Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
The Moo - Rockabilly aus und in Quedlinburg 01.08.2020 Jeans, Petticoat, Lippenstift, Haartolle und Sonnenbrille, dazu Waschbrett, Gitarre sowie Kontrabass und schon haben wir alles beieinander, was zum Rockabilly passt. Vielleicht noch Sonnenschein und gute Laune. Mehr braucht es nicht für eine kleine Party Mitte der 1950er Jahre. Damals hielt ich eine Zuckertüte in der Hand und hatte keine Ahnung, was da aus Amerika an den europäischen Kontinent schwappte. An die feschen jungen Damen mit den bunten Röcken und dem weißen Gürtel darüber, an die kann ich mich noch vage erinnern. Die dazu passenden jungen Herren in Jeans nannte man später die Halbstarken. Das sollte abfällig klingen, machte aber eher neugierig. Geblieben sind Erinnerungen an eine bunte Mode und rhythmusbetonte knackige Musik, die in die Beine und Hüften ging. An all das dachte ich bei einem Blick auf ein knalliges Plakat irgendwo in der Stadt. Am Tag danach reifte mein Vorhaben, dem Lockruf des Plakates zu folgen. Quedlinburg ist als eher Weltkulturerbestadt, mit herrlichen Fachwerkhäusern im Stadtkern, berühmt, denn als „City of Rockabilly“. Dennoch lockt mich die Vorstellung, einmal die ländliche, handgemachte Musik aus den USA live erleben zu können, auf den großen Parkplatz der Stadtwerke Quedlinburg, wo man von Fachwerkhäusern nichts ahnt. Zu meinem Erstaunen finde ich dort eine große Bühne vor und Gastronomie, als wäre dies ein Stadtfest. Nachdem mein Zögern abgeklungen ist, entscheide ich mich, mit einem Ticket das weite Areal zu betreten und mich an einem der vielen Tische niederzulassen. Ich scheine tatsächlich in den 50er Jahren gelandet zu sein, denn viele Anwesende haben sich modisch im Look jener Tage gekleidet und flanieren an der Bühne vorüber. An deren Hintergrund prangt das Logo von THE MOO mit zwei Kuhhörnern und ich ahne, worauf das ganze hinauslaufen könnte. Schön ist es hier und viel Platz habe ich auch. Die dunklen Wolken am Horizont ignoriere ich einfach und warte auf die Hillbillies und Rock’n’Roller (aus Quedlinburg in Quedlinburg). Dann erscheinen sie, THE MOO aus Quedlinburg. Drei Ladies, zwei in Kleid und roten Blüten im Haar, mit Bass und Gitarre sowie eine dritte, burschikos gekleidet, die hinter dem Schlagzeug verschwindet. Die drei Damen bringen einen Herren sowie dessen Gitarre im Style der 50er mit auf die Bühne. Dann sind THE MOO vollständig und ich gespannt wie ein Flitzbogen. Als es endlich „Bang Bang“ (nicht von Cher) macht und „Love & Kisses“ von Janis Martin aus dem Jahr 1957, ich war damals ABC-Schütze, von der Bühne krachen, weiß ich, dass ich richtig ausgewählt habe. Sofort rollt der „Lonesome Train“ über die Gleise und meine Füße unter dem Tisch wippen leicht. Die Rockabilly-Party mit THE MOO hat begonnen. Den ganzen Abend über habe ich den Eindruck, dass die vier Musiker verdammt viel Spaß haben und in dieser Musik ganz und gar aufgehen. Nichts, aber auch gar nichts, wirkt aufgesetzt. Mir scheint, die da oben schwimmen und tanzen in ihrem Lebenselixier und reißen schon deshalb jeden mit. Von der Bühne herunter jagt ein Klassiker den nächsten, von „Hey Porter“ (Johnny Cash) bis „Mystery Train“ (Elvis Presley) ist alles vertreten, was man schon einmal im Radio gehört hatte. Auch der Hüftschwung a la Elvis kommt beim Typen mit der Duane Eddy Gitarre nicht zu kurz und die Massen jubeln nach „Good Rockin’ Tonight“. Ich freue mich über einen Song namens „Jackson“, dessen Duett mit Nancy Sinatra und Lee Hazlewood mich an meine Jugendzeit Mitte der 1960er Jahre erinnert. Den vier von THE MOO gelingt es tatsächlich, die Stimmungen dieser Songs einzufangen und authentisch auf diese Bühne zu bringen. Drei Minuten und schon klingt der nächste Hit aus alten Zeiten. Es fühlt sich gerade an wie eine Live-Show aus dem guten alten Dampfradio, wie „Evergreens A Go-Go“ mit - Gott hab’ ihn selig - Lord Knud. Das hatte ich so nicht erwartet. Einfach Klasse und es tut gut! Es ist dunkler geworden und irgendwie Halbzeit. Andere Kapellen würden jetzt eine Pause ankündigen und sich von einer Stunde „Arbeit“ ausruhen. Nicht so die „muhenden (Amateur)Kühe“. Die jagen ihre Dame mit Mütze von Becken und Fellen weg, drücken ihr eine Ukulele in die Hände („Als Instrument ist sie patent und obendrein ist sie noch klein“, so deren Ansage.) und lassen sie die „Real Cool Kitty“ singen. Die Massen johlen, die Stimmung ist grandios und ich bin begeistert von dem, was ich soeben erlebe. Die stecken gerade manche Profi-Kapelle, die sich für ungemein gut und wichtig hält, mit ihrer Spielfreude und Ausstrahlung locker in die Tasche! (Schreibe ich das jetzt wirklich?) So viel natürliche Freude und Spaß an der Musik habe ich schon lange nicht mehr erlebt (und ich habe viel erlebt)! Bei „Jambalaya“ brennt die Luft und beim jodelnden „Cowboys Sweetheart“ bleibt im Rund kein Auge trocken. Diese wilden „Muh-Tiere“ verbreiten einfach nur pure Lebensfreude mit ihren Versionen der Klassiker aus längst vergangenen Tagen. Meine Füße wippen im Takt von „Yakety Yak“ und mein Körper biegt sich beim „Snake Dance Boogie“ wie eine Schlange, denke ich zumindest, aber gefühlt scheint es so. Mit ihrer Version des Dylan-Klassiker’s „It Ain’t me, Babe“ haben sie mich letztlich endgültig überzeugt. Die Kapelle zieht mich dermaßen in ihren Bann, dass ich sogar darauf verzichte, mir eine Bratwurst zu holen (wer mich kennt, weiß, was das bedeutet), weil ich befürchte, vielleicht etwas zu verpassen. Es scheint wie eine große Familie zu sein, die sich hier auf dem Parkplatz feiert und eine Musik aufleben lässt, die schon vor den sogenannten Oldies stattfand und ein besonderes Lebensgefühl ausstrahlt. Irgendwann, um die zehnte Stunde herum, nähert sich der Rockabilly-Train seiner Endstation. Mit den Klängen von „Honey Hush“ und „Ooby Dooby“ (Roy Orbison) sowie „It’s Alright Mama“ (Elvis) rollt der Zug langsam aus und zwei Stunden Rockabilly, Country & Hillbilly verklingen im Nachthimmel über der Stadt. An der Rampe bitte ich um Aufstellung für ein Gruppenfoto, dann ist die Bühne wieder leer und die Musiker tauchen im Publikum, bei ihren zahlreichen Freunden und Bekannten, unter. Wenn ich mit zwei oder drei Freunden hier wäre, würde ich mir jetzt Zeit für die Bratwurst und ein Getränk nehmen, den Abend noch „auswerten“ und ihn nachwirken lassen. Stattdessen mache ich das später zu Hause, obwohl ich es gar nicht vorhatte. Passiert ist es nun doch, bedankt Euch bei THE MOO. The Moo: Ines Martin - voc, guit Sandra Schischkowski - bass, voc Valeriam Herdam - guit, voc Conny Richter - dr, perc, ukulele, voc