Vinyl-Erinnerungen „aus dem“ LIFT
18.05.2021
Auf
das
Dresden-Sextett
wurde
ich
durch
die
DT64-Single
mit
„Vo
Thi
Lin“
aufmerksam.
Dieses
Stück
habe
ich
geliebt,
denn
es
erinnerte
mich
an
die
Instrumental-Hymne
„Reepend
Walpurgis“
von
Procol
Harum,
die
für
mich
damals,
also
1970/71,
live
unerreichbar
waren.
Diese
Komposition
von
Gerhard
Zachar
ist
die
unbewusste
Vorwegnahme
dessen,
was
LIFT
später
erfolgreich
machen
sollte
und
durch
„Wind
trägt
alle
Worte
fort“,
mit
Franz
Bartzsch
als
Sänger
und
Komponist,
beinahe
in
Stein
gemeißelt
wurde:
Rockmusik,
die
keinen
Zeitgeist
bedient,
sondern
versucht,
ihn
zu
gestalten.
Im
Jahre
1973
entpuppte
sich
das
Dresden-Septett
aus
einem
Kokon
und
wurde
LIFT.
Die
neue
Band
hatte
sich
allmählich
aus
dem
Korsett
international
„vorgegebener“
Muster
befreit
und
fast
unbemerkt
einen
neuen,
eigenen
Sound
gestrickt.
Kamen
die
ersten
Singles
bei
Amiga
noch
in
Jazz-,
Blues-
und
Soul-Schablonen
sowie
eingebettet
in
einen
Bläser-Sound
daher,
deuteten
die
in
den
Jahren
von
1975
bis
1977
erschienenen
Singles
„Mein
Herz
soll
ein
Wasser
sein“,
„Soldat
vom
Don“
sowie
„Wasser
und
Wein“
in
beeindruckender
Weise
an,
worin
die
Band
vielleicht
ihre
Zukunft
sah.
Dieser
Sound
spiegelte
sich
auch
auf
der
ersten
LP
wider
und
die
überraschte
dann
auch
mit
filigran
ausgestalteten Melodien sowie mit Bedacht ausgewählten Arrangements.
Ist
in
den
übernommenen
Rundfunkaufnahmen
noch
eine
Gitarre
zu
hören
(„Wasser
und
Wein“,
„Früh
am
Morgen“),
dominieren
über
die
gesamte
Spielzeit
der
Platte
bereits
variantenreich
die
Tasten.
Ob
mit
Cembalo-Anleihen
in
„Fällt
der
erste
Reif“,
mit
treibenden
Mellotron-Akkorden
durch
„Und
es
schuf
der
Mensch
die
Erde“
oder
gar
im
Gewand
barocker
Kammermusik
in
„Du
falsche
Schöne“,
die
erste
LP
von
LIFT
präsentiert
ein
homogen
gewobenes
Klangbild.
Michael
Heubach
und
Wolfgang
Scheffler
liefern
den
Stimmen
von
Werther
Lohse
und
Henry
Pacholski
maßgeschneiderte
Melodien
in
zum
Teil
traumhaft
schönen
Arrangements.
Damit
bricht
man
zu
neuen
Ufern
auf.
Die
fast
zehn
Minuten
lange
„Ballade
vom
Stein“
kündigte
zudem
an,
wohin
LIFT,
nunmehr
mit
Henry
Pacholski
als
einer
zweiten
prägenden
Stimme
sowie
auch
Texter,
auf
die
Reise
zu
gehen
gedachte
–
filigran
wuchtiger
Art-Rock
mit
teils
betörend
schönem
Satzgesang
sowie
einprägsame
Balladen,
filigran
wirkend
wie
„Komm
her“.
Als
zusätzliche
Würze
prägt
Till
Patzer
wahlweise
mit
Saxophon
und
Flöte
den
neuen
Sound
der
Band.
Diese
Platte
grub
sich,
mit
ihren
Melodien,
den
opulenten
Klanggebilden
und
instrumentalen
Finessen,
in
das
kollektive
Gedächtnis
einer
ganzen
musikbegeisterten
Generation
der
DDR
ein.
LIFT
hatte
sich
selbst
und
die
individuellen
Möglichkeiten
jedes
einzelnen
Musikers entdeckt. Die Band begann, damit beinahe verschwenderisch umzugehen und vorausschauend zu gestalten.
Bis
zu
dieser
Platte
gab
es
ein
Kommen
und
Gehen,
ein
Suchen
und
Verwerfen
bei
LIFT,
dokumentiert
auf
den
Amiga-
Singles.
Mit
dem
Einstieg
von
Michael
Heubach
sowie
Henry
Pacholski,
den
Wolfgang
Scheffler
„von
der
Fahne“
mitgebracht
hatte,
verfügte
Gerhard
Zachar,
plus
Urgestein
Till
Patzer
sowie
Drummer
und
Sänger
Werther
Lohse,
über
ein
Kreativpotential,
das
fähig
und
willens
war,
Großes
auf
den
Weg
zu
bringen.
Der
Aufstieg
in
die
oberen
Etagen
des
DDR-Rock-Olymp hatte mit dieser Platte begonnen.
Und
dann
kam
die
„Meeresfahrt“.
Als
ich
dieses
Epos
das
erste
Mal,
damals
noch
namenlos
und
live
auf
meiner
Bühne
hörte,
schien
die
Zeitrechnung
für
DDR-Rockmusik
einen
Moment
tief
Luft
zu
holen.
Da
nahm
ein
wie
entfesselnd
singender
Henry
Pacholski
die
Bühne
in
Besitz,
zwei
Perfektionisten
an
den
Tasten,
Michael
Heubach
und
Wolfgang
Scheffler,
entlockten
ihren
Instrumenten
Wunderwelten
an
Klängen
und
drei
eher
im
Hintergrund
agierende
Begleiter
am
Bass
(Gerhard
Zachar),
Schlagzeug
(Werther
Lohse)
sowie
Flöte
&
Saxophon
(Till
Patzer)
ergänzten
sich
zu
einem
genial
verschmolzenen
Ganzen.
Mit
dem
Titelstück
öffneten
sich,
sowohl
musikalisch
als
auch
lyrisch,
neue
Gedankenwelten
und
der
Hörer
bekam
mit
der
ganzen
LP
das
Gefühl
vermittelt,
den
eigenen
Sehnsüchten
Lied
für
Lied
hinterher träumen zu dürfen.
Der
Start
mit
„Wir
fahrn
übers
Meer
(der
Sehnsucht
hinterher)“
gerät
etwas
holprig,
doch
schon
in
„Nach
Süden“
werfen
die
Synthesizer
ihr
ganzes
Potential
in
die
Waagschale
sowie
der
Lyriker
und
Sänger
Pacholski
mit
„das
wär’
mein
allerschönster
Traum“
all
seine
Hoffnungen
dem
Hörer,
der
sicher
gleiches
empfand,
in
die
Ohren,
der
zwischen
diesen
Zeilen
seine
eigene
Wahrheit
und
Sehnen
fand.
Mit
„Scherbenglas“
folgt
eines
der
schönsten
Lieder
der
Band.
Gebettet
in
ein
dezentes
romantisches
Streichquartett
schwingt
sich
der
Sänger
Henry
Pacholski
zu
einem
emotionalen
Höhenflug
empor
–
Gänsehaut
pur.
Als
Kontrast
folgt
die
„Tagesreise“,
nunmehr
zum
brachialen
Rock-Opus
gereift.
Die
war
in
jenen
Tagen
-
Dank
Heubach,
Bürkholz
und
Horst
Krüger
-
längst
zum
Kult-Klassiker
des
DDR-Rock
avanciert.
Am
Ende
der
ersten
Plattenseite
erstrahlt
sie
in
ihrer
zeitgemäßen
Vollendung,
von
wuchtigen
Keyboards
umspielt
und
getrieben.
Wer das, so wie ich, in jenen Tagen live erlebte, konnte deutsche Rockmusik in ihrer emotionalen Perfektion inhalieren.
Der
eigentliche
Höhepunkt
jedoch
folgt
mit
der
„Meeresfahrt“.
Die
beginnt
mit
quellenden
Klängen,
die
Querflöte
modelliert
das
Leitmotiv,
das
die
Tasten
übernehmen
und
sich
bis
zu
einem
treibenden
orchestralen
Klangbild
steigern
sowie
in
jazzig
angelegte
Improvisationen
überleiten.
Schlagzeug
und
Tasten
geraten
aneinander,
einem
Sturm
vergleichbar,
der
sich
in
einen
Solo
vom
Saxophon
bald
wieder
legt,
ehe
dem
Meer
gesanglich
eine
ergreifende
Hymne
vom
Abschiednehmen,
Fernweh
und
Ankommen
gewidmet
wird.
Ein
Geniestreich
des
Komponisten
Wolfgang
Scheffler.
Das
kleine
Epos
endet
nach
einer
Viertelstunde
in
einem
mehrfach
übereinander
geschichteten
Finale,
das
den
Hörer
überwältigt
entlässt.
Die
Platte
klingt
mit
„Sommernacht“,
einem
stimmgewaltigen
Chorus
auf
die
Liebe,
aus.
Ein
beeindruckender
Spannungsbogen
über
die
gesamte
Spielzeit
löst
sich.
Nahezu
vierzig
Jahre
nach
jenem
Konzert
1978
in
Elsterwerda
erlebte
ich
die
ganze
LP
„Meeresfahrt“
noch
einmal
live
im
Dresdner
Schlachthof,
mit
den
Originalmusikern
Heubach,
Patzer
und
Lohse,
und
empfinde
genau
so
wie
vier
Dekaden
zuvor.
Da
war
der
LIFT-Fan
und
Musikliebhaber noch einmal überglücklich, durfte in Erinnerungen schwelgen.
Als
die
„Meeresfahrt“
1979
bei
Amiga
erscheint,
erleben
der
Bandleader
Gerhard
Zachar
und
Sänger
Henry
Pacholski
den
Triumph
nicht
mehr.
Auf
der
nächtlichen
Heimfahrt
von
einem
Konzert
in
Kalisz
(Polen)
verunglückt
der
PKW
auf
einer
Landstraße.
Zachar
und
Pacholski
sterben,
Heubach
überlebt
schwer
verletzt.
Danach
war
die
Zukunft
für
LIFT
aus
dem
Ruder
und
das
von
Zachar
geplante
Projekt
eines
Konzeptalbums
mit
Texten
eines
Liedermachers
und
Theatermannes
gestorben,
noch
ehe
man
damit
beginnen
konnte.
Mit
dem
Song
„Am
Abend
mancher
Tage“
(1980)
verarbeiten
die
verbliebenen
Musiker
das
Ereignis
und
mit
dem
Folgealbum
„Spiegelbild“
(1981)
versuchen
Scheffler,
Lohse, Patzer, Schiemann bzw. Ledig und Moll, die Geschichte ihrer Band fortzuschreiben.
Mit
dieser
Platte
verschiebt
der
Komponist
Wolfgang
Scheffler
das
Klangbild
von
LIFT
ein
Stück
weiter
in
Richtung
Jazz-
Rock.
Vielleicht,
um
der
Band
eine
offenere
Zukunft
in
sich
ändernden
Rock-Zeiten
zu
ermöglichen.
Durch
das
großartige
Spiel
des
Drummer
Frank-Endrick
Moll
gewinnt
die
Platte
zusätzlich
an
Dynamik.
Dafür
mögen
Stücke
wie
„Sindbad“,
„Alptraum“
und
das
zentrale
„Vincent
van
Gogh“,
mit
der
dezenten
Flöten-Melodie,
stehen.
Für
mich
die
kontinuierliche
Fortführung
der
„Meeresfahrt“-Idee
und
die
reifste
musikalische
Leistung
der
Band
auf
Vinyl.
Auch
die
markanten
Balladen
sind
auf
der
LP
zu
finden.
Man
höre
„Märchenland“,
das
herrliche
„Liebeslied“,
das
der
Gattung
Kunstlied
entsprungen
scheint,
und
natürlich
die
Single-Veröffentlichung
„Am
Abend
mancher
Tage“.
Herausragend
ebenso
das
instrumentale
Stück
„Erinnerung“
sowie
der
Ausklang
„Einsamkeit“.
Die
ganze
Platte
strotzt
vor
Experimentierfreude,
ist
mutig
und
sehr
gelungen.
Auch
mit
den
Texten
halten
die
Akteure
das
Niveau
weiter
auf
hohem
Level.
Die
Lyrik
von
Andreas
Reimann
bildet
mit
den
am
Jazz-Rock
orientierten
Werken
eine
besondere
Symbiose.
Gedanklich
könnte
man
diese
Platte
um
die
Rundfunkproduktion
„Große
Landschaft“
ergänzen
und
dafür
die
Single
„Am
Abend
mancher
Tage“
streichen.
Dann
hätte
man
ein
rundum
gelungenes
Meisterwerk
vor
sich,
das
internationalen Vergleichen mit jedem Ton und jedem Track standhalten könnte.
In
den
Folgejahren
ergeben
sich
neue
Musikantenwechsel
und
der
Versuch,
die
Balladen
mit
Synthie-Dance-Pop
der
1980er
Jahre
zu
kombinieren.
So
entsteht
auch
die
Single
„Immerfort“,
(1984)
deren
wunderschöne
Melodie
ohne
Drum-Computer
noch
besser
wirken
würde.
Doch
das
Intermezzo
ist
nur
kurz
und
eine
völlig
neue
(Rock)Band,
mit
Gitarre
ganz
ohne
Saxophon
und
Flöte,
entstanden.
Als
die
LP
„Nach
Hause“
1987
erscheint,
ist
der
Zeitgeist
völlig
neu
justiert
und
dem
versucht
Werther
Lohse
mit
dieser
Platte
Ausdruck
zu
verleihen.
Das
Spiel
des
versierte
Gitarristen
Bodo
Kommnick
und
des
erfahrenen
Tastenmannes
Frank
Gursch,
plus
Rhythmusgruppe
Tilo
Pietschmann
(drums)
und
Holger
Küste
(bass),
verpassen
dem
Sound
von
LIFT
einen
zeitgemäßen
Anstrich.
Der
Gesang
von
Lohse
ist
noch
immer
markant
sowie
unverwechselbar.
An
Liedern
wie
„Kleine
Ahnung“
oder
auch
„Leb
deinen
Traum“
kann
man
das
hörbar
nachvollziehen.
Mit
ihnen
gelingt
es,
die
liedhaften
LIFT-Traditionen
zu
wahren
und
sie
in
veränderte
Zeiten
mit
neuem
Sound
zu
präsentieren.
Nummern
wie
„Tief
im
Blut“,
der
Titelsong
„Nach
Hause“
sowie
„Deine
Wege,
meine
Wege“
weiten
das
Spektrum
ideenreich
aus,
während
andere
dieses
Niveau
nicht
ganz
erreichen.
Verstecken
muss
sich
diese
Platte
trotzdem
nicht.
Sie
dokumentiert
den
gelungenen
Versuch,
sich
in
veränderten
Zeiten
zu
behaupten,
andere
Wege
zu
gehen
und
nach
vorn
zu
schauen.
Es
wäre
sicher
interessant,
zu
fabulieren,
wohin
diese
Reise
hätte
führen
können.
Der
Bruch
in
der
Gesellschaft
und
also
auch
der
in
Kultur
und
den
Künsten
lassen
eine
Antwort
auf
diese
Frage
leider
nicht
mehr
zu.
LIFT
durchlebte,
wie
die
meisten
Bands
und
Künstler
der
DDR
auch,
einen
radikalen
Absturz.
Dieses
zweite
Mal
jedoch
hinein
in
eine
ungewisse
Zukunft.
In
den
folgenden
Jahren
kamen
und
gingen
die
Musiker,
ohne
die
Qualität
des
musikalischen
Erbes
zu
beschädigen.
Die
Werke
sind
in
ihrer
filigranen
Besonderheit
so
genial,
das
sie
auch
im
kammermusikalischen
Gewand
zu
klingen
vermögen.
Der
Vinyl-Katalog
von
LIFT
legt
ein
vielseitiges,
lyrisches,
stimmungsvolles
und
hochmusikalisch
schöpferisches
Zeugnis
von
einer
Band
ab,
die
unter
damaligen
Bedingungen
kleine
Kunstwerke
für
die
Ewigkeit
schuf.
Die
trugen
LIFT
bis
in
heutige
Tage
und
tun
es
noch
immer,
völlig
gleich,
wer
als
LIFT
neben
dem
letzten
verbliebenen
Originalmitglied
Werther
Lohse
auf
der
Bühne
steht.
Durch
seine
Stimme
werden die Lieder zu klingenden Erinnerungen einer gelebten Zeitreise.