Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Wenn die Seele schwitzt – Modern Soul Band live August 1979 In einer Zeit vor Zeiten, lange bevor es Notebook, iPhone und seltendoofe Selfies gab, in einem Land, das die Geschichte mitsamt seinen Pappautos, bunten Wimpelketten und fröhlichen Kinderferienlagern verschluckt hat und das nur noch in privaten Erinnerungen existiert, vor diesen ewigen Zeiten hatte die legendäre Melodie & Rhythmus noch A5-Format und auf einer ihrer Titelblattseiten prangte frech ein Foto der Berliner MUSIC STROMERS. Das war eine Band, so würde man heute vielleicht sagen, aus der musikalische Legenden hervorgingen. Musiker, deren Namen man in Fan-Kreisen noch heute mit Hochachtung und Kennermiene ausspricht. Nein, nicht was einige jetzt denken! Ich meine einen, der die Geschichte mitgeformt und geprägt hat, einen, dessen Musikalität und Charakter über jeden Zweifel erhaben ist: GERHARD „HUGO“ LAARTZ, der Gründer der MUSIC STROMERS und damals ihr Rhythmus-Gitarrist. Als die MUSIC STROMERS im Jahre 1968 verboten wurden, entstand unter der Leitung von „HUGO“ das MODERN SEPTETT, das kurz danach MODERN SOUL BAND hieß. Der Name sollte die inhaltliche Anlehnung an den amerikanischen Soul assoziieren, so wie ihn Otis Redding oder James Brown, der „Godfather of Sould“, sangen und Blood, Sweat & Tears oder Chicago spielten. Diese homogene und verschwitzte Mixtur aus Rock, Jazz, Blues & Soul der amerikanischen Großstädte, die sich auf knackige Bläser und ein funkiges Piano stützte, war es, was LAARTZ von Beginn an faszinierte und das wollte er mit der Band in sein Berliner Großstadt-Gefühl übersetzen. Mit KLAUS NOWODWORSKI war auch bald ein begnadeter Sänger gefunden, der dies in deutscher Sprache und zeitgemäßen Inhalten adäquat zu singen und auszudrücken vermochte. Die MODERN SOUL BAND war von Beginn an ein Schmelztiegel für Talente, wovon das Kommen und Gehen vieler namhafter Musikanten zeugt. Nach Hugo’s Aussage über 100, ohne dass dabei der Stil oder die Musizierweise gelitten hätten. Die Konstanten der Band waren Bandgründer und Keyboarder „Hugo“ LAARTZ und DAGOBERT DARSOW, der Mann an der Posaune. Die stimmlichen Fixpunkte bei MSB hießen KLAUS NOWODWORSKI, REGINE DOBBERSCHÜTZ, GONDA STREIBIG und später auch CHRISTIAN SCHMIDT, der DDR - Cocker. Nachdem bereits 1973 die LP der Klaus Lenz & Modern Soul Big Band bei Amiga erschienen war, folgte 1976 als Live-Mitschnitt die eigene LP und 1979 mit „Meeting“ die nächste. Es ist genau jene Zeit, in die meine Erinnerung an ein Konzert der MODERN SOUL BAND in Elsterwerda zum Ende der 1970er Jahre zurück schweifen. Wieder einmal fanden an ein paar Sommertagen im Juli/August 1979 die Betriebsfestspiele des VEB Kombinat Impulsa in Elsterwerda statt. Die Marke Impulsa war eine internationale Hausnummer in Sachen Melktechnik und Geld für Kulturprojekte war keine Mangelware, im Gegenteil. BGL und FDJ agierten großzügig und so orientierte man sich an Spitzenangeboten der KGD (für die Unkundigen: Konzert- und Gastspieldirektion) und der Künstleragentur. Einer von den verantwortlichen hatte die MODERN SOUL BAND ausgesucht, vielleicht auch, um sich persönlich einen Wunsch zu erfüllen. Der Platz vor der Freilichtbühne nahe dem Sportplatz in Elsterwerda-Biehla war rappelvoll und das Sommerwetter lockte uns dorthin, zumal es nicht üblich war, bei solchen Veranstaltungen Eintritt zahlen zu müssen. Schnell noch ein leckeres Bierchen vom Fass und dann ging es bis vor an die kleine Bühne, vor der in großen Steinkästen blühende Rosen und andere Blumen als Dekoration wuchsen. Ein Fehler, wie sich noch zeigen sollte. In die Schwüle des Abends schmetterte die MODERN SOUL BAND den heißen Soul von „Himmel und Hölle“ und an uns Männern gerichtet begrüßte uns KLAUS NOWODWORSKI mit seinem „Hallo, alter Junge“ und tänzelte dabei in einem damals modischen Ganzkörperanzug auf der Bühne einher. Der Mann hatte Charisma und eine Bühnenpräsenz, die damals seinesgleichen in Sachen Soul & Funk suchte oder anders formuliert, es gab nur diesen einen und der starb leider 2001 an einer schweren Erkrankung – verdammter Krebs! NOWODWORSKI merkte man an, dass er Soul-Musik zu singen liebte und es auslebte. Das war jener Touch von Seele und Hitze, der in seiner Stimme steckte, wenn er uns den „Manne Mücke“ gab oder den „Novemberblues“ aus seinem Innern in den Abend stöhnte. Dabei wurde er von einer straffen und schneidigen Bläsersektion begleitet, die damals wohl einmalig war. Von der Band ging nicht nur an diesem Abend etwas ganz besonderes aus, das zum einen in der Besetzung mit Bläsern und zum anderen in der enormen Spielfreude der Musiker zu suchen war. Soul, Funk und Blues haben auch eine Menge mit Spaß, Freude und Bewegung zu tun und das übertrug sich auch auf uns Fans. Neben den musikalischen Urgesteinen „Hugo“ LAARTZ und KLAUS NOWODWORSKI stand an diesem Abend mit WOLFGANG NICKLISCH an der Gitarre auch ein Lokalmatador auf der Bühne, denn der exzellente Gitarrenkünstler stammt aus dem benachbarten Lauchhammer. Hinter der Schießbude saß STEFAN GEUTHER und der Bass wurde von JÖRG DOBBERSCH gezupft. Diese Dreierkombination erzeugte den rhythmischen Funk, auf dem sich die anderen Instrumentalisten austoben konnten. Das eigentliche Soul- und Bluesfeeling aber produzierte eben die einzigartige Bläsersektion, allen voran Dagobert Darsow (Posaune), der einst Conny Bauer ablöste und seither an dieser Position in der Band Musik macht, sowie Joachim Schmauch (Saxophon) und Christian Höhle (Trompete). Diese Besetzung kann man bis heute durchaus legendär nennen, denn sie blieb über relativ lange Zeit konstant und festigte den Ruf der MODERN SOUL BAND in der Szene des kleinen Landes. Natürlich wollten wir von der MODERN SOUL BAND auch die Klassiker des Genres hören, jene Songs, die damals stellvertretend für und in Ermangelung der Originale live gespielt wurden. Höhepunkt des Konzertes war ohne Zweifel der internationale Part, als Hi De Ho“ von Blood, Sweat & Tears sowie „25 Or 6 To 4“ von Chicago erklangen, jene opulenten Kompositionen mit den fetten und markigen Bläsern, bei denen man entweder auf die Knie gehen oder vor Übermut tanzen möchte. Wir hatten uns für letzteres entschieden und bei der folgenden James Brown Nummer „Sex Machine“ blieb uns ohnehin nichts anderes übrig. Das waren Hitze, Schweiß und pure Lust, eine Mixtur, die man übrigens heute noch immer bei MODERN SOUL erlebt. Da brennt einfach nur die Luft! Mein ganz persönliches Highlight war neben „25 Or 6 To 4“ - soll übrigens eine „Zeitansage“ sein - das im Original von Otis Redding gesungene „(Sittin’ On) The Dock Of The Bay“. Dieser Song transportiert das Gefühl dieser Musik wie kaum ein zweiter, zumindest nach meinem Empfinden. Als sich unter dem nächtlichen Himmel das Konzert zum Ende neigte, kannte unsere Begeisterung keine Grenzen. Als Zugabe gab’s, so glaube ich, noch von Eric Burdon „Mother Earth“ und während die Musikanten vor uns die letzten Töne spielten, gab es von unten stehende Ovation und die jungen Damen in der ersten Reihe pflückten die Rosen aus den Steinkästen und warfen sie ihren Stars des Abends vor die Füße. Sie hatten es verdient, um die Blumen und die leeren Kästen war’s trotzdem schade, denn deren Pflege hatte sicher auch viel Mühe gemacht. Die MODERN SOUL BAND gibt es noch immer, welch’ ein Glück! Vielleicht sehen wir uns ja bei einem der nächsten Konzerte, denn die Musik mag ich, seit ich sie das erste Mal hörte, auch wenn jetzt in der Band neben den beiden Urgesteinen auf der Bühne jede Menge „junges Gemüse“ mit eigenem Selbstverständnis nachwächst, das den Soul und Sound der Band auf dem „rockenden Highway“ in die Zukunft tragen wird, denn Soul, Blues und Funk sind ein zeitloses Lebensgefühl, das nicht nur in seiner Heimat Amerika zu Hause ist. Autogrammkarte der MSB aus jenen Tagen.