Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
PHYSICAL GRAFFITI – die Tante Ju bebt 20.03.2010 „Physical Graffiti“ heißt die 6. Album-Veröffentlichung einer Band, die längst als Mythos in die Analen des Rock’n’Roll eingegangen ist. In die Herzen der Rock- Fans sowieso: LED ZEPPELIN. Das Album im Gimmix-Cover einer Hauswand enthält Songs aus Hitze, Blues, Country und brachialer Energie auf vier Plattenseiten, sowie ein Cover-Artwork, das im Zeitalter steriler Silberlinge mit meist inhaltsleerer und massenkompatibler Pop-Soße darin, für die jungen aufrichtigen Rock-Liebhaber im Heute auf ewig ein Traum bleiben könnte. Dieses Doppelvinyl entstammt einer Epoche, da Rockmusik meist noch etwas mitzuteilen hatte. Botschaften waren mit Ideen garniert und liebevoll plus ideenreich in Kunst gepackt. Die Band selbst ist eine Legende und seit dem Tod ihres Drummers John Bonham nie wieder live aktiv gewesen. Aber es gibt Physical Graffiti, eine Band, benannt nach jenem legendären Zeppelin-Album. Die Musiker sind angetreten, das musikalische Erbe der Giganten des Rock’n’Roll auf der Bühne lebendig werden zu lassen. Sie tun das mit viel Liebe und Hingabe sowie als aufrichtige Hommage für Led Zeppelin. Mir blieb an diesem Samstagabend gar nichts anderes übrig, als eine Umleitung in Kauf zu nehmen, ein frisches Bierchen einfüllen zu lassen und darauf zu warten, dass dieses Ehren-Zeppelin in der Tante Ju landen würde. Der Live-Club ist gut gefüllt, als das imaginäre Zeppelin die Halle anfliegt, um dort anzulegen. Da vorn steht einer, den würde ich selbst aus diesen drei Meter Abstand wirklich für Robert Plant halten und ein weiterer hängt sich eine Gibson um, der könnte glattweg als Jimmy Page durchgehen. Bonham ist ein Deutscher am Schlagzeug und der Man am Bass ein Ire. Alle vier starten mit „Rock’n’Roll“ und wir alle gemeinsam in die Nacht des „Celebration Day“. In Bruchteilen von Sekunden ist die Luft schweißgetränkt. Ein wohlbekannter Sound kracht mir in das Gesicht, spült mir die Ohren und wenn ich es nicht besser wissen würde, meinte ich Led Zeppelin zu sehen und zu hören. Dieser Page mit seinem schwarzen Wuschelkopf fegt wie ein Derwisch über die Saiten und der schlanke Plant stöhnt und schreit seine Emotionen in das Mikro, wie einst der Meister selbst es tat. Die beiden geben ein Power-Duo ab, das mir den ganzen Abend noch die Erinnerungen aufwühlen und in mein Herz pressen wird: „We come from the land of ice and snow ….. Valhalla, I’m coming!“ Spätestens beim „Immigrant Song“, der einzigen Single-Auskopplung der Band, auch noch gegen deren Willen, habe ich alles um mich herum vergessen, bin ich weg, eingetaucht! Ich stehe in einem Led Zeppelin–Konzert und nichts und niemand auf dieser Welt, wird mir dieses Gefühl nehmen können! Im Gegenteil, bei „Heartbreaker“ bin ich mittendrin und rings um mich kracht es, wogen die Köpfe meiner Generation und haufenweise „junges Gemüse“ wiegt sich auch dazwischen. Der Staffelstab ist übergeben! Led Zeppelin kamen vom Blues und machten ihn hard’n’heavy. Für mich ist „Since I’ve Been Loving You“ eine der schönsten Songs von ihnen und dieser singende Zauberer vor mir macht daraus eine Blues-Hymne, dass es ein wahres Vergnügen ist, zu lauschen. Plant singt, stöhnt und schreit sich den Schmerz aus der Seele, trifft traumhaft sicher die hohe Falsett-Töne, wie ich es kaum zu hoffen gewagt hätte. Er dehnt und dehnt die Blues-Ballade und man meint, den Schmerz selbst fühlen zu können. Doch ehe ich auf die Idee komme, mich solchen Gedanken hinzugeben, kracht die Stimme da oben im Gespann mit Saiten und Drums schon wieder auf mich ein: „Hey, hey mama, said the way you move, gonna make you sweat, gonna make you groove.“ Physical Graffiti lassen den „Black Dog“ von der Leine und mit ihm gemeinsam hetzt und tanzt die Meute. Zum Ausruhen machen die vier Herren eine kleine Akustik Session mit Gitarre, Mandoline und Gesang. Andrew Elt klingt live wie das Echo von Roberft Plant, Gitarrist Daniel Verberk lässt keinen Zweifel an seinen Fähigkeiten, wie Jimmy Page über die Saiten jagen zukönnen, am Bass zupft Dave Harrold wie ein John Paul Jones und der deutsche Drummer Jan Gabriel verpasst dem Trio vor ihm den richtigen Rhythmus. Zusammen zelebrieren sie „Going To California“, ein eher selten gespieltes Stück. Auch „Gallows Pole“ wird auf diese Weise intoniert, steigert sich aber fesselnd und dynamisch, bis die Leiber im Saal wieder rhythmisch zucken. Was mich besonders fasziniert, ist die Tatsache, dass diese Band über weite Strecken Songs ausgewählt hat, die man schon Ewigkeiten nicht mehr gehört hatte oder gar schon vergessen glaubte. Auf diese Weise huldigen sie, ohne viele Worte und völlig ohne Pathos, ihrem großen Vorbild aus vergangenen Zeiten. Dennoch, die vier Herren wäre keine Tribute-Band mit flammenden Herzen, wenn sie die großen Hymnen, die Klassiker schlechthin nicht auch zu Tönen werden ließen. Also hängt sich der Page aus den Niederlanden die rote Doppel-Hals- Gitarre um und schon bei den ersten Tönen wird klar, jetzt geht’s gleich hoch hinaus auf den „Stairway To Heaven“. Was dem einen „Child In Time“ und dem anderen „Paranoid“ bedeutet, ist einem Zeppelin-Verehrer der „Strickleiter zum Himmel“, diese sich langsam steigernde Ode, die in einem explosiven Gitarrensolo gipfelt und mit den gehauchten Worten „And she’s bying a stairway to heaven“ endet. Danach lässt PLANT das Mikro stehen, PAGE stellt die Gitarre beiseite und alle vier verlassen die Bühne. Aus und vorbei könnte man denken, aber von wegen! Jetzt sind PHYSICAL GRAFFITI erst in Höchstform, nass und verschwitzt wie wir alle vor der Bühne. Sie kommen wieder, um einen Sturm zu entfachen. So bricht ohne Vorwarnung DAS Riff schlechthin über uns herein und wir wissen, jetzt kommt „Whole Lotta Love“. Es wird getanzt, gejubelt und auch mitgebrüllt. In der Menge merkt das ja auch keiner. Es ist schon ein Erlebnis, diesen Song live zu hören und mal einen Hinweis darauf zu bekommen, wie das alles live-haftig zu Tönen gemacht wird, was sich da im Mittelteil an Effekten und Sound-Collagen abspielt. Traumhaft und faszinierend, ehe ein weiteres Riff aus den Saiten kracht. Ich erlebe bei „Moby Dick“ etwas, was ich seit Jahren so sehr vermisse und schon kaum noch zu hoffe wagte. Es folgt das berühmteste Drums-Solo, neben dem vom „Eisenschmetterling“, und diese deutsche Re-Inkarnation vom Bonham zeigt minutenlang, wie so etwas zu klingen und zu krachen hat, wie man mit Becken und Fellen Musik zaubern und Klänge modulieren kann. Diese Minuten sind die blanke Faszination und ein Erlebnis, das wir in unsere Gehörgänge gemeißelt bekommen. Wer nun meint, nach diesen gefühlten zehn Minuten müsse Bonham schlapp machen, wird am Ende mit „Kashmir“ zum Staunen gezwungen. Noch einmal verschmelzen Drums und Bass zur legendären Rhtyhmus-Sektion, noch einmal powert die Gitarre und der Sänger übersetzt die Worte mit seinem Mimenspiel. Diese Band ruht in sich, während sie auf der Bühne tobt, versteht sich mit geschlossenen Augen und dann löst sich das ZEPPELIN wieder aus der Verankerung und schwebt hinein in die Sächsische Nacht. Hey, ich habe Physical Graffiti gesehen und, jede Wette (!), Led Zeppelin gehört. Genau so müssen sie geklungen und gewirkt haben. Der einzige Unterschied mag sein, dass ich nach dem Konzert mit mit den Musikern in Englisch und Deutsch gesprochen habe. Wer kann das schon von sich behaupten?! Und das alles für ein kleines Taschengeld! DANKE, Tante Ju. Mir sind diese unbekannten und von Musik besessenen Enthusiasten, die das große Erbe ihre Idole hoch halten, allemal lieber, als jenige, die wider besseren Wissens als Schatten ihrer selbst versuchen, ihren eigenen Mythos halbherzig zu feiern. Schaut zu den wahren Sternen empor, entdeckt sie am fiktiven Sternenhimmel des Rock-Universums, wo sie als Riesenzigarre schweben und einer Supernova gleich in der Ewigkeit leuchten - Whole Lotta Zeppelin als Physical Graffiti!