sich zwei Zeilen lang an „Nächten im weißen Satin“ und „The Beat Goes On“ (Sonny & Cher). Das alles ist zwar nicht mehr der originale Sound und die Zeit sowieso nicht mehr, das Gefühl aber, das mit solcher Zitaten und den eigenen Songs verbunden ist, trägt mich bis in diese Tage. Herkunft kann und muss man nicht verleugnen. Die sich an diesem Abend hier drängen, können spüren, wie die vier Herren RENFT ihre eigene „Unendliche Geschichte“, die einer trotzigen Rockband, immer weiter zu schreiben versuchen, auch wenn das Hoffen auf neue Lieder inzwischen beinahe auch im Sand der Lagune versickert ist. Getragen wird das Ereignis RENFT noch immer von den Liedern des Dreigestirns CHRISTIAN „Kuno“ KUNERT, „Monster“ SCHOPPE und natürlich CÄSAR PETER GLÄSER. Das sollte man nicht vergessen und ich habe in diesen Abendstunden auch an KLAUS den RENFT gedacht und PETER „Pjotr“ KSCHENTZ gefühlt in die Augen gesehen. Monster hat uns sein „Gänselieschen“ gesungen und hinter mir habe ich das Echo der schnatternden Gänse gehört. Beim „Apfeltraum“ dachte ich an CÄSAR und als seine „Rose“ angestimmt wird, ist auch dieser Geist der alten KLAUS RENFT COMBO und diese unverwechselbare Sehnsucht, die uns alle getragen hat, wieder zu spüren. Trotzig klingt noch einmal die Ballade vom „Otto“ und trotzig singen noch immer einige den Refrain „Hol mich nach Westen“ und doch stecken sie schon seit zwei Dekaden genau dort und nicht „Irgendwo dazwischen“. Da bin ich wieder im Zwiespalt angelangt und ein jemand in mir grinst, denn Westen ist überall und einen jüngeren Bruder vom alten „Otto“, der die aktuellen Sehnsüchte artikulieren könnte, gibt es leider (noch immer) nicht. Dabei sind die Sehnsüchte größer denn je und selbst Monster hat mehrmals am Abend „Frau Merkel“ genau daran erinnert. An diesem Abend und hier in Döbeln konnte ich sie nicht erblicken, aber das ist wohl den Krücken geschuldet, die sie tragen, sie stützen oder die eventuell beides tun? Noch einmal habe ich RENFT gesehen, noch einmal alte Lieder gehört und sie wirken lassen. Mitten im Winter habe ich in Döbeln eine unterirdische Lagune entdeckt, die zu besuchen sich wirklich lohnt. Wann ich wieder einmal bei RENFT aufschlagen werde, weiß ich nach dieser Nacht noch nicht. Mein Gefühl sagt mir, es könnte sein. Doch erst einmal suche ich nach den neuen, aktuellen und frechen Liedern „zwischen Liebe und Zorn“ und die werden gerade von anderen im Lande gesungen. Die will ich nicht verpassen, so wie ich damals unbedingt zu RENFT musste. Aber man weiß ja letztlich nie alles im Voraus und selbst im 65. Lebensjahr hat man noch richtige Träume: „Zeit für mich, weine nicht, ich behalte dein Gesicht und in der Erinnerung bleibt es lieb und schön“. Ob das Kurt Demmler vielleicht so gemeint hat?