Vom Beat-Musiker zum „Feuerwehrmann aus Lückendorf“
15.08.2011/Sept.2020
(Für Kurt „Saftel“ Gerlach (08.01.1941 – 23.04.2020); den wundervollen Musikanten aus dem Background der Bühne.)
Die
Gegend
im
Dreiländereck
hat
etwas
Magisches
und
die
Menschen
in
der
Oberlausitz
sicher
auch.
Hier
spricht
man
das
„R“
in
so
unnachahmlicher
und
besonderer
Weise
und
hier
sagen
sich
polnische,
tschechische
und
deutsche
Füchse
sowie
Hasen
und
Ziegen
„Gute
Nacht!“.
Vielleicht
ticken
sogar
die
Uhren
in
den
alten
Umgebindehäusern
ein
klein
wenig
langsamer
und
beschaulich.
Kaum
vorstellbar,
dass
außer
dem
Duo
Kathrin
&
Peter
hier
noch
andere
Musiker
zu
Hause
sind
bzw.
waren.
Die
Rocker
der
von
Fans
so
geliebten
Country
&
Western
-
Legende
HÖHNE
&
Co.
sind
hier
geboren,
waren
hier
glücklich,
bis
sie
der
„Umstände
wegen“
ihre
Heimat
verlassen
mussten.
Das
war
in
diesem
Landstrich
nicht
anders, als in Berlin oder Leipzig, nur eben nicht so spektakulär.
Doch
es
gibt
inmitten
all
dieser
Berge
und
Täler
viel
mehr
zu
entdecken,
als
sich
mancher
vorzustellen
vermag
und
so
griff
ich
vor
ein
paar
Wochen
zum
Telefon,
um
einen
Musiker
aus
den
frühen
Jahren
ausfindig
zu
machen.
Einen,
der
von
Beginn
an
dabei
war
und
den
ich
schon
Mitte
der
1960er
live
auf
der
Bühne
meiner
Heimatstadt
erleben
durfte.
Ich
wollte
ihn
um
ein
Gespräch
und
Informationen
aus
vergangenen
Tagen
bitten.
Mich
treibt
die
Erkenntnis,
dass
sie
alle
nicht
das
ewige
Leben
haben
und
die
Erinnerungen
an
jene
Zeit
des
frühen
Big
Beat
in
der
DDR
irgendwann
mit
ihnen
unwiederbringlich
verschwinden
werden.
Wer
würde
dann
authentisch
berichten,
wie
es
einmal
angefangen
hat,
wer
mit
wem
musizierte
und
was
alles
nebenbei
geschah?
Das
erfährt
man,
vor
den
Konzertbühnen
stehend,
nicht.
So
wurde
aus
dem
Wunsch,
ein
langes
Telefonat
zu
führen,
eine
Einladung
und
deshalb
fahre
ich
hinter
Zittau
in
eine
diesige
Nebelwand
hinein.
Selbst
der
Berg
Oybin,
mit
der
gleichnamigen
Burg
darauf,
ist
mit
seinen
über
500
Metern
völlig
im
Dunst verschwunden.
Berlina Singer, links außen Saftel beim Franke-Echo-Qintett ganz rechts Dreiländereck, im weißen Westover
In
den
späten
1950ern
und
frühen
60ern
kam
die
„Gitarrenmusik“
in
Form
von
Twist,
Rock’n’Roll
und
Beat
mit
etwas
Verspätung
auch
in
der
DDR
an.
Zunächst
orientierte
man
sich
an
den
englischen
Shadows,
den
Fortunes
oder
an
Duane
Eddy’s
schwingend
blechernen
Gitarrensound.
Jeder
zweite
Jugendliche
hatte
außerdem
die
stampfende
Bassfigur
sowie
das
rauchige
Saxophon
von
„Peter
Gunn“
im
Ohr.
Überall
im
Lande
schossen
die
Gruppen
wie
Pilz(köpfe)
aus
den
Garagen
und
Wohnzimmern.
Man
nannte
sich
Lunics,
Spotlights,
Sputniks,
Butlers
oder
auch
ganz
„einfach“
Franke-Echo-Quintett
bzw.
Theo
Schumann
Combo.
Einige
von
sind
auf
den
beiden
legendären
Amiga-
Scheiben
BIG
BEAT
I
und
II
zu
hören.
Auch
einige
Singles,
wie
zum
Beispiel
„Das
Haus
in
New
Orleans“,
eingesungen
von
Manfred
Krug,
wurden
mit
genau
diesen
Musikern
veröffentlicht.
Wer
das
markante
Saxophon-Solo
in
diesem
Song
spielte,
nur
kann
man
auf
dem
Cover
nicht
nachlesen
und
wer
das
Blech
so
faszinierend
zum
Klingen
brachte
auch
nicht.
Von
KURT
GERLACH,
den
alle
nur
„Saftel“
nannten,
findet
man
nicht
den
geringsten
Hinweis
und
doch
ist
es
so.
Eigene
Singles
der
Sputniks,
vom
Franke-Echo-Quintett
oder
den
(DDR)Amigos,
mit
dem
Beatles-Cover
„Komm
gib
mir
deine
Hand“,
sind
heute
von
Sammlern
heiß
begehrte,
seltene
und
gesuchte
Raritäten.
Viele
der
damals
jugendlichen
Beat-Musiker
sind
heute
längst
in
Vergessenheit
geraten.
Andere
hatten
mehr
Glück,
konnten
sich
entwickeln,
überstanden
die
Zensur,
sozialistische
Bürokratie
und
parteipolitische
Hürden
sowie
die
Prüfung
für
die
Berufs-„Pappe“.
Starrköpfig
oder
angepasst,
wer
mag
das
im
Detail
schon
beurteilen,
blieben
sie
im
Lande
und
lebten
eine
Karriere
in
der ersten Liga des „Ostrock“. Ihre Namen sind in aller Munde, ihre Vita kennt meist jeder.
Aber
es
gibt
viele
Musiker,
denen
der
große
Wurf
versagt
blieb,
die
nicht
auf
den
richtigen
Mentor
zur
rechten
Zeit
am
rechten
Ort
trafen,
die
für
Westmedien
viel
zu
uninteressant,
weil
unauffällig
blieben.
Allerdings
sind
sie
Musiker
ihr
Leben
lang
und
die
Musik
bleibt,
unbeachtet
von
Medien,
ihr
einziger
Lebensinhalt
und
ihre
große
Leidenschaft.
Deshalb
machen
sie
auch
heute
noch
immer
das,
was
sie
am
besten
können:
ihr
Publikum
unterhalten.
An
so
einen
Mann
aus
wilden
Jugendjahren
klebten
die
Erinnerungen
über
Jahrzehnte
fest,
denn
ich
sah
ihn
sowohl
mit
den
Berolina
Singers,
als
auch
mit
der
Band
DREILÄNDERECK
live
die
Songs
der
Beach
Boys,
Mamas
&
Papas
und
der
Monkees
nachspielen.
Die
legendäre
Combo
aus
dem
Dreiländereck
war
eine
der
wenigen
in
der
DDR,
die
das
16
Minuten-Opus
„In-A-Gadda-
Da-Vita“,
mit
dem
langen
Drum-Solo,
live
auf
die
Bühne
brachte.
So
etwas
vergisst
einer
wie
ich
nicht
und
so
habe
ich
mich
auf
die
Suche
gemacht
und
mich
dann
gewundert,
wie
leicht
der
Mann
mit
dem
Saxophon
zu
finden
ist.
Telefonbuch aufschlagen, Ort und Namen suchen, wählen.
Saftel bei Dreiländereck bei Franke-Echo Saftel solo mit den Fontanas
KURT
„Saftel“
GERLACH
hat
sein
schmuckes
Häuschen
ganz
oben
auf
der
Höhe.
Steht
er
davor,
hat
er
freien
Blick
hinunter
ins
Tal
oder
hinüber
ins
Polnische
und
Tschechische.
Vorausgesetzt,
er
erwischt
einen
besseren
Tag
als
ich.
Doch
er
braucht
nur
auf
den
nächsten
zu
warten.
Er
sitzt
mit
dem
ständig
lächelnden
Gesicht
mir
gegenüber
auf
der
heimischen
Couch
und
aus
dem
großen
Fenster
hinter
ihm
fällt
der
Blick
über
den
Ziegenstall
hinweg
über
das
Tal,
bis
zu
den
verdeckten
Bergriesen.
Dies
hier
ist
ein
Ort,
den
man
sich
in
jedem
Traum
erträumt.
Doch
der
hier
ist
real
und
von
malerischer
Schönheit
in
urwüchsiger
Natur
umgeben.
Für
drei
viel
zu
kurze
Stunden
tauchen
wir
beide
ein
in
Erinnerungen
und
Episoden.
Wir
betrachten
Fotos
und
Dokumente,
die
uns,
je
nach
Assoziation,
lachen
lassen
oder
nachdenklich
stimmen.
Es
sind
jene
Jahre
mit
den
BEROLINA
SINGERS
und
die
seiner
Studioband
DREILÄNDERECK
und
später
mit
den
FONTANAS.
„Saftel“
erinnert
sich
bestens
an
so
manchen
Job
im
Aufnahmestudio,
um
zum
Beispiel
das
Saxophon-Solo
für
das
„Haus
in
New
Orleans“
einzuspielen
und
auch
daran,
wie
hoch
sein
Honorar
dafür
ausfiel.
Wir
tauchen
ein
in
Fotos
der
FONTANAS
mit
IREEN
SHEER,
erleben
noch
einmal
einige
seiner
Gastspiele
und
sehen
Auftrittsorte.
Wir
sprechen
über
DEAN
REED,
in
dessen
Begleitband
„Saftel“
musizierte.
Vor
uns
auf
dem
Tisch
liegen
diverse
alte
Urkunden
neben
der
Nachricht
von
einem
Auftrittsverbot.
Das
eine
mutet
so
lustig
an,
wie
das
andere
lächerlich und dumm ist.
Wir
sprechen
über
die
Wendewirren
und
ein
Engagement
auf
der
„Arkona“,
um
letztlich
wieder
in
der
Gegenwart
und
damit
beim
„Feuerwehrmann
von
Lückendorf“
zu
landen.
In
dieser
Paraderolle
eines
Urmusikanten
erfreut
er
mit
seinen
70
(!!)
Lenzen
noch
immer
sein
Publikum,
egal,
ob
es
sich
um
eine
private
Fete
oder
ein
gesellschaftliches
Ereignis
handelt.
„Saftel“
steht
voll
„im
Saft“
sowie
im
Leben,
er
strahlt
eine
unbändige
Lebensfreude
einerseits
und
erstaunliche
Gelassenheit
andererseits
aus.
Er
ist,
entgegen
vermeintlicher
Gewohnheiten
von
Musikanten,
seit
50
Jahren
glücklich
mit
seiner
Helga
verheiratet
und
lebt
mit
ihr,
seinen
Katzen,
den
Enten
und
Ziegen,
auf
einem
der
schönsten
kleinen
Flecken,
die
ich
je
gesehen
habe,
in
der
Höhenluft
des
Zittauer
Gebirges
im
äußersten
Zipfel
dieses
Landes.
So
ähnlich
könnte auch das Paradies aussehen, wenn die Sonne scheinen würde.
Zum
Abschied
steht
er
vor
mir
mit
einem
Dudelsack
und
spielt
mir
„Amazing
Grace“
in
genau
jener
Art,
wie
der
Song
von
der
„Military
Band
Of
The
Royal
Scots
Dragoon
Guards“
für
eine
LP
eingespielt
wurde.
Da
werden
mir
doch
noch
die
Knie
weich,
denn
ich
erlebe
einen,
der
irgendwie,
wie
andere
auch,
einen
Teil
Musikgeschichte
mitgeschrieben
hatte,
aber
nie
den
Biss
oder
Ehrgeiz
zur
„Kultfigur“
entwickeln
wollte
und
dennoch
ist
er
Ikone
und
Original
wie
kaum
einer,
den
ich
kenne.
Darüber
wird
später
noch
zu
sprechen
und
zu
erzählen
sein,
denke
ich
mir
und
ahne
aber
nicht,
dass
wir
zwar oft miteinander telefonieren, aber uns nie wieder sehen werden.
Nachtrag September 2020
Vor
wenigen
Tagen
kam
ich
von
einem
Konzert
zurück.
Das
Telefon
klingelt
und
ein
Freund
aus
der
alten
Heimat
übermittelt
mir
die
traurige
Nachricht,
dass
„Saftel“
nicht
mehr
unter
uns
weilt.
Schon
im
April
dieses
Jahres
sei
er
leise
und
unaufdringlich,
so
wie
er
gelebt
hatte,
von
uns
gegangen.
Es
wird
kein
Gedenkkonzert
und
es
gab
auch
kein
offizielles
Statement
in
irgendeinem
der
Medien.
Ich
nehme
den
Hörer
in
die
Hand,
wähle
seine
Nummer
und
dann
spreche
ich
lange
mit
Helga,
die
seit
April
ein
leises
Leben
als
Witwe
führt.
Noch
einmal
spechen
wir
über
„Saftle“,
noch
einmal
tauschen
wir
einige
Erinnerungen
und
dann
erzählt
sie
leise,
wie
es
geschah.
Die
Stille
und
Bescheidenheit
war
seine
Welt,
in
der
er
dennoch
richtig
laut
rocken
und
musizieren
konnte.
Ich
habe
es
erleben
und
spüren
dürfen.
Nun
trifft
er
sich
mit
all
jenen,
die
schon
voraus
gingen
und
vielleicht
spielt
jetzt
im
Rockerhimmel
die
Combo
der
ersten
Generation
die
alten
Instrumentalnummern
im
originalen
Sound,
mit
scheppernden
Gitarren
und
dem
röhrenden
Saxophon von „Saftel“. Ich gönne es ihm und werde ihn vermissen.