Musikerkollektiv MTS live im Pionierhaus
23.11.1978
Wir
sind
inzwischen
ein
einig
Deutschland,
ein
Herz
und
zwei
Seelen,
und
immer,
wenn
ich
nicht
weiß,
ob
ich
darüber
glücklich
oder
traurig
sein
soll,
versuche
ich,
meine
eigene
Geschichte
und
die
meiner
Musik
zu
befragen.
Da
finde
ich
noch
ehrliche
Antworten
und
keine
zweckdienlichen
Halbwahrheiten.
Ein
gemeinsames
vereintes
Land
sind
wir,
weil
der
zornigen
Mehrheit
auf
die
Schnelle
nichts
Besseres
eingefallen
ist,
als
D-Mark
und
Bananen.
Auch
die
Reiselust
zum
Ballermann
statt
Balaton
hat
ganz
sicher
dazu
beigetragen.
Und
außerdem
ist
das
gemeinsame
Aufregen
über
die
alten
Bürokraten
der
Vorfreude
auf
neue
gewichen
und
hat
so
das
Gefühl
der
Zusammengehörigkeit
befördert.
Zumindest
so
lange,
bis
die
neuen endlich da waren. So etwas nennt dann der stolze Wendehals revolutionär. Ich finde es einfach nur doof.
Die
Seelen
allerdings
fühlen
vielerorts
noch
immer
sehr
unterschiedlich,
denn
viele
mussten
viel
Neues
erst
neu
begreifen
lernen.
So
etwa
was
eine
GEZ
ist
oder
was
ein
Ombudsmann
kann
und
will.
Andere
wiederum
können
uns
Neubürgern
wortreich
erklären,
was
FDJ*
war
und
was
wir
dort
haben,
obwohl
sie
selbst
nie
dabei
waren.
Sie
haben
keine
Ahnung,
wozu
ABV*
da
war
und
was
LPG*
oder
gar
MTS*
bedeutet.
Meist
versucht
der
Große
den
Kleinen
erst
gar
nicht
zu
verstehen
oder
gar
auf
ihn
neugierig
zu
sein,
sondern
beginnt
umgehend
mit
seinen
Belehrungen
von
Freiheit
und
Demokratie,
die
sie
aber
nicht
mitgebracht
haben.
Daraus
kann
man
auch
schlussfolgern,
dass
wir
zwar
ein
Volk
mit
gleicher
Grammatik
sind,
sagt
zumindest
der
Duden,
aber
eigentlich
voneinander
überhaupt
nicht
die
geringste
Ahnung
haben
und
den
bayrischen
Dialekt
finde
ich
persönlich
fast
schlimmer
als
Keuchhusten,
etwas
übertrieben
formuliert.
Lasst
mich
also
für
einige
Momente
diesem
tauben
Gefühl
mit
Aufklärung
in
Sachen
Musik
und
Humor
begegnen
und
über
eine
Institution
erzählen,
die
MTS
*
heißt
und
Teil
des
geteilten
Volkes
war
und
inzwischen
dem
Volk
im
Osten
seine
Schwächen
und
Stärken
sowie
Leviten
verliest
und
besingt.
In
den
Westen
dürfen
sie
nicht,
weil
sie
dort
(noch)
keiner
versteht.
Aber
das wird noch, habt Geduld mit den Alteingesessenen.
In
Elsterwerda
gab
es
ein
„Haus
der
Jungen
Pioniere“*
und
wer
meint,
diese
armen
Jungpioniere*
wurden
dort
schon
im
frühen
Kindesalter
auf
Parteilinie*
getrimmt,
war
mindestens
auf
einem
Auge
blind.
Es
gab
dort
viele
AG’s
*
und
Zirkel*
und
ich
habe
dort
als
hauptamtlicher
Kulturfunktionär
*
die
Möglichkeit
gehabt,
viele
Ideen
für
Veranstaltungen
und
Konzerte
mit
ehrenamtlichen
Helfern
eines
Klubs
der
Werktätigen*
zu
verwirklichen.
Mein
Antrieb
hieß
Lust
und
nicht
etwa
Parteibuch*.
Ich
kann
mich
nicht
erinnern,
dass
ich
jemals
eine
Idee
„aufgebürdet“
bekam
und
selbst
die
Beethovenehrung
hat
mir
einen
Riesenspaß
bereitet.
Das
mag
anderen
Ortes
anders
gewesen
sein,
und
Elsterwerda
war
nicht
Berlin,
dessen
bin
ich
mir
durchaus
bewusst,
aber
wir
waren
damals
schon
nicht
alle
gleich
oder
wurden
gar
gleich
behandelt.
Berlin
war
immer der bevorzugte Teil der Republik.
Zur
selben
Zeit,
nämlich
1973,
hatten
sich
in
Berlin
einige
Musik-
und
Satirebegeisterte
um
den
Sohn
des
Karikaturisten
Erich
Schmitt*
zusammengefunden.
Gemeinsam
wollten
sie
ehrlich
musizieren
und
sich
dabei
vor
allem
vom
Leben
in
der
größten
DDR*
und
vom
Volk
der
Ossis
inspirieren
zu
lassen,
um
ihm
anschließend
gehörig
eins
einzuschenken.
Das
machte
die
jungen
Männer,
obwohl
sie
anfangs
in
wechselnden
Besetzungen
auftraten,
schnell
populär
und
vor
allem
beliebt.
Zweideutiges Denken, Schreiben und Singen war schon immer ein herausragendes Merkmal eines gelernten DDR-Bürgers*.
Fernsehauftritte
des
Volkskunstkollektivs
*
MTS
und
eine
erste
Single
mit
der
Ballade
von
den
„Zehn
bösen
Autofahrern“
(1974)
taten
ihr
übriges.
Die
ganze
weite
Welt
der
DDR
zwischen
Fichtelberg
und
Kap
Arkona
stand
den
jungen
Künstlern
offen, um sich zu tummeln und zu reisen.
Das
Kürzel
MTS*
hatte
mit
einer
„ländlichen
Technikeinrichtung“*
nichts
zu
tun,
sondern
stand
stolz
und
hintersinnig
für
MUT,
TATENDRANG
und
SCHÖNHEIT,
drei
Dinge,
die
im
Überlebenskampf
des
sozialistischen*
Alltags
durchaus
förderlich
sein
konnten.
Außerdem
beschrieben
sie
sehr
treffend
den
Gesamtzustand
des
„künstlerischen
Kollektivs“*
aus
der
Hauptstadt.
Mir
kam
also
wie
von
selbst
die
Idee,
mit
diesen
drei
Ulknudeln
mal
richtig
abzulachen
und
gemeinsam
mit
anderen Spaß zu haben. Ein Parteiauftrag* stand nicht dahinter.
Am
23.
November
1978
war
es
endlich
soweit
und
das
umgangssprachlich
„Pionierhaus“*
genannte
Gebäude
öffnete
seine
Türen
für
einen
Abend
mit
der
Gruppe
MTS.
Ich
kann
mich
gut
erinnern,
dass
der
Saal
gerammelt
voll
war,
die
Klappstühle
nicht
reichten
und
einige
Besucher
sich
einfach
auf
die
seitliche
Podestkante
gesetzt
hatten.
Der
Abend
mit
Liedern,
Reimen,
Limericks,
Anekdoten,
Sprüchen
und
lauten
Zwischenrufen
konnte
beginnen.
Auf
der
Bühne
standen
drei
Mikrofonständer
sowie
ein
alter
Holzstuhl
auf
der
rechten
Seite
für
den
Fuß
von
HERBERET
TREICHEL,
damit
er
seine
Gitarre
auf
dem
Oberschenkel
besser
ausbalancieren
konnte.
Das
Mikrofon
zur
Linken
stand
für
FRANK
ENGELHARDT
dort
und
vor
dem
in
der
Mitte
spielte,
sang
und
tanzte
THOMAS
SCHMITT.
Zwischendurch
überschüttete
er
die
Anwesenden
mit
mehr oder weniger klugen Sprüchen und selbst gebastelten Limericks.
Natürlich
begann
dieses
Konzert
ganz
„schnuckelich“
mit
„Ein
Pferd
wie
du
und
ich“,
einer
Persiflage
auf
die
Indianerfilme
der
DEFA
*
und
auf
diese
Weise
mit
einem
Griff
in
das
volle
quirlige
Leben
in
der
DDR.
Spätestens
bei
der
„Ballade
von
des
Förster’s
sensibler
Tochter“
hatten
die
drei
den
Saal
fest
im
Griff
sowie
die
Lacher
und
Jodler
auf
ihrer
Seite.
THOMAS
SCHMITT
tänzelte
zum
Gaudi
aller
über
die
Bühne,
eine
Nummer,
die
er
auch
heute
noch
schafft.
Gewiehert
hat
er
übrigens auch damals schon.
Im
Jahr
1978
ebenso
wie
auch
heute
noch
machten
sich
Schmitt
&
Co.
mit
„Der
schönste
Platz
ist
an
der
Apotheke“
über
den
Medikamentengebrauch
mancher
Mitbürger
lustig.
Inzwischen
kommt
diese
Nummer
allerdings
viel
bissiger
daher,
weil
in
den
Apotheken
auch
viel
mehr
unnötige
Pillen
verkauft
werden.
Gefeierte
Höhepunkte
sind
bis
in
die
Gegenwart
„Tamara“
und
natürlich
ihre
„10
bösen
Autofahrer“,
der
Klassiker
der
drei
Musikanten.
Nach
der
Melodie
einer
bekannten
russischen
Volksweise
tobten
SCHMITT,
TREICHEL
und
ENGELHARDT
über
die
Bretter
und
probierten
sich
stilecht
am
Kasatschok*,
um
die
Schönheit
des
russischen
Mädchens
namens
Тамара*
zu
besingen.
Das
sind
jene
seltenen
Augenblicke,
da
ein
bescheidener
DDR-Bürger
schon
mal
seine
gute
Kinderstube
vergessen
konnte
und
sich
in
russischer
Sprache
zu
spontanen
Äußerungen
hinreißen
ließ.
Den
Text
kannte
ja
nahezu
jeder
auswendig
und
so
mancher
sang
einfach
lauthals
mit.
Doch
spätestens
bei
den
„10
bösen
Autofahrern“
konnte
keiner
mehr
vor
Lachen
mitsingen.
Dieses
kleine
Liedchen
mit
dem
teilweise
bissigen
Texten
ist
auch
heute
noch
immer
ein
Brüller
und
glänzt
an
manchen
Stellen
durch
seinen
schwarzen
Humor.
Natürlich
gab
es
kein
Konzert
von
MTS,
zumindest
nicht
in
jenen
Tagen,
ohne
das
„Liebeslied für Daggi“, das an Zweideutigkeiten keine Wünsche offen lässt und so etwas wie ein Markenzeichen war.
Ein
Konzert
mit
MTS
war
und
ist
immer
ein
besonderes
Erlebnis
und
wenn
das
Publikum
es
sich
traut,
dann
können
auch
schon
mal
die
verbalen
Fetzen
fliegen
und
ständige
Dauerlachsalven
zu
Atemnot
führen.
Daran
hat
sich
bis
heute
nichts
geändert.
Zum
Glück!
Eine
besondere
Begebenheit
aber
wird
mir
ewig
in
Erinnerung
bleiben.
Kurz
vor
Ende
des
Konzertes,
wir
waren
schon
im
Zugabenteil,
enterte
plötzlich
der
Hund
des
Hausmeisters
die
Bühne
und
hätte
den
drei
Herren
beinahe
die
Show
gestohlen.
Doch
die
nutzten
die
Situation
blitzschnell
für
sich
aus
und
beendeten
den
Abend
mit
einem
Hund
auf
dem Arm und stellten sich zu viert für ein seltenes Abschlussfoto, das ich mir wenig später, außer vom Hund, signieren ließ.
Humor und Satire sind Medizin, vor allem dann, wenn das Leben nicht immer
jene Weg nimmt, die man sich normalerweise wünscht oder wenn es einem
gar zu ernst oder zu chaotisch daher kommt. Mit Pillen kann ich dann meist
wenig anfangen, aber Lachen über Dinge, Situationen oder mich selbst hilft
fast immer, selbst dann, wenn einem das Lachen beim Vernehmen manch
großer Leistungen aus deutschen Landen im Hals stecken bleibt.
Zu
damaligen
Zeiten
im
kleinen
verschlossenen
Land
nahmen
der
Witz
und
die
stilvolle
Frotzelei
über
„die
da
oben“
einen
ganz
besonderen
Platz
ein.
So
mancher,
wie
eben
THOMAS
SCHMITT
oder
auch
sein
Freund
Hans
„Knippe“
Knippenberg
von
POSSENSPIEL,
bastelten
für
die
Menschheit
daraus
ein
abendfüllendes
Konzertprogramm.
Sie
schenkten
uns
allen
humorvoll-satirische
Liederabende
und
eine
Menge
Vergnügen.
Bekanntermaßen
gab
es
ja
auch
mal
eine
Sendung
beim
DFF*,
die
nannte
sich
„Medizin
nach
Noten“,
aber
dort
durften
sie
nicht
auftreten,
weil
sie
sich
nicht
so
gern
sportlich
betätigen wollten.
Inzwischen
haben
sich
die
Zeiten
und
eine
Menge
Leute
„gewendet“,
will
heißen,
ihr
wahres
Gesicht
gezeigt,
mit
dem
wir
nun
weiterleben
müssen.
Der
Stellenwert
von
Doppelsinn
und
bissigem
Humor
aber
ist
im
„Deutschland
eilig
Vaterland“
wichtiger
und
(über)lebensnotwendiger
denn
je,
weil
nämlich
die
alten
Betonköpfe
von
neuen
in
den
Behörden
und
Ämtern
ersetzt
wurden.
Das
Spiel
kann
also
von
vorn
beginnen
und
ein
Schelm,
wer
dahinter
eine
Botschaft
zu
entdecken
versucht.
* Ostdeutsches Fremdwortvokabular bzw. überlieferte alte Ossi-Geheim-Codes
Autogrammkarte der damals noch drei Herren