Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
QuoTime rocken die Zwillingstürme von Halberstadt 01.09.2023 Die großen und innovativen Beat-Songs der 1960er Jahren, sie alle waren meine Initialzündungen in Sachen Rockmusik. Alles, was damals neu und ungewöhnlich aus dem Dampfradio sprudelte, war mein Ding. Vom brachialen „My Generation“ der Who, über „Nowhere Man“ der Beatles, dem „Itchycoo Park“ der Small Faces bis zu den „Pictures Of Matchstick Men“ von Status Quo - sie alle hatten bei mir leichtes Spiel. Viele dieser Hits spielte ich mit Begeisterung und glänzenden Augen in der Schulband nach. Die Idole meiner Jugend einmal live zu erleben, war mir nicht vergönnt. Ich wurde zwar im richtigen Jahr, aber am falschen Ort geboren. Erst viel später hatte ich die Chance, die Truppe um Francis Rossi und Rick Parfitt auch live zu sehen ( HIER ). Doch die Bands meiner Jugendjahre haben, falls überhaupt noch live zu erleben, schon einige ihrer Originalmitglieder verloren. Zum Glück gibt es Kapellen wie Physical Graffiti ( HIER ), das grandiose Tribut an Led Zeppelin, Echoes ( HIER ), die faszinierende Pink Floyd - Show oder auch QuoTime, die sich dem boogie-getränken Erbe von Status Quo verschrieben haben. Sie alle präsentieren die Musik ihrer Helden mit viel Liebe zum Detail und authentischer Attitude. An diesem Wochenende rocken QuoTime direkt vor meiner Haustür und ich sollte unbedingt dabei sein, zumal der Kauf eines (teuren) Tickets dafür nicht nötig ist. Bis zum Fischmarkt laufe ich zehn Minuten. Dort feiert ein Einkaufstempel das 25-jährige erfolgreiche Konsumentenverhalten der Bürger. Ein Riesenrad sorgt für Höhenflüge, die Buden für Gaumenfreuden und eine kleine Bühne für Rock’n’Roll & Boogie. Unter den Zwillingstürmen der Martinikirche feiert die Halberstädter Völkergemeinschaft schon fröhlich, als ich eintreffe. Der Nieselregen hat überall feuchte Spuren hinterlassen, ein trockenes Plätzchen zum Sitzen und Sehen findet sich trotzdem. Als es blau wird auf der Bühne, kündigen Boogiefetzen an, was das Volk schon bald in Bewegung und Verzückung versetzen wird: QuoTime. Aus dem blauen Dunst knallt ein bekanntes Boogie-Riff gegen die Häuserwände, die werfen es zurück und dann schallt der Chorus „Come on, sweet Caroline“. Tanzende Schatten zucken vor der Bühne im quodelnden Boogie-Rhythmus. Die Band ist von der Leine gelassen und beginnt, den Markt zu rocken. Auf die süße „Caroline“ folgt „The Wanderer“, eigentlich eine steinalte Nummer aus den frühen 1960er Jahren, und „What You’re Proposing“ ist auch’n guter Vorschlag zum Abrocken. Die quodelnde Party hat begonnen. Die beiden Gitarristen klampfen in typischer Rossi-Parfitt-Pose, ihr schulterlanges Haar erinnert mich an selige Zeiten eines besonderen Lebensgefühls, das einige wenige mit hierher geschleppt haben. In meinem Inneren brodelt es, doch als die kleine „Erkennungsmelodie“ ertönt, bricht in mir Jubel aus. „Bilder von Streichholzmännchen“, was für ein schönes, surrealistisches Bild aus Psychedelic-Zeiten in bunten Hippie-Klamotten. Love & Peace waren die übermütigen Zeichen der Tage, die vieles änderten. Die „Pictures Of Matchstick Men (And You)“ sind geblieben. Ich lausche den Klängen und bin glücklich, jene faszinierende Musikperiode miterlebt zu haben, während auf der Rampe wild und hemmungslos in die Saiten gegriffen wird. Davor tanzt eine bunt durcheinander gewürfelte Meute. Mancher stolpert sich auf diese Weise bis zum Ende der Party, andere genießen verzückt blickend diese Gitarrenklänge. Als „The Oriental“ die Bühnenbretter entert, wird das Gedränge davor noch dichter und die Jubelrufe noch lauter. Es herrscht Volksfeststimmung in allen möglichen Hautfarben und da hinein knallt „Gerdundula“ mit ihrem orientalischen Touch. Jetzt gibt es kein Halten mehr, das wilde Hüpfen im Kreis der Kulturen ist allgegenwärtig. Auf der Bühne verhakeln Gitarrist Kai-Uwe Scheffler und Bassmann Thomas Gropp die Arme und greifen sich wechselseitig in die Saiten zweier Lead-Gitarren, während Stefan Furtner mit der dritten Gitarre, im Verbund mit Drummer Michael Schreiner, den knackigen Rhythmus beisteuert. Was für ein harmonisches Bild, was für eine Stimmung! Immer wieder stehen diese drei Saitenzupfer dicht nebeneinander, schwenken die Gitarrenhälse und wiegen sich, ihren Vorbildern nacheifernd, im Boogierhythmus. Die Scheinwerfer flackern und die grellen Spots tasten sich über die Menge und Buden hinweg gegenüber an die Wand des Einkauftempels und das alles zu den Gesängen von „In The Army Now“. Quotime heizen ein, der Kessel brodelt und die Zwillingstürme vom Martini wiegen sich im Takt dazu. Wer sagt denn, dass in Halberstadt nichts los sei? Man muss nur dabei sein und sich mittendrin bewegen. Die Band heizt ohne Unterbrechung weiter ein: „Roll Over Lay Down“, „Hold You Back“, „Don’t Waste My Time“. Ein Knaller folgt dem nächsten und auf der Bühne glühen die Saiten von Gitarren und Bass. Schließt man die Augen, meint man tatsächlich, das Original live zu hören. Es ist so schön, nach dem begeisternden Konzert vom „Wilden Garten“ in Wernigerode ( HIER ) schon wieder knallige Rock-Klänge zu spüren, mittendrin zu sein. Der Boogie peitscht, meine Knie wippen und leise singe ich „Down down, deeper and down“ im Chor der Meute. Im Dunkel der Nacht tanzen jetzt nur noch Silhouetten vor der Bühne, Hautfarbe, Kleidung, nüchtern oder nicht es spielt keine Rolle, wenn ausgelassen zu Rockmusik von QuoTime, sprich Status Quo, getanzt wird. Musik verbindet, man erlebt sie gemeinsam und genau das passiert in dieser späten Stunde. Inmitten von „Don’t Waste My Time“ wummert ein Schlagzeugsolo in die Nacht. Die Beats treffen die Fassaden der Häuser, werfen sie zurück und wirbeln sie durcheinander. Michael Schreiner haut auf die Becken und Felle, das die Zwillingstürme wackeln. Nur das Riesenrad hinter dem Rathaus dreht davon unbeeindruckt seine langsamen Kreise. Hier dagegen gibt es, was alle wollen - „Whatever You Want“. Die auf dem Markt wollen wilden Boogie und puren Rock’n’Roll, die Musiker auf der Bühne Applaus. So steht es deutlich sichtbar auf der Gitarre von Kai die Show ist am Ende, doch der Jubel noch nicht. Erst als „Rockn’ All Over The World“ von der Bühne dröhnt, singen und tanzen sich alle in die finale Stunde vor Mitternacht. Einer der ultimativen Boogie-Hits, übrigens aus der Feder von John Fogerty, beendet letztlich den ausgelassenen Rock’n’Roll-Abend. Endlich haben auch die Zwillingstürme wieder ihre Ruhe, dürfen sich auf ihre Fundamente stützen und einfach nur in den nächtlichen Himmel ragen. Rockmusik ist vor allem erst einmal Spaß und Lebensfreude. Davon schenkte mir die Musik von Status Quo an diesem Abend mehr als genug, machte mich zum glücklichen Rock-Rentner. Die beiden Türme der Martinikirche sind meine stummen Zeugen. DANKE QuoTime, es war mir ein Vergnügen, dabei zu sein.