Ray Wilson – mehr als nur Genesis Classic
05.07.2014
In
den
vergangenen
Stunden
sind
meine
Erinnerungen
weit
zurück
in
die
Vergangenheit
gewandert.
Zurück
zum
ersten
gefalteten
Brief
aus
Schottland
mit
blauen
Luftpostpapier,
an
die
ersten
Postkarten
von
den
Orkney
Inseln
und
zur
ersten
Vinyl-Single.
Später
wurden
die
Briefe
immer
dicker
und
meine
Wünsche
nahmen
konkrete
Formen
an.
Die
ersten
Langspielplatten
in
zollamtlich
geöffneten
Päckchen
erreichten
mich
und
im
Sommer
1975
hielt
ich
mein
erstes
eigenes
Album
von
Genesis
in
den
Händen:
„Selling
England
By
The
Pound“
(England
pfundweise
verkaufen).
Das
waren
stets
sehr glückliche und spannende Stunden, wenn sich wieder eine neue Scheibe auf dem Plattenteller drehte.
Daran
musste
ich
denken
und
wie
wir
uns
unter
Freunden
über
diese
Musik
in
oft
stundenlangen
Gesprächen
austauschen
konnten.
Heute
weiß
ich,
dass
mir
mein
„geiziger“
Orcadian
eines
der
besten
Genesis-Alben
und
damit
auch
eines
der
innovativsten
dieser
Stilrichtung
überhaupt
geschenkt
hatte.
Kein
Wunder
also,
dass
ich
spätestens
von
da
an
zum
glühenden
Verehrer
dieser
Musik
und
der
Band
wurde.
Das
relativierte
sich
erst,
als
Phil
Collins
nach
und
nach
eine
Pop-Gruppe
aus
dem
sperrigen
Projekt
geformt
hatte.
Den
kommerziell
erfolgreichen
Pfaden
wollte
ich
nicht
mehr
folgen,
denn
die
facettenreichen
Songstrukturen
mit
ihren
surrealistischen
Texten
oder
den
gesellschaftskritischen
Bezügen
waren
mir
allemal
lieber,
als
die
„Ich
kann
nicht
tanzen
-
Phase“.
Die
Band
füllte
damit
zwar
Stadien,
hatte
aber
für
meinen
Geschmack
an
Format
verloren.
Als
dann
Phil
Collins
das
sinkende
Schiff
verließ,
glaubte
ich
eher
an
das
Ende
von
Genesis,
denn
an
ein
Album,
das
sich
noch
einmal
rückbesinnen
könnte.
„Calling
All
Stations“
mit
dem
neuen
Sänger
RAYILSON
wurde
aber
genau
das
–
eine
Rückkehr
zu
alten
Tugenden
und
ein
widerborstiges
Aufbäumen
gegen
den
Ausverkauf
von
Stil
und
Anspruch.
Genützt
hat
es
nicht
viel,
aber
es
hat
bei
den
Fans
wenigstens
ein
gutes
Gefühl
zum Abschluss hinterlassen.
Statt
Genesis
im
Konzert,
erlebte
ich
die
Kanadier
MUSICAL
BOX
und
bekam
auf
diese
Weise
einen
guten
Eindruck
von
der
Faszination
der
frühen
Genesis
–
Jahre
mit
PETER
GABRIEL
am
Mikrofon.
Den
Meister
selbst
erlebte
ich
im
grünen
Rund
der
Jungen
Garde
und
war
begeistert.
Das
konnte
auch
ein
Regenschauer
nicht
verhindern,
der
sich
vom
Sachsenhimmel
ergoss,
so
wie
heute
am
Nachmittag.
Mit
einer
Regenplane
im
Gepäck
–
man
kann
ja
nie
wissen
-
fahre
ich
zum
zweiten
Mal
in
diesem
Jahr
zur
F60,
der
riesigen
alten
Förderbrücke
bei
Lichterfeld.
Auf
den
Plakaten
steht
in
großen
Buchstaben
„Genesis
Classic“
und
ich
möchte
wissen,
ob
damit
eher
die
klassischen
Songs
der
Band
oder
die
instrumentale
Aufstellung
der
Begleitband
von
RAY
WILSON
gemeint
sind.
Experimente
dieser
Art
müssen
nicht
zwangsläufig
von
künstlerischem
Erfolg
gekrönt
sein,
der
Einsatz
von
Streichern,
anstelle
der
für
Genesis
typischen
Keyboard-Klänge,
verheißen
einen
spannenden
Abend
an
einem
„strange
place“,
wie
es
RAY
WILSON
später
formulieren
wird.
Zu
dieser
abendlichen
Stunde
bin
ich
einerseits
sehr
neugierig,
ich
kann
aber
auch
eine
gewisse
Skepsis
nicht
verleugnen.
Das
Areal
unter
der
gewaltigen
Stahlkonstruktion
ist
gut
gefüllt
und
Regenwolken
kann
man
nur
noch
am
Horizont
erkennen,
als
auf
die
Minute
pünktlich
die
Musiker
auf
der
Bühne
erscheinen.
Von
so
viel
Pünktlichkeit
überrascht,
strömen
die
Besucher
aus
allen
Ecken
und
von
den
Ständen
zu
ihren
Plätzen.
Die
Klänge
von
„Turn
It
On
Again“
gehen
wie
ein
Ruck
durch
die
Reihen
und
ein
Jubel
bricht
los,
als
RAY
WILSON
zum
Mikrofon
tritt,
um
mit
dem
Klassiker
aus
dem
Album
„Duke“
(1980)
eine
Reise
in
die
kommerziell
erfolgreichere
Single-Welt
der
Kult-Band
zu
starten.
Es
folgen
von
„Genesis
(1983)
„That’s
All“
und
„Another
Day
In
Paradise“
(Ein
anderer
Tag
im
Paradies),
eine
Nummer,
die
Phil
Collins
1989
schrieb,
um
auf
das
Problem
der
Obdachlosigkeit
aufmerksam
zu
machen.
RAY
WILSON
nimmt
sich
dieser
Songs
aus
den
1980ern
an,
ohne
an
ihnen
spür-
und
hörbar
„gebastelt“
zu
haben.
Damit
scheint
mir
auch
der
weitere
Verlauf des Abends vorgezeichnet.
Als
RAY
WILSON
mit
„Wait
For
Better
Days“
einen
seiner
neueren
eigenen
Songs
ankündigt,
werde
ich
zum
ersten
Mall
hellhörig,
denn
diesmal
sind
es
auch
seine
eigenen
Ideen
und
Empfindungen,
die
in
dem
Lied
stecken
und
die
er
als
„dont’
see
it
as
the
end,
is
the
start
of
something
new“
ankündigt
und
erläutert.
Einen
Bruch
im
Leben
zu
spüren,
kann
auch
den
Start
in
einen
neuen
Abschnitt
bedeuten.
Der
gefühlvoll
vorgetragenen
Ballade
merkt
man
an,
wie
sehr
der
Sänger
selbst
im
Inhalt
verwurzelt
ist
und
ein
hinreißend,
von
MARCIN
KAJPER
gespieltes
Saxophon-Solo,
unterstreicht
diesen
Eindruck
noch
zusätzlich.
Jetzt
scheint
der
Sänger
ganz
bei
sich
selbst
zu
sein
und
schon
wenig
später
verstärkt
sich
dieser
Eindruck
noch
einmal.
„First
Day
Of
Change“
stammt
ebenfalls
aus
seiner
Feder
und
beschreibt
die
Situation,
dass
ein
neuer
Tag
vielleicht
auch
eine
neue
Chance
sein
kann.
Beide
Lieder
überzeugen
mich
vom
ersten
Augenblick
an,
weil
sie
tiefer
in
die
Seele
des
Künstlers
blicken
lassen,
ohne
sich
eine
Genesis-Maske
vor
das
Gesicht
halten
zu
müssen. Klasse!
Spätestens
danach
ist
es
endlich
Zeit,
den
vielen
angereisten
Fans
die
erhofften
großen
Genesis
-
Hits
von
„Carpet
„Crawler“
über
„No
Son
Of
Mine“
und
„Invisible
Touch“
zu
schenken.
Die
Band
um
den
charismatischen
Sänger
funktioniert
perfekt
und
zaubert,
mit
den
beiden
Violinen
im
Hintergrund,
den
Sound
einer
Band,
die
es
nicht
mehr
gibt.
Die
Illusion
aber,
die
hier
unter
dem
Stahlriesen
am
Rande
eines
unheimlich
großen
ehemaligen
Tagebaus
entsteht,
versetzt
die
Massen
in
Stimmung
und
sorgt
sogar
dafür,
sich
am
Rande
des
Areals
in
Tanzbewegungen
zu
üben.
Für
einen
Moment
erliege
auch
ich
dieser
Magie
und
so
stelle
ich
mir
vor,
dort
vorn
würden
neben
RAY
WILSON
noch
immer
TONY
BANKS
und
MIKE
RUTHERFORD,
das
letzte
Genesis-Line-Up,
auf
der
Rampe
stehen.
Was
für
eine
tolle
Vorstellung,
die
Band
gäbe
es
noch
als
Trio
und
sie
würden
die
kleinen
Klubs
und
Festivals
besuchen.
Doch
„Inside“,
der
große
Überraschungshit
von
STILTSKIN
mit
RAY
WILSON
als
Shouter,
holt
mich
mit
seinen
Grunge
-
Facetten
wieder
zurück
in
die
Realität.
Es
kracht
wie
vor
zwanzig
Jahren,
als
der
Song
die
Charts
stürmte
und
ein
junger
sympathischer
Schotte sich anschickte, eine große Karriere zu starten – und jetzt ist er hier und versetzt die F60 in Schwingungen.
Inzwischen
ist
es
dunkel
geworden.
Der
Stahlriese
zeigt
seine
Positionslichter
und
im
weißen
Kegel
eines
Spots
schreit
das
Saxophon
sein
Solo
in
die
Nacht,
das
schließlich
in
„Not
About
Us“
mündet.
Es
ist,
nach
„Congo“,
der
zweite
Song
des
Abends
vom
finalen
GENESIS
–
Album,
das
RAY
WILSON
mit
seiner
Stimme
geprägt
hat.
Das
ruhige
Stück
mündet
in
der
Schmuse-Ballade
„One
More
Night“
und
diese
wiederum
in
ein
Solo
für
DAREK
TARCZEWSKI
an
den
Tasten.
Nachdem
auch
„Follow
You,
Follow
Me“
verklungen
ist,
gibt
uns
RAY
WILSON
mit
„Change“
noch
einmal
Einblick
in
sein
Schaffen
als
Solist
und
in
seine
Gedankenwelt.
Der
Song
beschreibt
sehr
beeindruckend
das
Zustand,
mit
sich
selbst
im
Reinen
zu
sein
oder
wie
es
RAY
WILSON
bei
seiner
Ansage
formulierte:
„Beeing
happy
with
who
you
are“.
Da
bin
ich
ganz
und
gar
bei
ihm
und
fühle
mich
als
„freischaffender
Musikjournalist“,
wie
mich
der
Veranstalter
verschmitzt
nannte,
bestätigt.
Wieder
einmal
hängt
sich
der
Sänger
seine
Gitarre
um
und
dann
ist
das
Intro
von
„Solsberry
Hill“,
von
zwei
Gitarren
synchron
gespielt,
zu
hören.
Wie
auf
ein
anonymes
Kommando
steht
jetzt
fast
jeder
im
Rund,
um
sich
klatschend
im
Takt
zu
wiegen.
Mit
einem
weiteren
Höhepunkt
wird
jetzt
langsam
das
Finale
eingeläutet.
DAREK
am
Piano
begleitet
ALICJA
CHRZASZCZ
bei
„Blood
On
The
Rooftops“,
einem
solistischen
Ausflug
mit
der
Violine.
Als
mit
BASIA
SZELAGIEWICZ
die
zweite
Dame
mit
ihrer
Violine
in
das
Spiel
einsteigt,
werden
rockige
Klänge
mit
Zitaten
aus
Vivaldi’s
„Der
Fühling“
wild
und
gekonnt
von
den
beiden
Ladies
miteinander
vermischt.
Die
Euphorie
in
den
ersten
Reihen
erreicht
endlich
ihren
Höhepunkt
zu
den
Klängen
von
„Land
Of
Confusion“
und
„Mama“.
RAY
WILSON
lebt
beide
Klassiker, inklusive der „Spotszene“, genüsslich aus, verabschiedet sich und verlässt die Bühnenbretter ….
….
um
wenige
Augenblicke
später
wieder
für
„Calling
All
Stations“,
dem
Song
und
Album,
das
ihm
zum
Genesis-Sänger
machte,
zurück
zu
kommen.
Die
Wucht
der
Klänge
kracht
von
da
oben
in
die
Massen,
die
sie
dankbar
aufnehmen
und
ihrer
Begeisterung
längt
die
Zügel
abgestreift
haben.
Es
ist
kaum
zu
glauben,
dass
dieses
letzte
Album
von
Genesis,
mit
RAY
WILSON
als
Sänger,
auch
schon
wieder
mehr
als
15
Jahre
her
ist,
denke
ich
mir,
während
unter
mir
die
Boss-Box
pulsiert
und
ihre
Stöße
ausspuckt.
Etwas
wehmütig,
aber
auch
glücklich,
hier
vor
der
Rampe
diesem
Mann
mit
seiner
markant-rauchigen
Stimme
direkt
in
die
Augen
sehen
zu
können,
fühlen
sich
die
Empfindungen
in
mir
an.
Es
ist,
wie
mit
manch
anderen
meiner
Helden
aus
längst
vergangenen
Zeiten
auch.
Ich
bin
innerlich
tief
bewegt,
die
Musik
noch
live
erleben
zu
dürfen,
aber
auch
irgendwie
traurig
zu
spüren,
dass
das
Original
wohl
für
alle
Zeiten
nicht
mehr
erreichbar
sein wird, fast wie eine „unsichtbare Berührung“.
Nach
dem
Konzert
bin
ich
aufgewühlt,
glücklich
und
habe
mich,
wie
viele
andere,
mit
Handschlag
von
einem
großartigen
Sänger
verabschiedet.
So
etwas
wie
ein
Genesis-Gefühl
hat
sich,
im
Gegensatz
zum
Konzert
von
MUSICAL
BOX
aus
Kanada,
bei
mir
nicht
einstellen
wollen,
dafür
aber
die
Begeisterung
für
einen
Sänger
mit
Stimme
und
ohne
Allüren.
Der,
im
Vergleich
zu
mir,
um
knappe
zwanzig
Jahre
jüngere
Künstler
hat
uns
eben
seine
Hits
von
Genesis
präsentiert
und
dies
in
seiner
ganz
eigenen
und
unverwechselbaren
Art
als
Rocker.
Den
Zusatz
„classic“
habe
ich
für
mich
gestrichen,
er
ist
unnötig,
denn
RAY
WILSON
steht
für
sich.
Vielleicht
geht
er
ja
noch
einmal
auf
Tour
und
dann
ohne
meist
die
Lieder
von
Genesis
auf
der
Set-List
zu
haben.
Dann
würde
ich
gern
noch
einmal
diesem
RAY
WILSON
zu
einem
seiner
Konzerte
folgen und sei es in den fernen Harz.