Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
HOMMAGE für Gundolf „Kundi“ Zimmermann 11.01.2021 (25.09.1964 – 19.12.2020) Alle nannten ihn nur Kundi und er sich, für die Welt im Netz, auch. Wahrscheinlich nur, so dachte ich stets, um Verwechslungen zu vermeiden. Eigentlich hätte Gundolf sich „Gundi“ nennen müssen, aber den gab es bereits, obgleich Gundermann, den er sehr verehrte, damals schon nicht mehr unter uns weilte. Also nannte er sich Kundi und als Kundi lernte ich diesen Typen auch kennen. Lange her! Mein lieber Kundi, mein Bühnenrandmissions- und Muggenpilger-Chefchen, hattest wohl keine Lust mehr, mich sonntags anzubimmeln oder ist Dir der ganze Rummel mit Corvid auf’n Sack gegangen? Keine Konzerte mehr, also auch keine schriftlichen Nachbetrachtungen mehr und hunderte Fotos auch nicht. Über Gott und die Welt haben wir sonntags geredet oder dieser Welt erklärt, wie sie unserer Meinung nach ticken sollte. Manchmal hatte wir auch den gemeinsamen Blick zurück und plötzlich waren all die kleinen „unwichtigen“ Details wieder da und die Frage, wie hat das eigentlich angefangen? Der Anfang war wohl ein Chat im Netz, anonym sowie ohne Gesichter und Stimmen. Die geschriebenen Worte ersetzen weder Aussehen noch Ausstrahlung. Also machte ich den Vorschlag, sich doch einfach zu treffen, zu quatschen und Zeit in geselliger Runde miteinander zu verbringen, sich kennen zu lernen. Der Startschuss fand Widerhall und so wartete ich gespannt, wer sich am 25. August im Jahre 2007 in unserem Garten in Elsterwerda einfinden würde. Gundolf Zimmermann, im Berluc-T-Shirt, war einer von ihnen und nicht sonderlich auffällig. Eher das Gegenteil. Neben den „beiden Sonnen“ war er zu leise und neben „Wodka“ zu normal. Auch Heike und Conny vom City-Fanclub mischten die Runde auf, zumal Heike, wie sich herausstellte, an diesem Tag Geburtstag hatte. Seither ist viel Regen gefallen und Wasser in die Elbe geflossen. Was war geschehen? Am besten ich beginne mit dem Anruf von Lissi, sprich Kerstin, der Schwester von Kundi, am frühen Vormittag: Mir ist die Handy-Nummer unbekannt, die ich auf dem Display sehe. Als ich abnehme, meldet sich Kerstin. Meine spontane (belegbare) Reaktion: „Sag mir jetzt nicht das, was ich gerade denke!“ Sie: „Doch.“ Sie weint und dann haut es mir die Beine und alle Emotionen weg. Irgendwo hin, nichts geht mehr in diesem Moment. Die Stimme von Lissi an meinem Ohr klingt ganz weit, als sie unter Tränen erzählt, und wie im Nebel versuche ich, zuzuhören und ihr Trost zu spenden. Was für eine Scheiß-Nachricht, denke ich und auch, dass wir so ein Telefonat schon einmal geführt haben, vor Jahren, als es eine vergleichbare Situation gab. Daher auch meine blinde Reaktion, einer dunklen Vorahnung folgend. Doch heute ist alles anders, anders und unwiederbringlich. Immer dann, wenn man glaubt, schlimmer geht es nicht mehr, kommt die Steigerung hämisch grinsend um die Ecke. Und was nun? Wie im Film laufen Bilder vor mir ab. Nach jenem Treffen in Elsterwerda wuchs zwischen Kundi und mir reale Freundschaft, während „Wodka“ mein Bruder im Geiste wurde. Als Trio hätten wir die Welt aus den Angeln heben können, hätten wir gewusst, wie. Doch so beschränkten wir uns auf kluge Kommentare zum Geschehen und auf Konzertbesuche: Theaterplatz, Goldener Reiter und Tante Ju in Dresden, der Anker in Leipzig, die Columbiahalle in Berlin und die vielen kleinen Klubs irgendwo im Land, die uns zu Konzerthöhepunkten lockten. Wir alle wurden ein kleiner wilder Haufen und eine verschworene Gemeinschaft. Im Leben, vor den Bühnen und in einem Forum, das uns bald zu eng schien. So mancher „Fan“ hielt uns für großkotzig und die Zeiten wurden schneller. Letztlich war das wohl nicht mehr unser Spiel, an dem wir nicht mehr beteiligt sein wollten. Nach dem Bruch hatte Kundi die Idee, aus der letztlich die „Mission Bühnenrand“ entstand, unser kleines aber feines Forum für Muggenpilger und Konzertnomaden. Es war und es ist Kundi’s Baby. Auch jetzt noch. Kundi, Du warst immer für eine Überraschung gut. Ob Du urplötzlich doch in Torgau bei den „Weggefährten“ aufgetaucht oder sonntags am Telefon berichtetet hast, dass Du gerade von einer Kerth-Mugge aus Erfurt zu Hause eingeflogen bist. Solche Aktionen haben wir beide regelmäßig am Sonntagvormittag durchgekaut und klug ein Fazit gezogen. Das war ein Ritual, das wir viele Jahre pflegten. Es wird mir fehlen, Konzerte „auszuwerten“, über das Randgeschehen zu reden oder Ratschläge auszubrüten, die niemals das Ohr desjenigen erreicht haben, für den sie bestimmt waren. Wir konnten miteinander am Telefon lachen, wie wir auch gemeinsam heulen konnten, wenn es wieder einen erwischt hatte, den wir beide kannten und liebten. Und wenn dann alles gesagt und bewertet war, kam Dein Spruch um die Ecke „Grüß’ Frau und Hund“ und dann konnte es Sonntag werden. Damit ist jetzt auch Schluss. Wir beide liebten die Musik von Gundermann und verehrten den Menschen CÄSAR. Wir waren beim Tribut für Gundermann und sahen CÄSAR in Döbeln und an anderen Orten. Gemeinsam pilgerten wir auch, mit Lissi und dem damaligen Wodka, zum Südfriedhof, um CÄSAR auf seinem letzten Weg zu begleiten. Wir waren beim letzten richtigen Omega-Konzert in Leipzig, bei Electra in Freiberg oder bei Kerth im Teichhaus sowie Renft in Medingen und trafen uns in der Tante Ju. Keine Ahnung, wie viele Konzerte wir gemeinsam sahen und uns vor irgendwelchen Bühnen trafen. Es war einfach so, weil es normal war und weil oft die gleichen bekannten Gesichter in unserer Nähe standen, so wie in Munzig zum Beispiel oder bei der Randgruppencombo. Was könnte ich jetzt noch Namen nennen, was könnte ich Muggen auflisten und alte Episoden hervorkramen. Die schönen Momente, die in der Mehrzahl sind, und die weniger schönen, die auch dazu gehören bis hin zu den wenigen, auf die wir hätten gut und gerne verzichten wollen. Und was mache ich jetzt ohne all das? Mensch Kundi, weiß Du noch, diese wundervolle Gartenparty in Elsterwerda. Was haben wir gegrillt und gefuttert! Was haben wir (über die beiden Sonnen) Tränen gelacht und gestaunt, wie Heike und Wodka dieses Zelt aufgebaut haben. Was haben wir bis weit nach Mitternacht getrunken und gesungen! In unseren Erinnerungen landeten wir oft bei diesen Stunden ausgelassener Freude und wir landeten dann auch zwangsläufig bei Heike und später Conny. Dann standen uns die Tränen der Trauer im Gesicht. Und nun, mein Kundi, was mache ich nun, wenn ich an jenen Tag und die vielen anderen danach denke? Hast Du vielleicht zu viel in der „Bürgschaft“ von Schiller gelesen „Ich sei, so gewährt mir die Bitte, in eurem Bunde der Dritte.“?? Meintest Du wirklich, Heike und Conny hätten Dich jetzt schon in ihrer Nähe haben wollen? Mit wem, verdammt noch mal, soll ich jetzt sonntags telefonieren und vielleicht auch wieder am Bühnenrand stehen? Wer wird am Tag danach diese wundervollen Konzertberichte in Überlange mit mindestens hundert Fotos in Dein Forum stellen? Wer wird all das übernehmen?? Weißt Du, Kundi, manchmal bin ich zu einem Konzert oder Event gefahren, „nur“ um in die kleine Meute eintauchen zu können. Beim ersten Haase-Fantreffen in der Illingmühle war das so und auch, wenn der Haase seine Gitarre im Zschoner-Grund ausgepackt hatte. Dann waren wir, mitten im Publikum, unter uns und das Gefühl von Gemeinschaft hat uns über die ganzen Abende getragen. Die obligatorischen Treffen im „Alten Teichhaus“, wenn der Rockgeiger aufspielte, gehörten ebenfalls dazu. Eintauchen in die Meute war angesagt, ein Gefühl, in dem wir „baden“ konnten. Zum letzten Mal haben wir das, verbunden mit dem gemeinsamen Liedersingen zu nächtlicher Stunde, in Goßberg, am Rande dieser Welt, zelebriert. In Deiner Paraderolle als Wachtmeister im Dienst warst Du unschlagbar. Irgendwann in diesen Jahren kam uns Facebook in die Quere und der wilde Haufen zersplitterte. Es war der Tribut an die Individualität, an das eigene ICH, das diese Gesellschaft dominiert. Ich hatte plötzlich ein eigenes Buch sowie in dessen Folge eine Homepage plus eine Facebook-Seite, um das Teil zu „promoten“. Die Dinge nahmen ihren Lauf und jeder wurde sich selbst der Nächste. Ich wohl irgendwie auch. Immer öfter ersetzten Smiles & Co. die geschriebenen Worte und auf diese Weise die Diskussion zur Musik. Das hat weder Kundi noch mir gefallen, aber der Trend ist unumkehrbar. Leider. Meine Konsequenz hieß langsamer Rückzug und Kundi wusste davon. Wir haben oft und lange über das Unvermeidliche gesprochen, dass es jedoch auf diesem Wege geschehen würde, war nicht ausgemacht und gleich gar nicht absehbar. Die Realität kann ein Arschloch, sogar ein gemeines Schwein sein! Sie überrascht uns mit Tatsachen, die man selbst anders erschaffen wollte. Die Realität ist schneller, kompromissloser und oft auch ohne Gnade. Man weiß es, ist aber überrascht oder geschockt, wenn wieder so ein Moment da ist „das is’n Scheißspiel!“ (Gundermann), aber wir haben es noch mitgespielt. Bei mir jedoch ist jetzt “Ende Gelände”, es reicht! Vor mir liegt das Telefon. Sollte es am Sonntag klingeln, wird nicht mehr KUNDI auf dem Display zu lesen sein. Wer immer es dann auch sein mag, er oder sie wird meinen Kloß in der Stimme anhören müssen und ich werde nichts erklären können. Erst meine Lily und jetzt Du, Kundi, der andere Freund eines Hundes. Wie wird man Deinem Vierbeiner Dein Fehlen erklären? Ich weiß es nicht, ich weiß so vieles nicht in diesen Stunden und in den kommenden. Wieder einmal einen Freund verloren und ganz langsam kommt die Fähigkeit, zu weinen abhanden. Die Zeit wird nichts heilen, keinen Schmerz und gleich gar nicht den Verlust eines Menschen, des Freundes. Meine Gedanken sind bei der Familie, bei Kerstin der Schwester und Rene, dem jüngeren Bruder. Ich denke an die Mutter, die nun den eigenen Sohn beweinen und einsam zu Grabe tragen muss. Ich denke an diese Pandemie, die verhindert, dass wir EUCH, seiner Familie, auch persönlich Trost spenden können. Ihr habt meine und Evi’s aufrichtige, tief empfundene Anteilnahme in den schweren Stunden des Abschieds. Wir wünschen Euch viel Kraft dafür. Und ich verneige mich tief vor Dir, mein Kundi, Freund und Chefchen. Ich verneige mich vor Deiner Menschlichkeit, Deiner uneingeschränkten Herzlichkeit und deiner wilden Lust auf gute Musik. Danke für die Jahre der Freundschaft und des Miteinander in der kleinen Welt der Schreiberlinge. Mit Dir geht unwiderruflich auch eine ganze Ära und für mich ganz persönlich ist gerade irgendwie die Luft völlig raus. Keine Ahnung, was jetzt noch kommen soll. Mein einziger „Trost“ ist die Tatsache, dass unsere Hundedame Lily jetzt einen kompetenten Begleiter auf ihren Wegen „um den Block“ haben wird. Die Frage ist nur, wer begleitet mich, wer begleitet uns zukünftig zum Bühnenrand …? Heute nahmen Deine engsten Familienangehörigen Abschied. Ein T-Shirt der „Mission Bühnenrand“ sowie eine ganz persönliche Beigabe von mir dürfen mit auf die Reise, die allerletzte, gehen. DANKE Kerstin, das bedeutet mir viel, sehr viel. Kundi wird ein Teil meines Lebens bleiben und in den Erinnerungen vieler Freunde und Musiker auch. Wir alle werden Ihn, unseren Kundi, nie vergessen. Tschüss, mach’s jut, Kundi, Dein Freund und Rock-Rentner, Hartmut, “Dein Großer”