Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
OMEGA – 10.000 Schritte bis Leipzig 28.11.2009 OMEGA ist griechisch, kommt aber aus Ungarn. OMEGA ist der letzte Buchstabe, aber die erste Wahl. OMEGA ist eine Band, aber auch fünf Individualisten. OMEGA ist Musik, ungarische Musik, Rockmusik und OMEGA ist Kult. Fehlt was? Ach ja, OMEGA ist eine über 40jährige Erfolgsgeschichte. Begonnen im Jahre 1962, wird sie noch immer geschrieben, wenn auch zwei der Gründungsmitglieder schon früh einen anderen Weg einschlugen und 1971 Locomotiv GT gründeten. Der Faszination OMEGA tat dies keinen Abbruch. Um sich davon zu überzeugen, verstopfen viele Anhänger der Ungarischen Top-Band den legendären „Anker“ in Leipzig. Bewegung ist kaum möglich, die Luft ist zum Stückeschneiden heiß und klebrig, wie in einem Gulaschkessel. So ist es von der ersten Minute an und so wird es bis zum letzten Akkord bleiben – heiß und scharf, wie das bekannte und beliebte ungarisches Nationalgericht. Kein OMEGA - Konzert startet ohne den weltberühmten „Radetzky-Marsch“ als Ouvertüre („Nyitany“). Das ist inzwischen so eine Art Kult - Zeremonie, Fans und Musiker auf die kommenden zwei Stunden einzustimmen. Als die fünf Musiker nacheinander die Bühne des „Anker“ zum ersten Mal betreten und die Boxen dröhnen, beginnt eine Zeitreise der ganz besonderen Art. Die Herren Kobor, Molnar, Mihaly, Benkö und Debreczeni spannen den Bogen weit, sehr weit über viele Jahrzehnte ihrer Bandkarriere, von „Gammapolis“ bis zu „Addig Elj“ von ihrem vorerst letzten Studio - Album. Sie brettern uns ihren bekannten „Rock’n’Roll“ in die verschwitzten Gesichter und nehmen uns mit zu „Lena“ in die Weiten des märchenhaften russischen Winters. Ich stehe rechts vor der Bühne, sehe Laszlo Benkö direkt ins Gesicht und die Bass-Boxen lassen unten meine Hosenbeine flattern. Egal, da muss das Material jetzt durch. Mit einem bestechendem Sound und einer sparsamen, aber sehr eindrucksvollen Licht-Show rockt die Band und einige Sprachkundigen hinter mir singen die Texte lauthals mit. Da bin ich klar im Nachteil, ich genieße „nur“ die mir wohl bekannten Melodien. Gitarrist und Spaßmacher „Elefant“ sowie Sänger „Mecky“ sind diejenigen, die immer wieder auf die Fans zugehen, sie einbinden. Besonders „Mecky“ merkt man an, dass ihm die Bühne des „Anker“ doch ein wenig zu eng ist, denn von den Fans bis zum Schlagzeug sind es gerade mal drei oder vier Schritte. Da ist der Frontmann in seinem Aktionsradius ein wenig eingeengt, wenn er dem Gitarristen oder dem Mann am Bass zu nahe kommt. Er ist ganz offensichtlich andere Dimensionen gewöhnt. Wir vor der Rampe genießen den Vorteil, die ungarischen Alt-Rocker unter diesen Umständen hautnah zu erleben. Das Konzert der Band wirkt als Ganzes, als Show. Solistische Einlagen, wie etwa „Elefant’s“ bewährtes Gitarren-Solo und die Synthesizer-Einlagen vom Herausgeber des „Benkö Lexikons“ sind eher sparsam gesetzt, wie kleine Klangtupfer eingefügt. Über weite Strecken lassen die fünf Herren die Musik ohne zusätzliche Effekte wirken. So können sich die eingängigen Melodiebögen und geschickt eingebetteten Einflüssen ungarischer Folklore entfalten. Vor allem bei den früheren Songs kann man das spüren. Am Altersdurchschnitt gemessen, scheint dies auch das Erfolgsgeheimnis zu sein. Anders kann ich mir den hundertfachen Chor im Saal, vor allem aus deutschen Kehlen, bei der uralten „Petroleumlampe“ nicht erklären. Mich inbegriffen. Der ganze Saal scheint im Begeisterungsrausch und totaler Euphorie zu schwelgen. Die aus Polen, der Slowakei und Ungarn angereisten Fans halten Fähnchen zum Schwenken in ihren Händen. Irgendwo dazwischen glühen kleine Leuchtstäbe und ständig sind Hände in der Luft. Es wird geklatscht und gejubelt. In diesen Stunden fackelt OMEGA ein Freudenfest der Emotionen im Saal des „Anker“ zu Leipzig ab, dessen Widerhall in den Gesichtern oben vor mir deutlich ablesbar ist. Es ist das erste Mal, dass ich dieser Band so nahe bin. Sowohl in Landsberg, als auch in Dresden am Elbufer, ist die Distanz viel zu groß gewesen, um so ein intensives Naherlebnis wie hier haben zu können. Für mein Gefühl viel zu schnell deutet sich das Ende an, als vom Album „Csillagok Utjan“, bekannt als „Skyrover“, mit weit ausufernden Keyboardklängen, wuchtigen Akkorden und viel Sythesizer - Sounds „Metamorfosis II“ und „Sülyi“ als Finale eingeläutet werden. Danach ist Schluss, die Rock-Zeremonie vorüber und ausgeklungen. Doch nicht ganz, denn ohne Zugaben und ohne den Überhit kann OMEGA natürlich auch in Leipzig nicht von der Bühne gehen. Die Musiker lassen sich gern noch einmal auf die Bretter rufen und das Konzert klingt mit der alten „Petroleumlampe“ und dem einzigartigen „Mädchen mit Perlen im Haar“ aus, das gleich in mehreren Sprachen durch den „Anker“ zu Leipzig wandert. Die Ungarn-Rocker haben mehr als nur „10.000 Schritte“ auf der „Nächtlichen Landstraße“ hinter sich gebracht und nicht immer war eine „Petroleumlampe“ zur Hand. Sie haben ihre Musik „Auf der Strasse auf dem Platz“ gespielt und die mystische „Reise auf dem grauen Fluss“ unternommen. Sie gründeten „Gammapolis“ und besuchten das historische „Babylon“. Sie sahen auch die „Schattenseite der Erde“ und ein „Perlenhaariges Mädchen“ war stets an ihrer Seite. OMEGA gehört zum Leben vieler hier, wie etwa die Beatles, die Stones, wie Niemen, Renft, die Puhdys oder eine Moped namens „Schwalbe“ und die legendäre KARO zum Rauchen. Schon allein deshalb ist dieser Abend am Ende so einmalig und so emotional, wie ein Zwei-Stunden-Trip durch das eigene Leben, voller Erinnerungen und mit Emotionen aus tiefstem Herzen. All das kann jeder Angereisten von hier mit nach Hause nehmen. Ich bleibe noch einige Minuten, lasse das Erlebte sacken, indem ich meine Gefühle mit anderen Fans teile. Dass dieser Abend mein letzter mit der über Jahrzehnte bekannten „Mark II Besetzung“ von OMEGA sein wird, kann ich nicht wissen. Eine leise Ahnung davon nehme ich dennoch mit in die Nacht und einige kleine Souvenirs als greifbare Erinnerungen mit nach Hause.