Begegnungen – die Kunst einer „Schaulustigen“
19.06.2015
Vernissage von Annedore Policek zu ihrem 80. Geburtstag mit Live-Musik von Warnfried Altmann, Saxopphon.
Nichts
im
Leben
ist
so
beständig
wie
die
Neugier
und
die
Veränderung.
Ich
kenne
ein
Lied
aus
längst
vergangenen
Singezeiten,
das
Knüpflied
auf
eine
Unruhestifterin,
das
wir
einst
darüber
sangen.
Das
habe
ich
im
Kopf,
als
ich
in
Halberstadt
über
den
Holzmarkt
auf
eines
dieser
Gotteshäuser
zugehe.“
Wenn
die
Neugier
nicht
wär“
und
nicht
ein
mir
gut
bekannter
Musiker
bei
dieser
Ausstellung
in
der
Stadtkirche
St.
Martini
zu
seinem
Instrument
greifen
würde
–
und
deshalb
trete
ich
ein
„mit
meinen
staubigen
Schuhen“*.
Drinnen
ist
es
wirklich
so,
dass
mich,
so
wie
es
im
Lied
besungen
wird,
Stille
in Empfang nimmt. Mein Gott, was für ein gewaltiger Raum und ich halte erst einmal inne. Keinen Schritt weiter.
Von
außen
wirkt
dieses
Gebäude
gar
nicht
so
wuchtig,
wie
mich
dieser
Innenraum
gerade
staunend
macht.
Heute
wird
die
Ausstellung
einer
Halberstädter
Künstlerin
eröffnet
und
WARNFRIED
ALTMANN,
der
Virtuose
mit
dem
Saxophon,
wird
dazu
einen
gebührenden
Klangrahmen
entstehen
lassen.
Dies
ist
der
eigentliche
Grund
für
mich,
hier
zu
sein
und
die
Neugier,
wie
ein
Saxophon
solo
klingen
mag.
Dass
diese
Ausstellung
der
ANNEDORE
POLICEK,
unter
dem
Motto
„Begegnungen“,
jedoch
das
gesamte
Kircheninnere
füllen
könnte,
habe
ich
mir
in
meinen
kühnsten
Vorstellungen
nicht
erträumen
wollen.
Plötzlich
ist
alles
viel
größer,
viel
weiter,
viel
höher
und
irgendwie
auch
leichter,
als
noch
vor
wenigen
Sekunden
draußen
vor
der
Tür.
Und
dennoch
kann
ich
drinnen
nicht
sagen,
dass
es
mich
erschlagen
würde.
Es
ist
nur
so
unerwartet
umfangreich
und
so
wahnsinnig viel gefühlter Raum.
Bis
zum
diesem
Moment
weiß
ich
nichts
von
und
über
die
Künstlerin.
Später
wird
mir
WARNFRIED
ein
wenig
von
ihr
erzählen.
Er
tut
dies
mit
viel
Achtung
und
ich
ahne,
auch
der
vielen
Gäste
wegen,
dass
ich
gerade
einen
besonderen
Moment
miterleben
darf.
Die
Künstlerin
ist
in
diesem
Jahr
80
geworden
und
das
wäre
wohl
Grund
genug,
so
Pfarrerin
Hannah
Becker,
sie
nun
endlich
mit
einer
Ausstellung
in
diesen
restaurierten
und
historischen
Mauern
ihrer
Heimatstadt
zu
ehren.
Wenn
dieser
imposante
Kirchenbau
mit
seinem
beeindruckenden
Inneren
der
rechte
Ort
für
eine
Vernissage
ist,
dann
erlebe
ich
gerade
einen
Hauch
Kunst-
und
Heimatgeschichte,
so
etwas
ähnliches,
wie
einen
Klangwechsel
beim
Cage-
Projekt. Etwas, das nur sehr selten und in einem angemessenen Rahmen zelebriert wird.
Der
Musiker,
der
mich
eigentlich
hierher
gelockt
hat,
eröffnet
mit
einem
Solostück
die
Ausstellung.
So
ruhig
und
voll
schwebender
Jazz-Klänge
habe
ich
noch
nie
einen
Kirchenraum
erlebt.
Diese
Musik,
die
WARNFRIED
ALTMANN
seinem
Tenorsaxophon
entlockt,
hat
für
mich
etwas
von
einem
Gebet:
sehr
ruhig,
eindringlich,
warm
und
ungemein
harmonisch
füllt
der
Klang
die
hohen
Räume
aus
und
ich
entdecke,
dass
dieser
Raum
auf
eine
besondere
Weise
mitzuspielen
scheint.
Es
sind
die
Pausen,
die
der
Musiker
bewusst
einsetzt,
in
denen
der
Raum
seinen
ganz
eigenen
Klang
mit
dem
Ton
ausbilden
kann. Was für eine Erfahrung, die ich mir da gerade ganz persönlich, still und heimlich, zuschreiben darf!
Die
künstlerische
Arbeit
der
ANNEDORE
POLICEK
erweist
sich
für
mich
von
einer
ungeheuren
Vielfalt.
Beim
langsamen
Gehen,
meinen
„Schritten
das
Schreiten
zu
lehren“*,
eröffnet
sich
mir
eine
gemalte
expressive
Farbenpracht
von
hell
leuchtend
bis
düster
und
melancholisch.
Ich
stehe
vor
Formen,
die
der
Natur
abgelauscht
und
verfremdet
scheinen.
Vielleicht
sind
es
auch
sehr
persönliche
Stimmungen,
vom
Malen
und
Gestalten
erzählend,
die
sich
spiegeln.
Von
hoch
oben
herab,
wie
scheinbar
aus
dem
Nichts
heraus,
hängen
großflächige
Arbeiten
vor
vom
Licht
durchfluteten
Fenstern
und
dann
wiederum
stehe
ich
vor
skizzenhaften
Blättern,
nur
in
schwarz
weiß
gehalten,
die
sich
an
die
dunkle
Wand
schmiegen.
All
dies kann ich beim Durchschreiten des Kirchenraumes sehen, zu entdecken aber gibt es wesentlich mehr.
In
ihren
Eröffnungsworten
nennt
Pfarrerin
Hannah
Becker
die
Künstlerin
eine
„Schaulustige“,
eine
die
mit
viel
Lust
auf
ihre
Umgebung
schaut,
um
sie
auf
individuelle
Weise
zu
brechen
und
mit
ihrer
Kunst
zu
spiegeln.
Und
diese
Lust,
das
lebendige
Leben
zu
beschauen,
überträgt
sich
auf
den
Betrachter.
Die
nachfolgenden
Redner
würdigen
das
Wirken
der
Künstlerin
und
zeichnen
ihren
Lebensweg
nach.
Für
mich
ist
das
Anlass,
mich
nach
hinten,
unter
die
Orgel,
zurück
zu
ziehen,
nur
den
Geräuschen
der
Zeremonie,
nicht
aber
den
Worten
zu
folgen,
um
das
Geschehen
wirken
und
vielleicht
auch
reifen
zu
lassen.
Ich
bin
auf
besondere
Weise
überwältigt,
zu
aufgekratzt,
als
dass
ich
den
Ausführungen
eines
Mitgliedes
aus
dem
Barheine
– Beirat konzentriert folgen möchte oder könnte.
Als
WARNFRIED
ALTMANN
wieder
aus
dem
Schatten
der
Bögen
hervortritt,
glaube
ich
meinen
Ohren
nicht
zu
trauen.
Eine
Maultrommel
erklingt.
Unter
den
gewaltigen
Deckenbögen
des
Gotteshauses
schwirrt
nun
ein
intimer
Klang,
den
der
Musiker
parallel
mit
seiner
Stimme,
die
er
wie
ein
Instrument
nutzt,
begleitet.
In
diese
entstehende
Spannung
hinein
singt
WARNFRIED
dann
eine
Melodie,
deren
drei
Strophen,
a
capella
gesungen,
im
Wechsel
mit
dem
Klangspiel
der
Maultrommel,
mich berühren, mich tief in meinem Innern treffen:
„Es liegt etwas auf den Straßen im Land umher …
Ich hab’ auf den Straßen verlaufen sieben Paar Schuh’ …
Und alle Straßen im Lande sagen: ‚Kehr heim!’ „
Das
Lied
klingt
mit
einem
Chorus,
vom
Saxophon
gespielt,
aus
und
der
das
Instrument
singen
lässt,
schweift
damit
in
die
freie
Improvisation
ab,
begibt
sich
in
ein
erdachtes
Zwiegespräch
mit
den
Farben
und
Formen
der
ausgestellten
Kunstobjekte,
so
mein
Empfinden.
Man
könnte
diese
Zeremonie
auch
als
Performance
begreifen.
Ich
habe
für
Momente
das
Gefühl,
irgendwie
ein
Teil
des
Ganzen
zu
werden.
Das
ist
Gänsehaut
pur.
Minuten
später
fühle
ich
noch
einmal
gleiches,
während
WARNFRIED
ALTMANN
auf
ähnliche
Weise
die
abschließende
Laudatio
im
Spiel
des
Saxophons
ausklingen
lässt.
Dieser
scheinbar
überschwänglich
gigantische
Kirchenraum
lässt
selbst
die
gehauchten
Töne
des
Instruments
in
die
tiefsten
Winkel meiner Gehörgänge gleiten. Das hier zu erleben, ist einfach nur fantastisch und überwältigend.
Als
sich
die
Menschentraube
in
den
Raum
hinein
auflöst,
stehe
ich
noch
eine
kleine
Weile
an
einer
der
Säulen,
die
das
Gebäude
zu
stützen
scheinen.
In
mir
klingt
es
noch
immer
nach
und
wie
einem
Zwang
folgend,
schreite
ich
noch
einmal
Teile
der
Ausstellung
ab.
Ich
habe
das
Gefühl,
etwas
mit
nach
Hause
nehmen
zu
müssen.
Etwas,
das
mich
daran
erinnern
kann,
dass
ich
wieder
ein
kleines
Stück
NEUES
für
mich
entdeckt
habe,
um
eine
weitere
Erfahrung
im
neuen
Umfeld
reicher
bin.
Letztlich
fällt
meine
Wahl
auf
den
kleinen
Katalog
zu
der
Ausstellung,
den
ich
mir
von
ANNEDORE
POLICEK,
gleich
neben
dem
Jahrhunderte
alten
Taufbecken,
signieren
lasse.
Wieder
draußen,
stehe
ich
vor
dem
Gotteshaus,
mein
Blick
klettert
an
den
beiden
Türmen
ganz
nach
oben
und
es
geht
mir
einfach
nur
gut.
Hätte
mich
jemand
vor
ein
paar
Jahren
nach
Halberstadt
gefragt,
mir
wäre
sicher
nichts
anderes
als
Würstchen
eingefallen.
Es
hat
sich
inzwischen
eine
neue,
ungeheure Vielfalt in mein Leben gedrängelt und die hat dort vieles verändert!