Pankow mit „Paule Panke“ live in Plessa
10.11.1982
Den
meisten
Konzertbesuchern
mag
damals
im
Jahre
1982
der
Anblick
eines
eisernen
Bettgestells
auf
einer
Bühne
komisch
vorgekommen
sein.
Sie
hatten
Karten
für
ein
Konzert
mit
PANKOW
gekauft
und
sicher
schon
andere
Gruppen
der
DDR
live
auf
der
Bühne
erlebt.
Ein
Bettgestell
war
da
bisher
nicht
vorgekommen
und
auch
die
großen
Flügel
eines
Paravans,
die
mit
Folie
überzogen
im
dumpfen
Licht
matt
glänzten,
strahlten
eine
eigenartig
stählerne
Kühle
aus.
Erst
wenn
man
nah
genug
an
der
Bühne
stand,
erkannte
man
dazwischen
noch
ein
Schlagzeug
und
vorn
auch
die
Mikrofonständer.
Der
Anblick
war
ungewohnt
kalt,
nüchtern
und
genau
deshalb
schien
die
Aufmerksamkeit
auf
das,
was
kommen
sollte,
an
diesem
Abend
eine ganz besondere zu sein. -
Das
Bemühen,
Rockmusik
mit
gestalterischen
Elementen
anzureichern,
ist
beinahe
so
alt,
wie
diese
Musizierweise
selbst.
Sie
in
ein
inhaltliches
Konzept
zu
packen,
gar
eine
Geschichte
zu
erzählen,
die
man
in
die
Rillen
pressen
und
später
auch
auf
die
Bühnen
bringen
konnte,
wurde
ebenfalls
schon
früh
versucht.
Die
BEACH
BOYS
schufen
die
LP
„Pet
Sounds“,
die
BEATLES
ließen
die
„SGT.
Pepper“
folgen
und
begannen,
Filme
zu
drehen.
In
den
USA
gab
es
eine
TV
Serie,
für
die
man
die
erstmals
eine
Band
per
Casting
auf
eine
Bühne
stellte,
die
MONKEES.
ARTHUR
BROWN
setzte
sich
eine
brennende
Maske
auf,
sang
vom
„Fire“
und
die
ROLLING
STONES
machten
das
bei
„Jumping
Jack
Flash“.
Erst
als
die
WHO
ihren
Songzyklus
„Tommy“
veröffentlichten,
bekam
Gestaltung
einen
Inhalt
und
die
Idee
eine
sozialkritische
Dimension.
Sie
angereichert,
eröffnete
sie
der
Rockmusik
und
den
Künstlern
völlig
neue
Ausdrucksmöglichkeiten.
Die
„Rock-Oper“
war
geboren
und
dem
optischen und theatralischen Moment auf der Bühne standen alle Wege offen.
Solche
Versuche
gab
es
auch
in
der
größten
DDR.
Schon
1972
untermalte
die
Jazz-Rock
Formation
SOK
mit
Uli
Gumpert
die
Theaterinszenierung
des
DDR-Bestsellers
„Die
neuen
Leiden
des
jungen
W.“
im
Deutschen
Theater
zu
Berlin
mit
ihrer
Musik.
Im
Jahre
1979
kam
die
Rockoper
„Rosa
Laub“
nach
einem
Libretto
von
Waltraut
Lewin
und
der
Musik
vom
Altmeister Horst Krüger auf die Bühnen des kleinen Landes und in die Plattenrillen.
Die
Idee,
den
Arbeitstag
eines
stinknormalen
Lehrlings
auf
eine
Rock-Bühne
zu
bringen,
hatte
den
Sänger
ANDRE
HERZBERG
und
seinen
Bruder,
der
sich
FRAUKE
KLAUKE
nannte,
schon
bei
der
am
New
Wave
orientiert
spielenden
GAUKLER
ROCKBAND
beschäftigt,
die
sie
auch
als
„Hans
Currywurst“
aufzuführen
gedachten.
Doch
die
Band
wollte
nicht
und
so
verließen
die
Brüder
das
Projekt
1981,
gingen
zu
4PS
und
mit
ANDRE
HERZBERG
als
Frontmann
nannte
man
sich
nun
PANKOW.
Die
einen
machten
als
GAUKLER
ROCK
BÜHNE
und
dem
Programm
„Panoptikum“
weiter.
Aus
der
eher
liedhaft
orientierten
Musikantengruppe
4PS
war
durch
den
Neuzugang
ANDRE
HERZBERG
quasi
über
Nacht
eine
freche,
ruppige
und
aufmüpfige
Rock’n’Roll
–
Band
geworden
-
die
„Stones
des
Ostens“
waren
geboren.
Gemeint
war
allerdings
nicht
die
Nähe
zum
Rhythm
&
Blues,
die
gab
es
nicht,
sondern
die
Art
und
weise
Wahrheiten
des
tägliche
Lebens
in
Rock-
Texte
zu
fassen
und
sie
auszusprechen,
also
als
Lieder
zu
singen.
Diese
„Frechheit“
hatten
sie
mit
den
Rolling
Stones
gemeinsam.
Wir
hatten
für
unsere
Konzertreihe
ROCK-MIX,
die
für
dieses
eine
Mal
ELSTER-ROCK
hieß,
die
Band
PANKOW
„eingekauft“
und
einen
Termin
am
10.
November
1982
vereinbart.
Es
würde,
so
meinten
wir,
ein
gutes
Rockkonzert
geben,
an
eine
Aufführung
des
Rock-Spektakels
„Paule
Panke“,
das
ahnten
wir
erst,
als
wir
die
Bühne
mit
den
metallisch
glänzenden
Wänden
und
dem
Bett
davor
sahen.
Heute
weiß
ich
auch
warum.
Was
wir
auch
erst
an
diesem
Tag
mitbekamen,
war
die
Tatsache,
dass
es
mit
MONA
LISE
an
diesem
Abend
eine
„Vorband“,
heute
Support
genannt,
geben
würde.
Der
Manager
beider
Bands,
Wolfgang
Schubert,
war
klug
genug,
mit
der
Ankündigung
der
Live-Aufführung
von
„Paule
Panke“
nicht
zu
viel
Lärm
zu
machen
und
uns
außerdem
zusätzlich
MONA
LISE
„unterzujubeln“.
Beides
hat
uns
überrascht
und
die
Chance,
beide
Shows
live
zu
erleben,
hat
uns
gleichermaßen
auch
gefreut.
Eigentlich
waren
wir
„Schubi“
dankbar,
denn
ansonsten
wäre so ein Event an uns vorüber gegangen.
Nun
also
stand
dieses
eiserne
Bettgestell
auf
der
Bühne;
karg,
kalt
und
abstoßend,
irgendwie
völlig
fehl
am
Platze.
Das
war
gewollt
und
Teil
der
Dramaturgie,
einen
normalen
Tag
des
Lehrlings
Paule
Panke
ablaufen
zu
lassen
und
der
beginnt,
wie
vielerorts
und
meist
üblich,
früh
im
Bett
und
ohne
Lust,
ein
Bein
da
raus
zu
strecken.
Dem
Konzert
sind
„einige
einführende
Worte,
zu
dieser
wunderschönen
Veranstaltung“
vorangestellt,
die
quasi
eine
Persiflage
auf
die
sonst
auch
üblichen
Reden
darstellte
und
in
ihrer
Wortwahl
und
Ausdruck
als
Kontrast
zum
nachfolgenden
Geschehen
mit
dem
Lehrling
„Paule
Panke“
gestellt
sind,
denke
ich
mir.
Eine
kurze
instrumentale
Einleitung
und
Paule
singt,
im
eisernen
Bettgestell
liegend,
„Ich
komm
nicht
hoch“,
was
einem
jeden
von
uns
damals
als
Lehrling
(oder
auch
nicht)
auch
hätte
passieren
können.
Mit
dem
Gedanken,
„zur
Werkstatt
zu
müssen“,
geht
das
auch
nicht
so
einfach
und
doch
müht
sich
ANDRE
HERZBERG
redlich,
seinem
alten
Bettgestell
zu
entfliehen,
um
danach
einen
kleinen
„Frühstückwalzer“
zu
singen.
Ich
muss
heute
noch
grinsen,
wenn
ich
an
diese
Bettszene
und
das
Frühstücksliedchen
im
Dreivierteltakt
danach
denke.
Flankiert
wird
HERZBERG
damals
zur
Linken
von
JÜRGEN
EHLE,
der
schon
in
jener
Zeit
einer
der
Besten
seiner
Zunft
war,
und
JÄCKI
REZNICEK
zur
Rechten
am
Bass.
Dahinter,
vor
dem
Paravan,
saß
FRANK
HILLE,
der
„einfache
Mann“
von
4PS,
am
Schlagzeug
und
am
äußersten
linken
Bühnenrand
versteckte
sich
fast
REINER
KIRCHMANN
mit
seinen
Tasten.
Den
Raum
davor benötigte der charismatische Frontmann, um seine Geschichten zu singen und die Szenen zu spielen.
Den
Weg
zur
Arbeit
beschreiben
„Tempo“
und
das
„Omnibuslied“,
ehe
dann
der
„Werkstattsong“
das
auf
der
Bühne
darstellt,
was
die
meisten
von
uns
damals
wohl
auch
erlebt
haben.
Gerade
bei
„Tempo
Tempo“
fegt
Herzberg
wie
wild
über
die
Bühne,
während
JÜRGEN
EHLE
an
der
Gitarre
und
HILLE
an
den
Drums
ebenso
wild
ihre
Instrumente
bearbeiteten,
eben
Hektik
pur.
Paule
kommt,
von
dieser
frühen
Morgenhektik
gezeichnet,
am
Arbeitsplatz
an
und
ist
eigentlich
müde
und
lustlos.
Meine
Zeit
als
Maurerlehrling
war
manchmal
auch
so.
Für
mich
ist
„Werkstattsong“
eines
der
Schlüssellieder,
in
denen
man
sich
gut
selbst
wieder
finden
konnte.
Ich
sehe
ich
noch
heute
HEERZBERG
am
Bettgestell
stehen
und
den
Metallrahmen
des
Kopfendes
als
imaginären
Schraubstock
nutzend
und
ein
ebenso
imaginäres
Metallstück
mit
der
imaginären
Feile
bearbeiten.
Immer
wieder
kommen
die
Erinnerungen
an
den
UTP
(für
Wessis:
Unterrichtstag
in
der
Produktion
–
würde
ich
heute
so
manchem
Jungspund
auch
gönnen)
auf,
obwohl,
Schrauben
und
Hobeln
zu
beherrschen
war
sicher
kein
Fehler
und
meine
Lehre
als
Maurer
ist
auch
nicht
spurlos
an
mir
vorüber
gegangen!
Nur
mein
Ausbilder
namens
„Mutze“
war
mir
ein
Gräuel.
Wenn
ich
heute
den
„Werkstattsong“
höre,
kommen
mir
all
diese
Erinnerungen
an
die
Lehrlingszeit,
damals
in
Plessa
und
heute
auch
noch,
hoch
und
wie
wir
auf
die
erlösende
Pause
für
das
Frühstück
gewartet
haben: „Pause, Paul trinkt seine Brause“, sang HERZBERG dann.
Nach
der
Pause
muss
Paule
zur
„Sitzung“.
Das
war
damals
nicht
selten.
HERZBERG
sitzt
gelangweilt
mitten
auf
der
Bühne,
quasi
einsam,
auf
einem
Stuhl
und
singt
dieses
Lied
ziemlich
teilnahmslos
vor
sich
hin.
Dieses
monotone
„Sitz-,
Sitz-,
Sitzung“
war
schon
eine
satte
Provokation.
Das
nächste
Lied
ist
auch
der
nächste
Höhepunkt,
denn
Paule
singt
seine
Befindlichkeiten
in
der
Straßenbahn
bei
„Nach
der
Arbeit“
aus
sich
heraus.
Nachdem
EHLE
mal
wieder
mit
seiner
Gitarre
bei
einem
Solo
so
richtig
die
Saiten
krachen,
auf
dem
Bettgestell
stehend,
ließ
und
Paule
alias
HERZBERG
sich
hinter
einen
alten
(Fenster)Rahmen
zurück
zieht,
aus
dem
er
quasi
heraus
guckt
und
laut
schreit:
„Ach
wenn
ich
wüsst’,
wohin
es
geht,
mein
Trip
nach
irgendwo!“
Das
ging
durch
Mark
und
Bein
und
so
mancher
von
uns
hat
damals
wohl
auch
so
gedacht
und
so
manche
unserer
Fragen,
die
wir
stellten,
blieb
in
Wirklichkeit
lange
Zeit
unbeantwortet.
Das
zu
reflektieren,
solche
Gedanken
in
Worte
und
Musik
zu
gießen,
blieb
oft
der
Rockmusik
vorbehalten
und
PANKOW
tat
das
ohne
Wenn
und
Aber.
Keine Zweideutigkeiten, keine „grünen Elefanten“, sondern alles voll auf die Zwölf – so wie die Stones eben auch!
Wer
bis
dahin
noch
nicht
wusste,
warum
PANKOW
die
„Stones
des
Ostens“
genannt
wurden
und
noch
immer
werden,
dem
wird
mit
einem
hinreißenden
Mundi-Intro
und
einer
knackigen
Stones-Gitarre
a
la
JÜRGENM
EHLE
geholfen.
Dieser
Song
„Freitag“
hat
alles,
was
ein
rockender
Blues
haben
muss.
In
dem
Song
strotzt
es
nur
so
vor
Lust
und
Lebensfreunde,
denn
„die
Arbeit
ist
passe“
und
HERZBERG
singt
„ich
mach’
mir
heut’n
Bunten“,
denn
„heute
passiert’s!“
Paule
Panke
rockt
mit
PANKOW
auf
der
Bühne,
EHLE
rockt
seine
Gitarre,
dass
es
kracht
und
so,
als
wäre
er
der
zweite
Mann
bei
den
richtigen
Stones.
Im
„Disco-Song“
nehmen
die
Herren
die
Discogeneration
auf’s
Korn
und
zum
Abschluss
erklang
noch
„Komm
aus’m
Arsch“.
Den
konnte
man
auch
als
Anstoß
verstehen,
sein
eigenes
Ding
mit
den
eigenen
Ideen
zu
machen
und
so
endete
das
Live-
Spektakel
mit
der
musikalischen
Aufforderung
„Lauf
endlich
gerade,
das
wär’
doch
schade“.
Danach
war
Schluss
in
Plessa
und
das
Staunen
und
die
Begeisterung
groß.
Als
Zugabe
gab’s
wohl
noch
„Rock’n’Roll
im
Stadtpark“
und
den
großen
Hit
„Ilse
Bilse
(keener
will’se)“
und
danach
stand
das
kahle
Bettgestell
wieder
einsam
und
verlassen
vor
dem
Paravan
auf
der
Bühne. Aus und vorbei, nur die eigenen Gedanken wirbelten wie wild.
Erst
etwas
später
ist
uns
wohl
aufgefallen,
was
für
ein
besonderes
Konzert
wir
organisiert
und
auch
erlebt
hatten.
Der
Kombination
mit
MONA
LISE
als
Vor-Band
wegen
und
weil
wir
in
Plessa
weit
vor
der
eigentlichen
Veröffentlichung
des
Spektakels
auf
einer
Amiga-LP
das
Stück
schon
live
erleben
durften.
PANKOW
war
schon
damals
eine
der
etwas
anderen
und
besonderen
Bands
und
das
haben
sich
die
Musiker
bis
heute
zum
Glück
bewahren
können.
Mit
„Paule
Panke“
ist
ein
Stück
DDR-Geschichte
aus
nicht
offizieller
Sichtweise
bewahrt
geblieben
und
wer
sich
die
Platte
heute
auflegt,
kommt
aus
den
verschiedensten
Gründen
um
ein
Grinsen
nicht
herum.
Bei
mir
sind
es
außerdem
die
Erinnerungen
an
eine
tolle
Zeit
und
eine
Band,
die
schon
damals
einmalige
Musik,
knochentrockenen
Rock’n’Roll
plus
ehrliche
Worte,
live
auf
die
Bühne
brachte. Das kann meinen Freunden und mir keiner mehr nehmen!
Die Autogrammkarte von Pankow aus dem Jahre 1982.