Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Olaf Schubert lehrt Deutsch & Weltphilosophie 06.09.2011 Wenn es nicht so dämlich und so total unförmig an meinem Leib aussehen würde, dann hätte ich mir wahrscheinlich einen gelb-grünen Rauten-Pullunder besorgt und angezogen. Meine mir verbliebenen Haare hätte ich mit Gel oder einem anderen Produkt aus einer Tube an die Birne gekleistert und dann so einen Scheitenseitel gezogen. Nur dieses breite Grinsen hätte ich nicht hinbekommen und solche Schlapperjeans sind in meiner Bauchgröße auch nicht zu haben. Welch ein Glück! So war denn OLAF SCHUBERT doch der Einzige, der in dieser modischen Alltags-Kleidung für Aufsehen sorgte und in dem Aufzug sogar die Bühne der Lausitzhalle in Hoyerswerda eroberte. Er hat es tatsächlich geschafft und er „war bei uns“, will heißen, ich war beim ihm. Gemeinsam mit ein paar hundert anderen hab’ ich mir ausführlich „seine Kämpfe“ erläutern lassen und auch, wie man richtig „auf Deutsch schreiben tut“. Da steht er also, dieses gelb-grüne Wolloberteil tragende Herrenmonument aus dem Sächsischen, den nicht vorhandenen Bauch leicht nach vorn gewölbt und abwechselnd mal sein linkes oder rechtes, zu kurz geratenes Standbein, als Drehachse nutzend, und spricht all die unwirklichen Gedanken aus, die jeder einzelne von uns auch schon zu haben geglaubt meinte. Zumindest dann, wenn er sie gehört hätte. Nach kurzer Begrüßung und einem strengen Hinweis für zu spät Gekommene, die nun im Stoff hinterhinken würden, beginnt eine Reise durch abstrus zerklüftete Wörterfetzen und verschachtelte Halbsatz-Labyrinthe. Es geht vorbei an medizinischen Erinnerungsfetzen seiner Kindheit „Mein Vater hat als Chirurg viele Prominente operiert. Bei Frau Merkel sogar die Prostata (Pause) und das sogar mehrmals“ über die „feminimöse“ Wahrnehmung der Welt „die Soldatinnen halten die Stellung bis zum letzten Mann“ bis hin zu jenen Erkenntnissen der Weltgeschichte, in deren Verlauf „die Frauen ständig unterdrückt wurden, was sich auch bewährt hat, wenn auch niemand genau weiß, warum.“ Zwischendurch macht er uns den Gitarre spielenden Kämpfer, indem er die Saiten der Gitarre gegen den Strich bürstet und seine Stimme darunter klemmt. Um den Eindruck nicht zu sehr zu verfestigen, holt er sich mit JOCHEN BARKAS an der Holzgitarre (und mit gelber Hose) einen maßgeschneiderten Prügelknaben auf die Bühne, das gelangweilte Gegenüber, den das alles scheinbar nichts angeht und so die gähnende Leere nicht gesprochener Antworten symbolisiert. Auf der anderen Bühnenseite steht manchmal, in Person von Herrn STEPHAN, die aalglatte Ruhe im Wege, dem das ganze Getue ziemlich schnuppe ist. Diese Gegensätzlichkeit der drei Typen da vorn füllt den Bühnenraum aus und wenn sie dann doch gemeinsam Töne fabrizieren, bekommt man eine vage Ahnung davon, was so manchem ohne die Kenntnis von DEKADANCE bisher entgangen ist. Mich eingeschlossen. Ich habe versucht, alle Weisheiten von Weltverbesserungserklärungsversuchen zwei Mal je Stunde in mich aufzusaugen, jedoch jedes Mal sind die gedanklich hoch gebauten Wolkenkratzer aus bizarren Wortwürfeln und dem wortvirtuos geplanten Witzfutter wieder mit meinem Lachtränen ausgelaufen. Der Versuch der Kunstfigur, eine bessere Welt herbeizureden, muss zwar an seiner ihn selbst ständig überholenden verbalen Häckselarbeit scheitern, nährt aber die Illusion, sich genau damit von all dem Ballast der „täglichen Kämpfe“ vielleicht frei machen zu können. Mein Zwerchfell jedenfalls, hat sich für die nächsten Tage derartige weitere Attacken verbeten. Doch Vorsicht, dahinter steckt Methode. Dieser OLAF SCHUBERT mit den hilflosen Gesten und dem Gesicht eines unschuldigen Lamms in hilflos wirkender Sachsengestalt, lockt unsere Anteilnahme und elterlichen Hilfsreflexe hervor, um uns kurz darauf, exakt in die falsche Richtung losgehetzt, mit seinen hinterhältig-sinnvollen Versprechern und Nachsetzern, eins auf die Omme, aber zumindest hinter die Ohren zu geben und jeder dieser herbei gefuchtelten Nackenschläge sitzt. Versprochen! Wenn einer der derzeit lebenden Künstler die ostdeutsche Seele aus ihrer gebückten Haltung wieder zum aufrechten Gang ermuntern kann, ohne dabei sich selbst verbiegen zu müssen, denn der OLAF steht ohnehin krumm auf der Bühne, dann ist es dieser Erklär-Pullunder, der uns im „Kampf gegen den Kapitalismus imperialistischer Prägung“ zur Seite steht, weil er weiß, dass dieser Kampf zwar längst verloren, aber mit einem Lachen im Gesicht besser auszuhalten und zu verdauen ist. Ich hatte schon immer geahnt, dass meine Art, diese Welt zu interpretieren, vielleicht die einzig richtige sein könnte. Kein Wunder also, dass seine frohe Botschaft, die Wende könne sich vielleicht wiederholen, weil der „Schoß noch fruchtbar ist, aus dem sie kroch im Uterus brennt noch Licht“, von der Menge mit Beifall und wildem Gejohle aufgenommen wird. Mich inbegriffen. Sprache ist uns allen, nach erfolgreicher Bewältigung vieler evolutionärer Stufen bis zur Höchstform des Homo Sapiens, gegeben und wir benutzen sie jeden Tag. Die letzte Stufe hieß „Pisa“ und fortan war es gestattet, die deutsche Sprachkultur, dem Maul des Mop folgend, zu verkürzen, zu verhunzen und verbal zu verunstalten. Angeblich der besseren Verständigung wegen, was ich bis heute nicht verstanden habe. Da ist es gut zu wissen und am eigenen Leib zu erfahren, dass es den Wortjongleur und Hochseilkünstler des Unaussprechlichen in unserem Land gibt. Der hat zwei Stunden beinahe nur geredet, gesprochen, verknüpft und geknotet, das Wirrwarr gebastelt und dennoch alle Enden wieder gefunden, um sie neu zu zerstückeln und das alles ohne Daumen und Simsen. Nur mit dem Mund und ausnahmsweise auch unter Zuhilfenahme seines Gehirns! Es gibt keinen Zweiten, der das auch kann und keinen, der das kann, ohne vorzuführen oder die Gürtellinie nach oben ziehen zu müssen. Keinen zweiten Pullunder und nur einen Olaf! Mehr braucht das Volk nicht zwischen Wahrheit, Gegenwart und „Revoluschen“. Ein wenig keimt die Hoffnung, dass er dabei Substantive groß gesprochen hat und dass das „dass mit ß“ definiert ist. Oh ja, es gibt eine Generation nach Goethe, nach Schiller, Christa Wolf und Kurt Schramm, den ostdeutschen Arbeiterdichter und Volkspoeten! OLAF SCHUBERT inbegriffen.