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Open-Air im Klostergarten – Irish Folk & Dylan-Songs 28.08.2022 Das Kloster Huysburg kenne ich inzwischen gut. Ich besuche diesen Ort gern, zumal, wenn Musik den Liebhaber hier besonderen Hörgenuss verspricht. Auch heute lockt sie mich wieder und diesmal gleich in zweifacher Hinsicht. Im Klostergarten werden Irish Folk und Lieder von Bob Dylan live dargeboten. Das reizvolle Ambiente, altes Gemäuer in dichtem Wald, verspricht, was man außerhalb eher selten genießen kann: Ruhe, Besinnung und entspannten Hörgenuss, auf der Wiese im Schatten der Bäume. Mit einem Glas Klosterwein in der Hand warten wir in der Nachmittagssonne auf einen schottischen „Folk-Pflug“. Der Name des Duos ist einer schottischen Kneipe namens „Plough Inn“ entliehen. Den brauchte man für die erste Tour durch die Highlands, die man nach musikalischen Inspirationen durchpflügen wollte. So kann man es auf ihrer CD „Random Into Reel“ nachlesen und genau so locker rollen erste Klänge von „Ploughset“, mit Flöte und Gitarre, über das Areal. Ich fühle mich sofort an einen entfernten Ort, irgendwo im Norden Schottlands, versetzt. Der Klostergarten scheint klanglich verzaubert, ein wenig in eine andere Zeit versetzt. In eine andere Zeit entführt auch die Ballade von der „Isle Of France“. Die alte Melodie fasziniert mich aus dem Stand, sie trifft genau mein Augenblicksgefühl. Dem Gesang lauschend, träume ich mich an jenen fernen Ort, „oh the Sky was dark and the night advanced“, wo außergewöhnliche Freundschaft möglich wurde. Solche alten Weisen aus dem schottisch-irischen Folk-Katalog haben mich seit Jahren fasziniert. Der Klang des Dudelsacks macht den Sound für mich perfekt. Wenn eine neue Melodie aus eigener Feder erklingt, werde ich neugierig. Mit „Fishing Blackbirds“ bekommen wir so ein Stück, plus der dazugehörigen Hintergrundstory, zu hören. Zunächst von Dudelsack und Gitarre zurückhaltend gespielt, wird das Stück zum Ende hin immer schneller. Die beiden Musiker, Christian Lontzek & Pär Engstrand, beide mit Vollbart, führen uns mit Anekdoten und exzellenten Melodien durch die schottische Welt der Folk-Songs. Bei „Dumbarton“ begeistern sie mit perfekten a-capella Gesang sowie einem Banjo-Solo und im „Irish Set“ lassen sie Dudelsack sowie Harmonika gemeinsam klingen. Im Rund des Klostergartens lauscht man andächtig, um letztlich doch immer wieder in Begeisterung auszubrechen. Diese Art ursprüngliche schottische Musik hört man viel zu selten und auch hier, inmitten der Natur, vergeht die Zeit leider zu schnell. Nachdem mit „Calums Road“ die Zugabe verklungen ist, sind auch die Schatten länger geworden. Zeit für ein Glas Wein und wer möchte, für abendliche Besinnung in der Klosterkirche. Ich gönne mir die CD „Random Into Reel“ sowie etwas Auslauf unter dem frühen Herbstlaub der Bäume. Beim Sound-Check sitze ich wieder inmitten der sonnenverbrannten Wiese. Den angespielten Song kenne ich und den, der ihn schrieb, auch. Bob Dylan schuf diese Melodie, eine junge Band verhalf ihr zu Weltruhm. Mich hat Bob in den frühen 1960ern mit „Blowing In The Wind“ und „Masters Of War“ begeistert. Ich besorgte oder kaufte mir seine Platten, ich sah ihn 1987 im Plänterwald und dann noch zwei weitere Male. Ich mag ihn immer noch, doch am liebsten hätte ich ihn einmal solistisch, nur mit Gitarre, erleben wollen. Weil das aber niemals möglich war, bin ich heute im Klostergarten gelandet. Hier singt Bernd Sternberg seine Lieder, im traditionellen Still und beinahe mit gleicher Ausstrahlung, und er beginnt – genau – mit dem legendären „Mr. Tambourine Man“. Natürlich singe ich leise mit, habe die Hymne in meinen Jugendjahren selbst oft gespielt. Die Worte sind längst verinnerlicht und nach 57 (!) Jahren noch immer nicht abgenutzt. Pflichtlektüre! Sternberg bringt die Nummer in dezenter abgespeckter Version. Von nun an bekommen wir eher unbekannte Songs, arrangiert für Akustikgitarre, Rhythmusgruppe (Martin Zemke/bass & Niels Schröder/dr) sowie Violine (Regina Mudrich), zu hören und stets abweichend von dem, was man als Original im Hinterkopf hat. So gelangt auch der „Man In The Long Black Coat“ sparsam akustisch zu uns in den Klostergarten (und niemand weiß, wer mit ihm wieder gehen wird). Mir egal, ich sitze, lausche und genieße. Die Welt vor diesen Klostermauern, inklusive Klein-Wladimir, kann mich mal und kreuzweise sowieso! Sternberg spielte Dylan hier schon einmal, vor sieben Jahren und im Saal. Damals wusste ich, den will ich noch einmal sehen. Jetzt steht er da vorn und singt vom „Blind Willie McTell“, eine Hommage für den gleichnamigen Blues-Musiker, und vom „Girl From The North“, ein Liebeslied und eine Erinnerung gleichermaßen aus Zeiten, da ich gerade erst begann, diesen Bob Dylan zu entdecken. Ich liebe jene Song-Perlen, die Meister Bob irgendwo auf seinen zahlreichen Alben veröffentlichte. Kostbarkeiten, die es nie zu Weltruhm schafften, aber eine Menge über den Songschreiben aussagen. Aber die großen Hits sind natürlich die Sehnsuchtsobjekte, so wie „It’s All Over Now, Baby Blue“. Am bekanntesten ist sicher die Version von Van Morrison & Them und für DDR-Puristen jene, die das legendäre Album der Matadors ihr Eigen nennen. Auch ich träume mich für diese Minuten in wilde Jugendjahre der 1960er zurück. Bernd Sternberg wird dezent begleitet, doch vor allem Regina Mudrich mit der Violine verleiht einigen Songs besondere Ausstrahlung. Für die „Masters Of War“ werden die Saiten heftig „attackiert“, um der Absage an die Kriegsherren besonderen Nachdruck zu verleihen. Klasse gemacht! Ein Höhepunkt des Konzerts ist auch „All Along The Watchtower“, wohl eher bekannt in der grandiosen Langversion von Jimi Hendrix, wird durch ihr Geigenspiel zu einer echten akustischen Glanznummer. Die Menge jubelt, die Musiker lächeln und die Sonne spendet uns warmes abendliches Licht dazu. Mit „One More Cup Of Coffee“, vom wundervollen Album „Desire“ (1976), neigt sich dieser Konzertabend allmählich seinem Ende entgegen. Bernd Sternberg und Band verbeugen sich, das Publikum bedankt sich und wünscht sich natürlich noch eine Zugabe. Wir bekommen „Knockin’ On Heaven’s Door“ mit der Aufforderung zum Mitsingen. Zunächst zaghaft, dann aber trauen wir uns doch und der Chorus klingt über das Areal. Die Musiker stöpseln jetzt ihre Instrumente aus und begeben sich zwischen uns Besucher. Gemeinsam, wie bei einer Messe unter freiem Himmel, besingen wir das „Klopfen an der Himmelpforte“ und gehen dann glücklich, dankbar und innerlich etwas entspannter zurück in die Realität vor den Klostermauern. Ich löse mich ungern aus dieser schönen Umgebung. Dann aber doch und mit dem Anspruch, noch lange die Lieder eines Bob Dylan, und die vieler hundert anderer Idole und Helden, zu genießen und auch, wenn möglich, noch live erleben zu wollen. Der „Mann mit dem langen schwarzen Mantel“ sollte sich also auf langes Warten einstellen. Er hat ja Zeit – ich auch.