Klamotte, Ulk & Rock’n’Roll - POSSENSPIEL live
06.10.1982
Es
gab
eine
Zeit,
da
waren
Insterburg
&
Co.
für
mich
die
einzigen,
die
Musik,
Gaudi
und
Klamotte
so
miteinander
kombinierten,
dass
daraus
trotzdem
gehobene
Unterhaltung
oberhalb
der
Gürtellienie
geworden
ist
und
die
Vorgänge
im
Kopf
über
die
des
Bauches
dominierten.
Insterburg
&
Co.
sind
inzwischen
leider
Geschichte
und
die
sensible
Linie
ist,
dank
einiger,
die
sich
Comedian
nennen
dürfen,
gefallen
und
damit
auch
das
Niveau.
Vielleicht
ist
auch
das
ein
guter
Grund,
sich
an
gehobenen
Klamauk
für
Zwerchfell
und
Kopf
zu
erinnern,
auch
wenn
einem
dabei
der
große
verlust
schmerzlich
bewusst
wird.
Als
ich
Anfang
der
1980er
Jahre
POSSENSPIEL
für
mich
entdeckte,
waren
KNIPPE
&
Co.
so
etwas
wie
ein
Geheimtipp
in
der
DDR.
Man
erzählte
sich
damals
die
tollsten
Geschichten
von
ein
paar
Typen,
die
aussähen
wie
die
Brüder
von
Rumpelstilzchen,
von
skurrilen
Songtexten
und
Blödeleien
auf
der
Bühne
und
von
Konzerten,
bei
denen
man
aus
dem
Lachen
nicht
mehr
rauskommen
würde.
Ihr
Auftritt
während
der
„VI.
Werkstattwoche
der
Jugendtanzmusik“(1983)
–
das
war
die
höchstoffizielle
Formulierung
-
im
abendlichen
Musikantenklub
von
Suhl
nach
einem
Puhdys-Konzert
wird
mir
ewig
in
Erinnerung
bleiben.
Die
bauten
in
aller
Seelenruhe
ihre
Instrumente
auf.
Dann
ging
einer
dieser
komisch
aussehenden
Typen
mit
einem
Struwelkopp
und
Rauschebart,
HANS
KNIPPENBERG,
zum
Mikro,
sagte
„Jut’n
Abn’d“
und
so
etwas
wie:
„Wir
spielen
jetzt
von
der
Gruppe
Baum
das
Lied
“Alt
wie
ein
Puhdy”
und
meine
Gitarre
kann
ick
och
so
schmeißen,
wie
der
Herr
Kirr.“
Er
nahm
eine
kleine
aufblasbare
Gummigitarre
und
warf
sie
über
unsere
Köpfe
hinweg.
Von
diesem
Moment
an,
bis weit nach Mitternacht, blieb im Suhler Musikantenklub kein Auge mehr trocken. Die Kehlen sowieso nicht.
HANS
„Knippe“
KNIPPENBERG
als
Gitarrist
und
Sänger,
der
Schlagzeuger
DETLEF
TOPOLINSKI
sowie
MALTE
FREYER
am
Bass,
hatten
zuvor
schon
bei
ERDMANN
&
CO.
muggender
Weise
die
Gegend
unsicher
gemacht.
An
der
Gitarre
blödelte
BERND
MEYER
und
zeigte
sich
gern
in
kurzen
Hosen
und
dünnen
Beinen.
1981
stieß
HANS-JÜRGEN
MEYER,
ein
Kolloß
mit
Rauschebart,
als
Frontmann
von
der
Gruppe
CENTRIC
zu
ihnen
und
die
„Blödeltruppe“
war
perfekt.
Mit
Blödelei
allerdings
hatte
das
Projekt
nichts
zu
tun.
POSSENSPIEL
zelebrierten
beißende
Satire
vom
Feinsten
und
der
Ulk
hatte
immer
auch
einen
handfesten
Hintergrund
im
prallen
Leben.
Man
mußte
sich
die
Texte
schon
sehr
genau
zu
Gemüte
führen,
um
die
Doppeldeutigkeiten,
Anspielungen
und
Frozzeleien
zu
erkennen,
über
die
man
sich
dann
als
„gelernter“
DDR-Bürger
vor
Lachen ausschütten konnte.
Bei
mir
standen
POSSENSPIEL
am
6.
Oktober
1982,
es
war
der
Vorabend
des
alljährlichen
Republikgeburtstages
(!),
auf
der
Bühne
und
fackelten
dort
ihre
mit
Spitzen,
Seitenhieben
und
frechen
Untertönen
gespickte
Show
ab.
Diese
truppe,
genannt
auch
„Berlin’s
Schmunzelrockspektakel
Nr.
1“
nahm
an
diesem
Abend,
wie
sonst
auch,
kein
Blatt
vor
den
Mund
und
die
fünf
Herren
ließen
es
gehörig
krachen.
Schon
die
Geschichte
von
„Hänsel
und
Gretel
(die
woll’n
zur
Disco
geh’n)“
war
dem
prallen
Leben
abgelauscht
und
provozierte
Lachsalven
und
mit
„Auf
dem
Korridor
(der
Künstleragentur)“
verarbeitete
„Knippe“
ganz
sicher
auch
eigene
Erfahrungen
im
Umgang
mit
der
KGD
(Konzert-
und
Gastspieldirektion)
oder
den
Ministerien für Kultur.
Eine
Geschichte
ganz
anderer
Art
knüpft
sich
an
den
Song
„Wann
komm’
wa’n
bloß
im
Kreuzworträtsel
vor“.
Einst
sangen
in
den
USA
Dr.
Hook
&
The
Medicine
Show
von
ihrem
Wunsch,
endlich
mal
auf
dem
Cover
des
berühmten
Musikmagazines
„Rolling
Stone“
erscheinen
zu
dürfen
–
„Cover
Of
The
Rolling
Stone“
hieß
der
Song
aus
dem
Jahre
1972.
Ebenso
satirisch,
aber
durchaus
auch
mit
ernst
gemeinten
Hintergedanken
und
dem
Wunsch
nach
mehr
Öffentlichkeit,
hatten
POSSENSPIEL
ihren
Song
gemeint.
Kein
Wunder
also,
daß
die
Band
zu
jener
Zeit
öfter
mal
im
Kreuzworträtsel
gefragt
wurde,
genau
so,
wie es Dr. Hook zum Titelbild beim „Rolling Stone“ geschafft hat.
Zum
Programm
gehörten
natürlich
die
großen
Hits,
wie
jener
Song
über
den
ganz
normalen
Ostseeurlaub
im
kleinen
Land,
den
man
natürlich
auf
Hiddensee,
Rügen
oder
Usedom
verbrachte.
„Sommer,
Sonne,
Sonnenbrand“
nimmt
genau
dieses
Gefühl
und
das
Strandgewimmel
satirisch
auf’s
Korn
und
walzt
es
genüßlich
aus
bis
hin
zu
der
Schlussffrage:
„Was
woll’n
wir
denn am Schwarzen Meer?“. Ich jedenfalls konnte mir keinen Auslandsurlaub leisten, gleich gar nicht am schwarzen Meer.
Gleiches
machten
sie
mit
„Wer
wirft
so
spät
nach
Mitternacht
noch
Käse
in
den
Fahrstuhlschacht“,
wobei
die
Herren
KNIPPENBERG
und
MEYER
mal
locker
das
Wort
„Käse“
durch
„Oma“
ersetzten
und
damit
heftige
Lachsalven
ernteten.
In
diesem
Lied
werden
die
vielen
kleinen
Unzulänglichkeiten
und
Sündenfälle
der
Mitbürger
gehörig
auf
die
Schnippe
genommen
und
so
mancher
mußte
sich
gefallen
lassen,
einen
riesigen
Spiegel
vor
die
Nase
gehalten
zu
bekommen.
Manchmal frage ich mich noch heute, wo der Spiegel abgeblieben ist.
Mein
persönlicher
Höhepunkt
war
immer,
wenn
Knippenberg
mit
seiner
Band
laut
davon
träumte
„die
Stones
kaputt
zu
spielen“ und über die Entwicklung der schönsten Rockmusik „Made in DDR“ philosophierte. Nichts war ihm wirklich „heilig“.
Sehens-
und
hörenswert
auch
der
Teil,
da
Knippenberg
die
„neuesten
Nachrichten“
der
Aktuellen
Kamera
auf’s
Korn
nimmt
und
als
Herr
„Feldmaus“
durch
den
selbst
gebastelten
Bildschirm
von
POSSENSPIEL-TV
schielt.
Auf
diese
Weise
folgte
ein
Lacher
dem
nächsten
und
nur
manchmal,
während
sie
ihre
Lieder
spielten,
hatte
man
die
Ruhe,
dem
Zwerchfell
eine
Pause
zu gönnen.
POSSENSPIEL
war
ein
Live-Ereignis
der
ganz
besonderen
Art,
ein
Farbtupfer
im
Musikalltag
und
agierte
in
einer
Nische,
aus
der
sich,
außer
MTS,
keiner
traute
lauthals
Musik
und
Satire
zu
machen,
ohne
wirklich
ein
Blatt
vor
den
Mund
nehmen
zu
wollen.
Das
machte
POSSENSPIEL
so
einmalig
und
mit
diesem
inhaltlichen
Konzept
und
der
Power
und
den
Ideen,
die
in
den
Herren
steckten,
hätten
sie
auch
locker
die
politische
Kehre
in
diesem
kleiner
Land
als
360°-Drehung
entlarvt
und
verarbeitet. Es hat leider nicht sollen sein.
Genau
vor
20
Jahren,
am
15.
August
1989,
kam
der
Sänger,
Erzkomödiant
und
Rauschebartverehrer
HANS-JÜRGEN
MEYER
durch
plötzlichen
Herzstillstand
um’s
Leben.
“Er
hatte
schon
immer
Probleme
mit
dem
Herzen”,
so
Knippe
zu
mir
am
Telefon”.
Zu
hoher
Blutdruck,
sein
Hausarzt
hatte
ihn
gewarnt
vor
dem
wilden
Leben
mit
„Sex
&
Drugs
&
Rock’n’Roll“
und
den
vielen
Muggen
in
der
DeDeR
-
schade
und
unheimlichb
traurig.
Ein
POSSENSPIEL
ohne
ihn
konnte
sich
Hans
„der“
Knippenberg nicht vorstellen. Ich auch nicht!
In Erinnerung an Heinz-Jürgen Meyer, gewidmet allen POSSENSPIELERN.
Die dazugehörige Autogrammkarte der Ulk-Rocker.