Manfred Mann’s Earth Band im Berliner Admiralspalast
06.05.2015
Im
September
1964
kam
ich
in
die
9.
Klasse
einer
EOS.
Von
diesem
Zeitpunkt
an
begann
Musik
für
mich
mehr
zu
sein,
als
das
Üben
von
Etüden
auf
einer
Violine.
Neben
dem
damals
unvermeidlichen
„She
Loves
You“
waren
es
auch
andere
Songs
der
britischen
Beat-Invasion,
die
mein
weiteres
Leben
bestimmen
sollten.
Einer
von
ihnen:
„Do
Wha
Diddy
(Diddy
Dum
Diddy
Doo)“
von
Manfred
Mann.
So
simple
das
Strickmuster
auch
war,
so
faszinierend
empfinde
ich
solche
Melodien
heute
immer noch, denn sie funktionieren und faszinieren ungemein neu, wie sich noch herausstellen sollte.
Dass
sich
die
Bands
von
MANFRED
MANN
zu
einer
Konstanten
in
meinem
Leben
mausern
würden,
war
damals
nicht
absehbar.
Doch
Songs
wie
„My
Name
Is
Jack“
oder
„Pretty
Flamingo“,
die
wir
in
unserer
Schulkapelle
spielten,
sind
kleine
Schöpfungen
für
die
Ewigkeit.
So
auch
das
Liedchen
von
Quinn
dem
Eskimo,
„Mighty
Quinn“,
das
der
Südafrikaner
MANFRED
MANN
von
Bob
Dylan
bekam,
um
es
gleich
in
zwei
verschiedenen
Versionen
zu
veredeln.
Ab
1971
wandte
sich
der
Keyboarder,
nunmehr
mit
seiner
EARTH
BAND,
progressiveren
Soundstrukturen
zu
und
setzte
damit
Maßstäbe.
Alben
wie
„Nightingales
&
Bombers“
(1975)
und
auch
„Somewhere
In
Afrika“
(1982)
sind
Zeitdokumente
der
Rockgeschichte
geworden.
Da
blieb
auch
bei
mir
der
Wunsch,
die
EARTH
BAND
einmal
live
erleben
zu
dürfen,
nicht
aus.
Dass
es
noch
einmal
weitere
25
Jahre
ab
Stunde
Null
dauern
würde,
kann
ich
heute
auch
nicht
mehr
erklären.
Aber
ich
fahre,
wieder
einmal
mit
meinem
„Allzeitkumpel“
Georg,
zu
einem
Konzert
in
die
Bundesmetropole
und
wir
haben
jeder
eine
Karte
für
MANFRED
MANN’s
EARTH
BAND
in
unserer
Tasche.
Nur
die
Lokführer
von
der
GDL
interessiert
das
nicht,
die
stehen
wahrscheinlich
nur
auf
„Do
The
Locomotion“
oder
„Halt
die
Welt
an“
(Vicky
Leandros).
Die
Straßen
sind
proppevoll,
die
Taxifahrer
jubeln
und
die
Umwelt
stöhnt.
Ein
Menjou-Bärtchen
namens
Claus
Weselsky
spielt
Verkehrsgott
und
keiner
kloppt dem kleinen Spielmatz auf die Finger, denn Züchtigungen sind in der Demokratie verpönt. Also spielt er (mit uns).
Im
Innenhof
vom
ex-Metropol-Theater
versammelt
sich
die
Altersgruppe
Fünfzig-Plus
und
führt
kluge
Worte
im
Mund.
Ein
Bier
aus
der
Flasche
und
eine
(gehackte)
Currywurst
dienen
als
Stärkung.
Dieser
schöne
Tag
wird
durch
ein
noch
schöneres
Ereignis
gekrönt
werden
und
vielleicht
sind
ja
sogar
einige
(krank
geschriebene)
Lokführer
darunter.
Die
Stimmung
ist
voller
Vorfreude
und
gelöst.
Also
gehen
wir
Richtung
Einlass,
wo
neben
der
Tür
ein
unauffälliger
Zettel
verrät,
es
wird
einen
Support
geben:
XANDER
&
THE
PEACE
PIRATES.
Es
wird
also
deutlich
länger
dauern,
als
gedacht.
Nur
gut,
dass wir nicht auf den Reiseservice der Deutschen Bahn gesetzt haben, sondern mit einem Auto hier sind!
In
weichen
Sesseln
in
vorderen
Bereich
sitzend,
erleben
wir,
wie
nach
dem
akademischen
Viertel
drei
junge
Typen
auf
die
Bühne
kommen.
Ich
fühle
mich
ad
hoc
in
die
Mitte
der
1970er
Jahre
versetzt.
Die
sehen
wirklich
aus,
wie
der
Hippie-Ära
entsprungen;
eine
optische
Mischung
aus
America
(„Horse
With
No
Name“)
und
den
englischen
Lindisfarne
(„Fog
On
The
Tyne“).
Das
verrückte
daran,
es
klingt
auch
fast
so,
denn
die
erste
Nummer
ist
keine
geringere
als
das
legendäre
„Voodoo
Chile“
von
olle
Hendrix
aus
genau
jener
Zeit.
In
unsere
Ohren
scheppert
der
Klang
einer
Akustikgitarre
und
die
zerrenden
Töne,
wie
sie
der
Altmeister
zu
zaubern
pflegte
und
über
diesem
Klanggewitter
greift
ein
Dritter
in
die
Saiten,
dass
ich
jubeln
möchte.
Doch
der
Schrei
bleibt
stecken
und
weicht
grenzenlosem
Staunen.
Der
Typ
da
von
hat
rechts
eine
Armprothese
mit
einem
Teil,
das
einem
Piratenhaken
gleicht.
Ich
mag
es
nicht
glauben,
aber
genau
damit
„zupft“
KEITH
XANDER,
dass
die
Schwarte
kracht.
Er
singt
beseelt
mit
einer
rauchigen
Stimme,
als
wäre
dies
hier
und
heute
seine
letzte
Chance, die Welt von seinem Können zu überzeugen. Ich bin baff!
Eine
Sekunde
Stille,
dann
bricht
im
Saal
ein
Begeisterungssturm
los.
Wieder
einmal
eine
Vorband,
die
mich
überrascht.
Was
die
beiden
Brüder
KEITH
&
STUART
XANDER
plus
MIKE
GAY
aus
Liverpool
(!)
uns
in
der
nächsten
halben
Stunde
spielen,
ist
eine
heiße
Mischung
aus
erdigem
Folk,
Blues
und
Rock.
Sie
erzeugen
schwirrende
Westcoast-Klänge
(„Rain“)
und
verspielte
Blues-Variationen
zum
Mitmachen
(„Dance
With
The
Devil“).
Dabei
beeindruckt
am
meisten,
wie
dieser
Typ
mit
dem
Holzarm
die
Gitarre
spielt
und
mit
seiner
markanten
Stimme
inbrünstig
dazu
singt.
Ich
muss
wohl
nicht
der
einzige
sein,
der
so
empfindet,
denn
nach
diesen
wenigen
Songs
spendet
das
volle
Auditorium
begeistert
Applaus.
Die
PEACE
PIRATES
schlagen
mit
ihrer
Musik
eine
Brücke
aus
den
kreativen
1970er
Zeiten
hin
zu
den
technischen
Möglichkeiten
unserer
Tage
und
bleiben
dennoch
erdig,
dem
Blues
und
dem
Folk-Wurzeln
verbunden.
Toll!
Sollten
diese
drei
Kerle
noch
einmal hier aufschlagen, will ich dabei sein.
Als
der
Saal
ein
zweites
Mal
dunkel
wird,
kann
man
die
Anspannung
in
den
Reihen
beinahe
anfassen.
Die
grauen
Hippies
der
Progressive-Art-Rock-Generation
bereiten
einem
ihrer
Idole
einen
rauschenden
Empfang.
Mit
weiß-schwarz
kariertem
Hemd
bekleidet
und
seinem
obligatorischen
Hut
versteckt
sich
MANFRED
MANN
hinter
seinen
Keyboards.
Es
brummelt
und
brodelt
und
dann
endlich
betritt
Sänger
ROBERT
HART
die
Bühne,
um
uns
die
„Spirits
In
The
Night“
(Bruce
Springsteen
mit
„Greetings
From
Asbury
Park,
N.J.“)
entgegen
zu
schmettern.
Gleich
in
diesen
ersten
Momenten
erleben
wir
die
große
Kunst
von
MANFRED
MANN
und
seinen
Mannen,
Songperlen
aus
den
Alben
anderer
zu
klauben
und
sie
mit
eigenen
Ideen
aufzupeppen,
instrumental
zu
veredeln
und
so
ein
völlig
neues
Soundgewand
entstehen
zu
lassen.
So
verwöhnte
uns
diese
Band
im
Laufe
der
Jahre
immer
wieder
mit
anderen
griffigen,
wundervollen
Bearbeitungen
und
man
darf
sicher
auch
schreiben, dass die Earth Band von Manfred Mann auch die bester Cover-Band ist, die der Rock’n’Roll je erlebt hat.
Und
dann
geht
es
tief
hinab
in
die
Abgründe
der
Vergangenheit.
„Captain
Bobby
Stout
(Brother
Why
Are
You
Here)“
von
1972
klingt
frisch
und
im
zeitgemäß
rockigem
Sound.
Auch
„Martha’s
Madman“
rockt
kräftig,
dass
die
Füße
mitwippen.
Der
Sound
ist
glasklar
und
kommt
mit
Druck,
dass
es
eine
Lust
ist,
endlich
live
dabei
zu
sein.
Ich
genieße
das
Zusammenspiel
der
Band
und
die
vom
Blues
getränkte
Rock-Stimme
von
ROBERT
HART,
wie
er
sich
„You
Angel
You“
(Bob
Dylan)
zu
Eigen
macht.
Mir
geht’s
gut
und
auch
die
beiden
vor
mir
sitzenden
Herren
stehen
voll
unter
Dampf;
vermutlich
Lokführer
mit
Krankenschein.
Dass
die
Band
auch
einen
Klassiker
von
T.
Rex
im
Live-Programm
spielt,
ist
für
mich
eine
der
großen
Überraschungen
des
Abends.
„Get
It
On“
rockt,
in
verschachtelte
Rhythmik
verpackt,
und
nur
wenn
man
das
Original
kennt,
kann
man
die
Kunst
von
„Meister
Mann“
wirklich
schätzen.
Dabei
vermitteln
die
Musiker
beim
Agieren
dermaßen
viel
Spaß
und
Freude,
dass
es
ein
Vergnügen
ist,
ihrem
Spiel
zu
folgen.
Wenn
ROBERT
sich
beim
Publikum
bedankt,
spürt
man
tatsächlich,
dass
dies
keine
Floskel
ist.
Mich
überrascht
außerdem,
dass
der
Bandleader
seine
Keyboard-Festung
verlässt.
Er
bekommt
einen
Synthi
passend
zum
Hemd
gereicht
und
dann
tänzelt
dieser
scheinbar
spröde
Intellektuelle,
der
im
Oktober
dieses
Jahres
die
75
erreichen
wird,
mit
dem
Instrument
vor
dem
Bauch
über
die
Bühne,
als
gäbe
es
nichts
leichteres.
Nebenbei
zaubert
er
flinke
Soli
aus
den
Tasten,
macht
Faxen
und
wackelt
mit
seinem,
dem
Publikum
zugewandten,
Podex.
Lachsalven
garantiert, Alltagsstress vergessen und kein Schwein denkt an Streik.
Im
Licht
der
Spots
steht
Gründungsmitglied
und
Gitarrist
MICK
ROGERS.
Leichtfüßig
lässt
er
seine
Finger
über
die
Bünde
gleiten
und
schon
leitet
ein
kleines
Solo
zur
Hymne
„Father
Of
Day,
Father
Of
Night“
über,
die
nun
schwermütig,
mit
gleichmäßigen
Soundwogen
und
wuchtigen
Akkorden
von
der
Bühne
donnert.
Ich
genieße
den
zähflüssigen
Klang
und
die
instrumentalen Finessen in diesem Stück. Einfach nur ein Genuss und ein Traum, live dabei sein zu dürfen.
Wieder
steht
MICK
ROGERS
im
Spot,
nur
diesmal
ganz
allein.
Nur
wenige
Worte
führen
uns
zurück
in
die
1950er
Jahre
zu
einem
Musiker
namens
Merle
Travis
und
dann
erleben
wir
ein
Tongewitter
ganz
besonderer
Art.
Beim
„Cannon
Ball
Rag“,
den
er
aus
den
Saiten
zupft,
brennt
die
Luft
im
Palast
und
wir
in
den
weichen
Stühlen
vergessen
zu
atmen.
Es
sind
zwei
Minuten
Hexentanz
auf
den
Saiten
einer
Gitarre,
der
so
manchen
Saitenzauberer
schlicht
alt
aussehen
ließe,
wäre
denn
einer hier.
Das
folgende
„Don’t
Tell
It
Carol“
gestaltet
sich
zu
einem
ausufernden
Fest
mit
vielen
instrumentalen
Einlagen.
Temporeich
und
explosiv
rockt
die
Earth
Band
die
prunkvollen
Gemäuer
und
in
den
Gängen
tanzen
verzückte
Ehefrauen
im
Rausch,
während
MICK
ROGERS
den
„Race
With
The
Devil“
zitiert.
Es
ist
wie
ein
Sabbath
der
Emotionen
im
erdigen
Sound
einer
erstklassig
rockenden
Band.
Doch
das
ist
noch
lange
nicht
der
Höhepunkt
des
Abends.
Den
leitet
MANFRED
MANN
an
den
Tasten
ein
und
löst
einen
Schrei
in
der
Menge
aus.
„Blinded
By
The
Light“
(Bruce
Springsteen)
ist
eine
der
ganz
großen
Nummern,
die
zu
einer
noch
größeren
überleitet.
Als
die
Einleitung
für
„Davy’s
On
The
Road
Again“
aus
den
Boxen
dröhnt,
wissen
alle,
jetzt
wird
das
Grande
Finale
eingeleitet.
Das
Auditorium
erhebt
sich,
es
klatscht,
tanzt
und
die
beiden
Lokführer
vor
mir
pfeifen
laut
wie
ihr
Arbeitsgerät.
Jubel-
und
Feierstimmung
im
Admiralspalast
zu
Berlin
für
eines
der
Urgesteine
der
britischen
Beat-Invasion
vor
mehr
als
fünfzig
Jahren.
Welch
erhebender
Augenblick,
wenn
man
das
alles
an
selbst gelebten Jahren mitbuchstabieren und abzählen kann.
Doch
es
fehlt
natürlich
noch
mindestens
eine
Dylan-Komposition,
ohne
die
der
Admiralspalast
keine
Ruhe
finden
wird.
Wieder
steht
MICK
ROGERS
mit
seiner
Gitarre
allein
im
Lichtkegel
und
wieder
sind
es
Ragtime-Rhythmen,
die
locker
aus
den
Saiten
perlen.
Schon
Sekunden
später
weiß
jeder
im
Saal,
worauf
das
hinauslaufen
wird,
denn
diese
Tonfolge
ist
wie
ein
Axiom
–
unveränderlich.
MICK
singt
den
gezupften
Ragtime
„There
she
was
just
walkin’
down
the
street“
und
die
stehende
Menge
antwortet
ihm
im
allerfeinsten
English:
„Do
Wha
Diddy,
Diddy
Dum
Diddy
Do“.
In
diesen
Momenten
ist
mir,
als
wäre
ich
fünf
Jahrzehnte
zurück
versetzt
auf
einer
Klassenfahrt
mit
meiner
Gitarre
auf
dem
Schoß.
Es
hagelt
Erinnerungen,
ich
sehe
Bildfetzen
und
das
Adrenalin
jagt
mir
durch
die
leicht
verengten
Adern.
Vergessen
Zipperlein
und
GDL,
ich
bin
im
Rausch
und
genau
da
hinein
knallt
das
Lied
vom
Eskimo.
Natürlich
muss
„Mighty
Quinn“
sein!
Natürlich
müssen
die
Akkorde
krachen
und
natürlich
muss
der
überhitzte
Saal
ganz
laut
mitsingen:
„Come
on
without,
come
on
within,
you’ll
not
see
nothing
like
the
Mighty
Quinn“.
Wir
stehen,
wir
jubeln
und
ich
treffe
die
Töne
sogar
richtig.
Die
EARTH
BAND
spielt
wie
besessen
und
von
unserer
Euphorie
getragen,
zitieren
die
Herren
mit
Gitarre
und
Tasten
das
wohl
bekannteste
Purple-Riff
in
den
„Mighty
Quinn“
hinein.
Ich
bin
überglücklich.
Was
wäre
ein
Konzert
von
MANFRED
MANN
ohne diese Hymne von Dylan?
Von
1964
bis
zu
diesem
Moment
sind
satte
fünf
Dekaden
vergangen.
Natürlich
kenne
ich
mein
Alter,
aber
was
sind
50
Jahre,
wenn
Du
noch
immer
auf
die
Lieder
Deiner
Teenager-Zeit
abfährst,
wenn
sie
Dich
noch
immer
faszinieren,
als
wäre
es
gestern
gewesen.
Ich
fühle
mich
so,
wie
diese
Lieder
klingen
und
den
beiden
Lokführern
gönne
ich
die
drei
Stunden
Ablenkung
von
Herzen.
Die
können
die
Zeit
so
wenig
anhalten,
wie
man
diese
Lieder
auslöschen
könnte
–
und
das
ist
verdammt gut so.