Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Mäkkelä – ein Finne im Harz 22.08.2020 Den „Englishman in New York“ kennt wahrscheinlich fast jeder, zumindest den berühmten Song. Jetzt durfte ich einen Finnen in Halberstadt kennenlernen, der mit dem Englishman Quentin Crisp allerdings nur den intensiven unsteten Lebensstil gemeinsam hat. MÄKKELÄ ist nämlich Musiker und erzählt mit seinen Liedern eine Menge vom urbanen Leben und das wiederum hat er auch mit jenem Englishman, den Sting besingt, gemeinsam. Im Papermoon sitze ich mit nur wenigen Gästen und erlebe einen von jener Sorte Künstler, die es wohl niemals auf die ganz großen Bühnen schaffen werden, aber genau deshalb authentisch sind und so wohltuend wirken. Wie viele Auftritte auf Straßen, Plätzen und in Kneipen sein schwarzer Anzug schon erlebt haben mag, kann man nur erahnen, als er in das Licht vor der weißen Mauer tritt. Gitarrensaiten scheppern, seine Stimme presst sich zwischen die Enge des Biergartens und füllt sie mit rauchiger Wohligkeit. Im ersten Augenblick ist mir, als würde ich diesen Typen da vorn schon lange kennen. Seine Stimme knödelt ein wenig, wie die vom Zimmermann, als er von den „Tuesday Lilies“ zu singen beginnt. MÄKKELÄ tut es mit geschlossenen Augen und nur manchmal blinzelt er, wohl um sich der Wirkung der rauen Klänge sicher zu sein. Doch da muss er keine Bange haben. Mich jedenfalls fesselt er vom ersten Moment an. Auch als er danach von „Letnà“ singt, ist das so. Doch urplötzlich bricht er mittendrin ab, beginnt zu plaudern und erzählt, dass Letnà der Stadtteil von Prag ist, wo tatsächlich nur Tschechen leben. Dort war er spätabends auf der Suche nach einem tschechischen Bier, das er schließlich hinter einem „Loch in der Wand“ in zehn verschiedenen Sorten auch fand und dann beginne ich den Song mit anderen Ohren zu hören. Einfach toll und sehr lebendig, wenn man eigene Erinnerungen an Prag hat. Ähnlich bildhaft wirkt seine Darbietung - Oder sollte ich Performance schreiben? - als er den „Highway Song“ zur Bouzouki ruppig erklingen lässt. Dann folgt die nächste Geschichte. Es ist eine vom Alkohol, vom Schmuggel und eine vom schwarz gebrannten Blues des Lebens, die er mit „Moonshine Special“ besingt. Da hat der Typ längst mein Herz erobert und sich irgendwo tief drinnen eingenistet. Ich mag Menschenkünstler die Geschichten erzählen, ohne darauf zu schielen, ob sie auch jemandem gefallen. Es geht um das Erzählen, um die Story, um den Inhalt dahinter. Da bin ich nach einer halben Stunde ganz bei ihm, völlig egal, ob er nach Bob Dylan, Roy Harper, Billy Bragg oder Tom Waits klingen mag. MÄKKELÄ klingt gefühlt wie er selbst; rau, kantig und herzlich! Das ist jedenfalls mein Eindruck. Das, was der Finne bietet, entzieht sich jeglicher Einordnung. Wenn man einen Songwriter vermutet, kommt er mit ruppiger Attitüde des Punk daher, erzählt Balladen wie ein Barde, fühlt sich im Country ebenso so wohl, wie er den Blues zu nutzen vermag, um dichte lebendige Stimmungen zu erzeugen. Am nächsten kommt ihm wohl die Beschreibung als der singende Storyteller, der es sperrig, aber auch schmiegsam kann. Das entdeckt man in Songs wie „Victoria“ oder „Black Water“ ebenso, wie bei „City Of The West“ oder in der „Air Catalan“. Richtig erwischt hat er uns aber mit „40 Or 8“. Die Geschichte dahinter ist wahr, düster und letztlich gar erschreckend, so wie er sie selbst erzählt. Diese Atmosphäre sollte man einfach live erleben. Als er fragt, ob wir uns an den 13. November 2015 erinnern könnten, beschleicht mich beim Erzählen ein ähnliches Gefühl. Der „Border Song“ beschreibt die Erinnerungen an jenes Massaker, das Extremisten bei einem Konzert der Eagles Of Death Metal in Paris anrichteten. Da bleibt uns allen für Augenblicke die Puste weg und die Gefühle schwanken zwischen Begeisterung für das Wie und Erschrecken wegen der aktuellen Grausamkeiten dieser Welt. Er würde sehr skeptisch werden, meint er, wenn Politiker nach solchen Ereignissen plötzlich laut zu denken begännen dazu fällt mir dieser Präsidenten ein, bei dem ich erschreckende Tendenzen zur deutschen Geschichte erkenne. Danach habe ich Runzeln auf meiner Stirn und als ob MÄKKELÄ das gesehen hätte, präsentiert er uns mit „A Night To Remember (In Early December)“ einen Song, den er sich selbst für seine Beerdigung geschrieben hat. Irgendwer solle ihn singen, sagt er noch, aber bitte nicht Thomas Anders. Da habe ich wieder ein Lächeln im Gesicht und später beim Flug mit der „Air Catalan“ noch einmal. Es macht mir einfach Vergnügen, wie er uns all die skurril wirkenden Geschichten erzählt und anschließend in eigene düster-schöne Melodien verwandelt. Als er dann noch „Light Enough To Travel“, eine steinalte Weise, wie ich zu wissen glaube, interpretiert, bin ich restlos begeistert. Die hatte er mit Geoff Berner, einem Akkordeonspieler, der ihn auf einigen seiner Reisen begleitete, gespielt. So klingt dieser Abend gänzlich harmonisch sowie sehr stilvoll aus. Ich bin hingerissen, dass dieser Musiker am Schluss so tief in die Mottenkiste greift und dennoch sein eigenes Ding heraus holt. Das ist einfach nur herrlich und verrät vielleicht ein wenig über dessen wahren Wurzeln! Danach stellt er die Gitarre ab, drückt aufs Knöpfchen und meint, nun wäre Stille. Im Biergarten gibt es zwar noch leere Stühle, aber von denen, die besetzt sind, rauscht ihm eine Sympathiewelle zu. Da muss und will er noch einmal. Der allerletzte Song des Abends ist eine Nummer von Merle Travis, der mit „Dark As A Dungeon“ eine Klagelied über das gefährliche Tagewerk eines Minenarbeiters schrieb, das einst auch Johnny Cash für sich entdeckte. Da bin ich restlos zufrieden, wieder einmal den Abend mit der Musik eines mir bis dahin völlig unbekannten Künstlers verbracht zu haben. Jedenfalls besser, als sich irgendwo sterile Auto-, Hotel oder Käfig-Konzerte anzutun. Dann lieber eine Nummer kleiner, näher und dennoch mit gebührendem Abstand und dem nötigen Respekt dieser Tage. Letztlich hatte alles einmal auch mit dieser Art Musik, Gitarre oder Banjo, Gesang und rhythmisches Fußstampfen, angefangen. Abende wie dieser hier erinnern mich wieder daran. Wenige Minuten später sitze ich einem bescheiden wirkenden Musiker und aufmerksamen Zuhörer am Tisch gegenüber, der sich noch kurz zuvor voller Hingabe in seine eigenen Lieder fallen ließ und sich mit ihnen uns offenbarte. Damit hat er mich tief innen berühren können und dabei auch einen Blick in die Seele eines scheinbar sperrigen aber liebenswerten Barden zugelassen. Das erlebt man nicht jeden Tag und deshalb war es die perfekte Entscheidung, diesen lauen Sommerabend so zu verbringen.