Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Omega Rhapsody – Klassik & Rock live in Dresden 12.05.2012 Vor nunmehr 50 Jahren formierten sich im Sog der britischen Beat-Invasion in der ungarischen Hauptstadt Budapest fünf junge Studenten zu einer Band nach dem Vorbild der Beatles und Rolling Stones. Das war damals weltweit sicher ein normaler Vorgang, denn diese „Unsitte“, Beat-Musik mit elektrisch verstärkten Gitarren zu spielen, machte wahrscheinlich höchstens vor dem Vatikan halt. Nichts Genaues weiß man nicht. Die Band in Ungarn wurde zu ihrem ersten Auftritt vom Veranstalter mit Omega angekündigt und seither heißt sie so OMEGA. In diesem Jahr begeht die Band, und damit einige ihrer Gründungsmitglieder, ihren 50. Geburtstag. Das ist weltweit ein sehr seltenes Ereignis, wenn man mal von den kurz vorher gegründeten Rolling Stones sowie den jeweils schon 1958 gegründeten Shadows und Searchers absieht. OMEGA befinden sich damit in einer Reihe mit Musikern, die alle auf ihre ganz individuelle Weise Musikgeschichte in Person verkörpern und noch heute unter gleichem Logo musizieren. Immer wieder haben wir uns die neuesten Platten unserer Heroen besorgt, wenn wir es konnten, oder sind zu Konzerten gepilgert, wenn sie mal kamen, und sind auf diese Weise mit ihnen gemeinsam auch in die Jahre gekommen. Im vergangenen Jahr spielte sich OMEGA für dieses Jubiläum schon mal in Halle an der Saale, im tschechischen Loket und natürlich in ihrer Heimat Ungarn warm. In Loket war ich dabei und erlebte eine furiose Bühnenshow ohne Orchester unterhalb der Burg. Als besonderes Bonbon gab’s davor noch mit dem slowakischen COLLEGIUM MUSICUM eine Einstimmung, die man hierzulande wohl auch nicht mehr erleben wird. Gleiches könnte man vielleicht für OMEGA vermuten, wenn man sich die Konstellationen und Statements der vergangenen Jahre genau ansieht und deshalb ist dieser Termin in Dresden so etwas wie eine einmalige Chance. Im Jahre 1973 standen hier OMEGA (LGT, Niemen und Collegium Musicum) in Vorfeld der Weltfestspiele schon einmal auf der Bühne und nun erlebt der Kulturpalast in diesen Mauern vielleicht auch seine letzten Muggen, ehe der von „Volksvertretern“ betriebene „Umbau“ gegen den Willen des Volkes Wirklichkeit wird. Es ist für mich deshalb eine Chance und irgendwie auch Pflicht, dem Haus und der Band gegenüber, hier noch einmal dabei zu sein, denn dieser Tag hat unausgesprochen eine historische Dimension für die deutschen Fans von OMEGA und für all jene, die im Kulturpalast in den letzten Jahrzehnten Rockmusik live erlebt haben. In die Vorfreude auf dieses besondere Konzert mischt sich deshalb auch leise Wut, diesem Irrsinn in einer „Demokratie“ nichts entgegen setzen zu können. Im Foyer des Hauses herrscht gediegene Geschäftigkeit und als Mitglied einer kleinen Herrenrunde versuche ich mir den Altersdurchschnitt vorzustellen, der hier zwischen den Säulen Bier trinkend auf den Konzertbeginn wartet. Gemeinsam haben wir dann mindestens 52 festgelegt. Drinnen ist der große Saal bis auf wenige Plätze gefüllt. Es ist beinahe wie bei einer Familienfeier, denn immer wieder reißen grotesk fröhliche Zwischenrufe Lachsalven aus der Menge, die laut in Rufe nach „Omega Omega“ münden. Im Halbdunkel nehmen die jungen Musiker vom Akademischen Orchester der Luther-Universität Halle Wittenberg ihre Plätze ein. Als LÀSZLO „Laci“ BENKÖ, der Autor der beiden „Benkö - Lexica“, die Bühne betritt, bricht ein Begeisterungssturm aus. Die Show beginnt! Laci begrüßt FERENC „Ciki“ DEBRECENI, den stets fröhlichen Drummer der Band, und für den zweiten Tastensatz ZSOLT GÖMÖRY von Edda. So aufgestellt beginnt eine Zeitreise durch das Klang- und Schaffensuniversum der in Würde gealterten Hungaro-Rocker. Mit den vier wuchtigen Akkorden von Beethovens Fünfter beginnt die „Omega Symphony“, ein breit angelegtes sinfonisches Instrumentalstück mit mehreren Sätzen und gleich zu Beginn zitieren die Streicher das Motiv von „Lena“, um danach Figuren zu entwickeln, die in mir Assoziationen an Tänze (Querflöten) und die Weite der ungarischen Pußta erwecken, in der man den Galopp von Pferden zu hören glaubt. Nach einem gewaltigen Crescendo mündet der 1. Satz in den nächsten und auch hier wieder das Motiv von „Lena“ und zusätzlich „Gammapolis“, um das sich das Spiel der Instrumente rankt. Im Teil 3 des Stückes verweben sich all die Zitate fast zu einem Klang –Orkan, der sich letztlich in bombastischen, von Paukenschlägen untersetzten, Stakkato Akkorden entlädt. Mann oh Mann, was für ein fulminanter Einstieg und was für eine grandiose Idee, die Musik der Ungarnrocker mal wirklich in klassische Klangstrukturen zu stecken und sie dort leben zu lassen. Glückwunsch den Akteuren und ein Lob MATTHIAS ERBEN, dem Mann am Pult, der die beeindruckende „Symphony der Überraschungen“ dirigierte. In aller Bescheidenheit, so eine gelungene Synthese, die weit mehr als nur ein Mit- und Nebeneinander der Stile und Instrumente war, habe ich bisher selten gehört! Die stehende Ovation und Bravo–Rufe müssen den Musikern auf der Bühne sicher gut getan haben. Für den zweiten Teil des Abends werden am Bass KATHY ZEE und TAMÀS SZEKERES mit seiner roten Gitarre auf die Bühne geholt und als dann der Mann mit der langen blonden Löwenmähne, JÀNOS „Mecky“ KÒBOR nach vorn stürmt, kann die Aufführung der kompletten „Omega Rhapsody“ live beginnen. Die startet instrumental mit einer Ouvertüre („Nyitàny“) und dann wird gerockt von „Ègi Harangok“ über „Arc“ bis hin zu „Minden Könnycseppèrt Kàr“, eine meiner Lieblingsnummern. Dies alles geschieht in Ungarisch, nur die verbindenden Worte versucht Mecky in seinem sympathischen Deutsch zu sprechen. Auf diese Art kündigt er für die englisch gesungen Teile aus England JC CONNINGTON, einen jungen Musiker, mit dem Kathy Zee bei der Band JUNKSTAR spielt, auf der Bühne an. Nun kann man bestimmt darüber geteilter Meinung sein, ob Mecky, so wie in Locket auch, nicht einfach alle Songs in seiner Muttersprache hätte singen können. Ich bevorzuge ein JA. Nun ist aber die „Omega Rhapsody“ für den internationalen Markt produziert und vielleicht ist „englisch gesungen“ das Zugeständnis, das man dafür machen kann. Wie es auch sei, der junge quirlige Typ mit der markanten Stimme macht sich gut neben dem Mann, der mindestens sein Vater sein könnte und beide Stimmen harmonieren bei „Fly Away“ miteinander ebenso perfekt, wie mit den Solo Einlagen der roten Gitarre von Tàmas, der ab und an sein exzellentes Können aufblitzen lassen darf. Dann steht er, wie etwa bei „Time Robber“, ganz weit vorn an der Bühnekante und lässt die Saiten wimmern und schreien und spickt den Sound mit seinen kleinen Blitzeinlagen. Beeindruckend auch, mit welcher Hingabe und Begeisterung sich die jüngere Generation der Orchestermusiker in eine Musik hinein fühlt und sie lebendig übernimmt, die sie unmöglich aus eigenem Rock- und Pop - Erfahrungen kennen kann. Na bitte, denke ich, es gibt wunderbare Alternativen und man kann als Jungspund auch im Heute aus ihnen schöpfen. Ein Privileg und Merkmal, das viel musikalische Substanz der Songs voraussetzt und das die Musik von OMEGA mit der live gespielten „Rhapsody“ glänzend bestätigt. Nachdem deren letzten und gewaltigen Töne im Saal verklungen sind, steht das Auditorium wie ein Mann tobend auf und TIBOR „Tibi“ NAGY, der Mann eine Reihe vor mir, der für das alles hier die Fäden gezogen hat, trägt ein strahlendes glückliches Lächeln im Gesicht. Die „OMEGA Pußta Rhapsody“ hat den Kulturpalast gerockt und nur Herr Tillich hat wahrscheinlich zu Hause beim Fußball in Röhre geguckt. Das hat er nun davon! Nach Teil 1, „Omega Symphony“, und Teil 2, „Omega Rhapsody“, kann natürlich Teil 3 nicht fehlen. Das ist inzwischen eine Zeremonie, die gefeiert, getobt und ausgelebt wird, bis das bekannte Intro erklingt, diesmal vom Orchester intoniert, das, einem Schrei aus tausend Kehlen gleich, im Saal begrüßt wird. Und auch diesmal tanzt ein „Mädchen mit Perlen im Haar“ durch den Raum und die tausend Kehlen singen die Zeilen in deutscher Sprache mit. Feuerzeugstimmung, doch stattdessen überall Handys und Digi-Cams, die ihr Licht flimmern lassen. Kann man gelten lassen, denke ich, denn das letzte Licht glimmt ja dann doch auf der Bühne, als die Band ganz zum Schluss und allein die „Petroleumlampe“ entzündet und uns auf diese Weise den Weg nach draußen erleuchtet. Letzte Verbeugungen, „Ciki“ motiviert die jungen Orchestermusiker noch einmal, sich zu erheben, um ihren ganz eigenen Applaus in Empfang zu nehmen, dann ein letztes Winken und die Bühne ist wieder leer. Im Foyer hasten die Menschen von der Garderobe auf die Straße, andere stehen noch in Gruppen und tauschen ihre Empfindungen aus. Die langjährigen Fans aber wissen, das war noch nicht alles, denn meist kann man die Akteure des Abends nach dem Konzert noch auf ein paar Minuten treffen, sich CD’s, Cover und Erinnerungsstücke signieren lassen und so wie ich, auch einige Erinnerungen an Loket und mit Mecky auch an das Konzert vor 40 Jahren hier im Palast austauschen. Da strahlen die blauen Augen und lächelnd fragt er: „War das nicht erst gestern?“ So ist es und eigentlich verdammt schade, dass man die gleiche Frage nicht noch einmal in 40 Jahren stellen kann. Diese Musik wird dann noch immer irgendwo erklingen, denn meine Schallplatten, und falls die CD’s durchhalten, die auch, werden dann, so meine Hoffnung, meine Enkel nicht nur haben, sondern auch hören und vielleicht ist dann auch ein Mädchen mit Perlen im Haar dabei - schön wäre es allemal!