Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Von Parallel-Welten & Nischen - Christian Kunert im Stadtmuseum 26.05.2009 Da sitze ich also im Festsaal vom Stadtmuseum in Dresden, hereingeführt durch einen Seiteneingang, damit den prominenten Gästen, die sich an weiß überzogenen Stehtischen im Haupteingangsbereich zur gleichen Zeit einfinden, nicht das überbackene Sandwich mit Sektgläschen bei meinem Anblick aus der Hand fällt. Warum eigentlich kommt mir das so bekannt vor?? Mir kommt es vor wie „DDR en miniature“ und das bei einem Vortrag über „Bluesfreaks, Tramps und Hippies Nische oder Parallelwelt in der DDR“. Im 3. Stock werden wir vom Sicherheitspersonal am oberen Ende der Treppe, die vom besagten Sandwicheingang kommt, in Richtung Festsaal entlassen. Über so viel Groteske und Doppelbödiges schon vor dem Vortrag über Parallelwelten in der einstigen DDR kann ich mir dann doch ein Grinsen, Dank dieser Steilvorlagen, nicht verkneifen. Ein herzliches Willkommen im (schein)heiligen Tempel der Konrad Adenauer Stiftung! Da sitze ich also im gestylten Ambiente, im Angesicht der Tischkarten von Thomas Kochan, Jahrgang 1968 und Mitautor von „Bye Bye Lübben City“, sowie Christian „KUNO“ Kunert, Jahrgang 1952, den Musiker, Renftler, Rebell & Zyniker vom Feinsten, und begreife, dass ich irgendwie ein Auslaufmodell repräsentiere, hier nicht wirklich hierher gehöre und eigentlich bin ich auch nur wegen diesem Kuno angereist. Während der einleitenden Worte vom Dr. Sowieso wird mir klar, dass ich wohl eine gewisse Zeit lang Teil dieser „Parallelwelt“ in der DDR war, zwischen „Aufbegehren und Resignation“, so der Untertitel. Das ist schon deshalb nur eine Halbwahrheit, weil Resignation in meinem Wortschatz und dem derer, die ich von damals kenne, nicht stattfand. Wo wären wir denn heute, wenn die aus lauter Resignation gegangen wären? Wer hätte den sonst das Recht auf Freiheit mit den Füßen einfordern sollen? Wer formuliert nur solchen reißerischen Quatsch? So passt denn auch der zweite Referent hier in Dresden wieder mal nicht wirklich ins Konzept. Der stellt sich, auch „Dank“ seiner Behinderung, einfach darüber, so wie einst. Denn weder Kuno, noch die RÄNFT-BÄND (so Kuno) und gleich gar nicht deren Musik, finden heute in dieser angeblich so freien Medienkultur statt, obgleich beide da sind. Parallelwelten, Nischen oder nicht? Da erscheint er also in seiner hellen Cord-Hose und dem Schlumperhemd darüber, mit (Jesus)Latschen an den Füßen, einer dicken Kette um den Hals, neben dem Schlips- und Anzugträger und sieht aus, wie ich selbst in der ersten Reihe dort sitze. Zwei Ehemalige aus der Nische in der nicht offiziellen Welt dieser Adenauer Stiftung wenn ich schon Adenauer höre! An den dafür von Kuno vorgesehenen Stellen muss ich dann auch hörbar lachen - sorry. Kuno plauderte locker über die RÄNFT-BÄND und über Orte, wo sie auftrat oder wirkte. So gelingt es ihm, mir wieder diesen unwiderstehlichen Geruch der Männertoilette im Gesellschaftshaus Hoppenz, mit schwarzer Wand, der Pissrinne da unten und dem beißenden Schaum darin, gegenwärtig werden lassen. Das Bild zeichnet er verdammt real. Als Kuno daran erinnerte, dass es ganz andere waren, die schon vor Dekaden das Koma-Saufen in die Welt getragen hatten, kann ich mich nicht mehr halten. Er erinnert Minuten später an diesen „Regent 30“-Verstärker, an seinen Klang und Kuno belehrt die Anwesenden, was dieser Verstärker von damals mit einer Kaffeemaschine von heute gemeinsam hat. Bei seinen Ausführungen über die Spielerlaubis, umgangssprachlich „Pappe“ genannt, tut sich bei mir ein ganzes Erinnerungsuniversum auf und ich fragte mich unvermittelt, warum sich bei diesen alten Stichworten sofort liebevolle Erinnerungen, statt Resignation, einstellen, warum mir beim Lachen die Tränen in die Augen schießen und einige ganz verdutzt zu mir gucken. Nur dieser Kuno grinst auch. Dennoch, es gab dieses Denken bei vielen, nicht nur in den Nischen. Die Klaus Renft Combo machte daraus das „Lied vom Otto“ und Kuno singt es und spricht dazu in seiner urwüchsigen Art, die mir schon wieder einen Kloß in den Hals presst. Die zweite Melodie des Abends schrieb einst John Lennon, eines meiner Jugendidole, für die Beatles. Die Zeilen vom Erdbeerfeld im Irgendwo und für immer, das in uns lebt, wie unsere Sehnsüchte, die uns keiner nehmen kann. Bei „Strawberry Fields Forever“ fühle ich mich dann ebenso berührt, wie mir der „Otto“ damals nahe ging, von dem Dr. Sowieso hier im Raum wahrscheinlich damals nichts wusste. Vielleicht sind Erinnerungen verklärend, vielleicht aber, war der normale Wahnsinn in dieser DDR auch manchmal und ziemlich oft ein wenig anders, als die offiziell gewollte Lesart heutiger Tage? Zumindest befinde ich mich mit KUNO im Gleichklang und das ist ein gutes Gefühl. Ein Teil der Anwesenden lauscht pflichtbewusst, statt neugierig, den Ausführungen der beiden so sehr unterschiedlichen Referenten. Andere Gäste höre ich mit mir lachen. Zum Ende der Veranstaltung sind einige ziemlich schnell verschwunden, andere haben das Bedürfnis, noch ein paar Worte zu tauschen und Erinnerungen zu erhaschen. Sie nutzten die Gelegenheit, einer Musikanten–Legende in das vom Parallel-Leben und Nischen-Dasein gezeichnete Gesicht zu sehen und sie versuchen, mit selbigem zu kommunizieren und Antworten zu erhaschen. Das ist schwierig, aber es geht, wenn man geduldig nachhakt, denn KUNO ist nicht stumm, man stößt nicht auf taube Ohren, er hat sie nur, aber seine Augen blitzen hell wie eh und je. Mit verklärten Grüßen aus meiner Nische, HH.