Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Mighty Oaks live auf der Parkbühne Geyserhaus 16.08.2019 Es sind fünf Jahre vergangen, seit ich in der schönen Parkanlage „Weißer Hirsch“ in Dresden vor den „Mächtigen Eichen“ stand, um zu hören, wie sie singen. Damals bin ich aus Neugier dorthin gefahren. Ich wollte die Atmosphäre vor dieser Bühne erleben und bin von den MIGHTY OAKS und deren Musik angenehm überrascht worden. Dass die mit „Brother“ sogar einen Radio-Hit hatten, war mir in jenen Tagen nicht bewusst, da Radio schon lange nicht mehr zu meinen bevorzugten Medien gehört. Aber das ist eine andere Geschichte. Ich bin heute, mit Klaus als „Beifahrer“, unterwegs zum Geyserhaus in Leipzig, wo die drei Musiker während ihrer „Acoustic Tour 2019“ ein Konzert geben werden. Da, wo ich 2013 das Comeback-Konzert von Albert Hammond erlebte, werde ich meinen Freund Hans-Georg auch wieder treffen. Ich freue mich auf ein lauschiges Konzert mit Freunden in einer bezaubernden Waldbühne. Das Areal ist brechend voll, als das Ereignis beginnen soll. Bier und Bratwurst haben geschmeckt und wir warten noch eine weitere halbe Stunde, bis endlich Bewegung auf die Bühne kommt. Drei junge Männer nehmen ihre Plätze ein. Aus dem Stand, oder sollte ich besser Sitz sagen, eröffnet a-capella Gesang den Konzertabend: „Oh my dear I hold you in my arms“ klingt der Chorus über das Rund, nur zur Pianobegleitung. Der klangliche Einstieg mit „Just One Day“ gelingt in traumhafter Harmonie und die weit über tausend Besucher jubeln ihre Begeisterung in den Abendhimmel. Nur mit zwei Gitarren und einer Mandoline plus Gesang entsteht bei den nächsten Songs ein dicht gemixtes Soundgewand, das entfernt, und ein klein wenig, an die Balladen von Crosby, Still, Nash & Young erinnert. Dazu fehlt eigentlich nur die instrumentale Finesse, die man bei den MIGHTY OAKS vermissen kann, aber nicht muss. Die haben längst ihre eigene Nische gefunden. Davon zeugt der neuere Song „Need You Now“ über die Beziehungen zu Menschen, die man im Leben braucht. Dabei sitzt CLAUDIO DONZELLI am Piano im Hintergrund, während Frontmann IAN HOOPER, zu seiner Rechten von GRAIG SAUNDERS an der Mandoline begleitet, einfühlsam singt. Das ist sehr berührend und von einer dezenten Lichtshow eindrucksvoll in Szene gesetzt. Für mich ist es dennoch ein kleines Wunder, dass drei junge Musiker mit schlichten Songs im Stile längst vergangener Bandnamen, so viele junge Menschen zu begeistern vermögen. Fast kann man diese prall gefüllte Waldbühne auch als ein Zeichen der Hoffnung deuten, dass handgemachte Musik wohl doch all den flachen Digital-Konsum überleben wird. Zuhören lautet wieder die Devise. Sie singen ihren ersten großen Hit „Brother“ und ich höre zaghafte Stimmen, die beherzt den Refrain mitsingen. Es folgt der Titelsong der ersten EP „Driftwood Seat“, aufgenommen 2010 im Wohnzimmer des Italieners in der Band. Diese Akkordfolge und auch die Melodie erinnern mich an das legendäre „Horse With No Name“ (1971), einer anderen Folk- Rock-Band namens America, die damals ebenfalls mit nur drei Musikern auskam und erfolgreich wurde. Ich lasse mich von der Stimmung des Songs treiben und genieße ein wunderschönes Solo der Mandoline, das „Driftwood Seat“ ausklingen lässt. Da vorn sitzen ein Amerikaner, ein Italiener und ein Engländer, die gemeinsam seit zehn Jahren ihre Leidenschaft für Musik ausleben. Wäre man bösartig, könnte man drei Flüchtlinge erkennen, die aus ihren Herkunftsländern kommend, hier Asyl fanden. Im Lichte der Spots betrachtet, musizieren gerade drei junge Musiker, die sich zum Glück in Deutschland trafen und ihr Publikum fanden, das sich einen Dreck um deren Herkunft, von wo auch immer, schert und lieber den wundervollen Songs, wie „When I Dream, I See“ vom 2014er Album „Howl“ lauscht. Beim fast schon zerbrechlich wirkenden Lied sitzt Sänger IAN HOOPER mit geschlossenen Augen am Mikrofon und singt ganz intensiv von „My mother’s eyes, because she raised me and my father’s steps I go, to a goal that unkown” (Er singt „von den Augen seiner Mutter, die ihn großgezogen hat, und von den Schritten des Vaters, die ihm zeigten, ein Ziel zu erreichen.) Da denke auch ich an meinen alten Herrn und an all das, was ich ihm zu verdanken habe. Ein echter Gänsehautsong und ganz ehrlich: Scheiß doch auf das dumpfe Geschwätz von den Ausländern, die uns angeblich behindern, zu leben. Wir sollten eher all jenen dankbar sein, die zu uns kommen, um unser Leben zu bereichern (wie meine Freundin aus Tasmanien, die schon lange in Halle lebt). Diese Thematik bestimmt auch den Inhalt von „Horsehead Bay“, eine gefühlvolle Ballade vom Platz, den man gut kennt, zu dem man sich immer wieder hingezogen fühlt: „Oh I’ll run away far from this place I’ll go“. Ich sitze hier, den Rücken an eine Steinmauer gelehnt, die das Mischpult trägt und bin glücklich, mit jener Musik der 1970er groß geworden zu sein, nach deren Vorbild diese Lieder gestrickt zu sein scheinen, sagt mir mein Gefühl. Während der Vorbereitung auf die Tour, erzählt uns IAN der Frontmann, entstand auch „Slow It Down“, das vom Leben auf der Überholspur in einer immer mehr rasant werdenden Welt erzählt, in der man sich - „verlangsame und entschleunige dich“ - wieder mehr Zeit für Freunde und Familie nehmen sollte. Dem Jubel nach zu urteilen, kommt die Botschaft bei den Leuten hier an und ein junges Paar neben mir ist extra aus dem Spreewald angereist, um sich etwas Zeit genau dafür zu lassen, erfahre ich. Es ist ein Open-Air-Event und ich genieße es sitzend, den drei MIGHTY OAKS zu lauschen, die ihre Songs so intim inszeniert haben, dass ein Gefühl von einem Wohnzimmerkonzert entsteht und keiner steht auf, um sich direkt vor die Bühne zu stellen. Alle genießen die Musik sitzend, nur einer schräg vor mir, kann es nicht lassen, seinen Handy-Arm bei jedem Song in den Himmel zu strecken und zu nerven. Der zumeist dreistimmige Gesang, unterstützt von den Gitarren, Mandoline, Piano und Bass, erreicht trotzdem meine Ohren und den Gesamteindruck lasse ich mir auch nicht vermiesen. Dieses Trio ist bestens aufeinander eingestimmt und berührt uns mit oftmals sehr intimen Botschaften, so wie die von „So Low, So High“. IAN HOOPER singt sich darin seinen Schmerz von der Krebsdiagnose und dem Tod seiner Mutter von der Seele und wieder bin ich in meinem Innersten berührt, werde von meinen Emotionen und Erinnerungen durchsiebt. So verspätet, wie das Konzert begann, so plötzlich soll es nach diesem Song enden. MIGHTY OAKS verschwinden von der Bühne und lassen uns im Licht der Spots stehen, klatschen und nach Zugaben rufen. Als sie endlich wieder da sind, stehen alle drei, dicht beisammen, im Kegel eines Spots, um in dieser Intimität an ihre Anfangszeiten zu erinnern. Nur ein Mikrofon, drei Instrumente und ihre drei Stimmen im Scheinwerferkegel, so singen sie einen weiteren neuen Song und als Finale die „Seven Days“ aus dem Album „Howl“ in einer beinahe Lagerfeuerstimmung unter nächtlichem Himmel. Noch eine Weile bleibe ich sitzen, während unten schon die Menge an der Bühne vorbei dem Ausgang zu strebt. Ich habe mein LP-Cover von „Howl“ mitgenommen, um es am Stand signieren zu lassen. In Dresden war das Gedränge um die drei Musiker zu hektisch, dass ich darauf verzichtet hatte. Heute wiederum stehen nur wenige Leute dort, aber keiner der Musiker lässt sich blicken, um Wünsche der Fans nach Autogrammen zu befriedigen. Ich stecke den MIGHTY OAKS enttäuscht ein dickes Minuszeichen in die knorrig werdende Rinde. Spüren werden sie es wohl nicht, zu dick ist der Bast inzwischen gewachsen. Schade um die Stimmung, die ich in mir trage. Ich verzichte und verlasse mit meinen beiden Freunden das Gelände. Jungs, das hättet ihr, der von weit angereisten und wartenden Fans zuliebe, vermeiden sollen! Ich wünsche Euch baldige Besserung. DANKE Klaus für einige Deiner Fotos.