Mit Murmel ins Discozeitalter – Gruppe Kreis live 1977
In
der
größten
DDR
aller
Zeiten
gab
es
Schlager
und
Volksmusik.
Klassik
sowieso
und
es
gab
Anfang
der
1960er
die
Singebewegten.
Es
gab
auch
eine
Menge
Beat-Kapellen,
deren
Namen
inzwischen
dem
Vergessen
anheim
gefallen
sind.
Außerdem
hatten
wir
eine
kleine,
aber
feine
Jazz-Szene
und
in
den
1970ern
wurde
auch
bei
uns
aus
Beat-
endlich
Rockmusik.
Richtige
Pop-
und
Discomusik,
die
sich
erfolgreich
auf
dem
Disco-Parkett
etablieren
konnte
und
die
Tanzwütigen
in
Bewegung
versetzte,
gab
es
nicht
wirklich.
„Paloma
Blanca“
und
„Daddy
Cool“
aus
dem
Westradio
waren
das
Maß
aller
Dinge.
Das
änderte
sich,
als
Anfang
der
1970er
Jahre
international
die
Disco
-
Welle
und
der
Philly
-
Sound
begannen,
die
sich
oftmals
überwichtig
gebende
Rockmusik
einfach
zu
ignorieren
und
auf
Spaß
und
gute
Tanzbarkeit
zu
setzen.
Plötzlich
waren
„Botschaften“
und
„bombastische
Shows“
nebensächlich
geworden,
dafür
wackelten
jetzt
weltweit
die
Ärsche
und
Hüften,
es
wurde
geschubst
und
„gebumpt“
wie
die
Silver
Convention
oder
gezuckt,
wie
im
Philly-
und
Disco-Sound
aus
den
USA.
Die
Filmindustrie
tat
mit
„Saturday
Night
Fever“
ihr
übriges
dazu.
Plötzlich
war
die
Pop-Musik
um
einige
Takte
schlichter
und
damit kurzlebiger geworden. Was zählte, war der Moment und körperliche Fitness, die Musik war nur das Mittel hierfür.
Das
war
auch
die
Zeit,
als
der
Musikstudent
ARNOLD
FRITZSCH
sein
Studium
der
Kompositionskunst
und
die
Lehre
vom
Arrangieren
gerade
abgeschlossen
und
seine
erste
Frau
an
Seite
gefunden
hatte.
Mit
der
schönen
und
blonden
Eva
gründete
er
gemeinsam
1973
die
Gruppe
KREIS,
die
von
Beginn
an
auf
tanzbare
Popmusik
und
Disco-kompatible
Tanzrhythmen setzte. Damit traf er die Marktlücke in der DDR schlechthin und eine Erfolgsstory nahm ihren Lauf.
Die
Musik-Oberen
der
DDR
schalteten
(relativ)
schnell
und
1975
erschien
bei
AMIGA
eine
erste
Single
mit
„Doch
ich
wollte
es
wissen“
als
B-Seite.
Der
Song
war
eine
der
wenigen
DDR-Produktionen,
die
man
während
einer
Disco-Veranstaltung
problemlos
nach
Boney
M.
oder
der
George
Baker
Selection
spielen
konnte,
ohne
sofort
eine
leere
Tanzfläche
befürchten
zu
müssen.
Die
Single
und
der
Song
schlugen
ein
wie
eine
Bombe
und
die
Band
spielte
vor
ausverkauften
Hallen
sowie
im
Fernsehen
und
im
Ausland;
KREIS
waren
die
ersten
wirklichen
Pop-Stars
zwischen
Rügen
und
Fichtelberg.
Weitere,
wie
zum
Beispiel Jessica, sollten ihnen bald folgen.
Genau
in
diese
Situation
hinein
kam
ich
mit
meiner
Idee,
in
Elsterwerda
regelmäßig
Rock-Konzerte
zu
veranstalten
und
damit
lag
ich
exakt
neben
dem
Massengeschmack.
Mir
ging
nämlich
dieser
ganze
banale
Pop
auf
den
Keks
und
meine
Sehnsucht
nach
Rockmusik
aus
dem
Bauch
heraus
konnte
ich
nur
im
benachbarten
Riesa
oder
Großenhain
befriedigen.
Allerdings
gab
mir
mein
berufliches
Umfeld
in
der
Stadt
die
Chance,
das
zu
tun,
was
mir,
und
offensichtlich
auch
anderen,
Freunde
machte.
Im
März
und
April
1977
standen
mit
BROT
&
SALZ
sowie
PRINZIP
auch
gleich
zwei
meiner
Wunschkandidaten
auf
der
Bühne
des
Gesellschaftshauses
in
Elsterwerda.
Der
dritte
Termin
im
Mai
1977
war
dazu
gedacht,
alle
drei
Konzerte,
möglichst
mit
Überschuss,
finanziell
abzusichern.
Mit
der
Gruppe
KREIS
konnte
man
zu
jener
Zeit
keinen
Fehler
machen.
Die
Karten
für
alle
drei
Konzerte,
vorsorglich
als
Anrecht
organisiert
und
ROCK-MIX
1
getauft,
gingen
über
den
Tisch
wie
die
sprichwörtlichen
warmen
Semmeln
und
der
kleine
Saal
im
Gesellschaftshaus
platzte
an
diesem
letzten
Abend, wie an vielen späteren ebenfalls, aus allen Fugen.
Die
Musiker
von
KREIS
agierten
von
Beginn
an
sehr
souverän
auf
der
Bühne,
dahinter
allerdings
auch.
Man
merkte
den
Musikern
schnell
an,
dass
sie
gefragt
waren,
viele
Konzerte
zu
spielen
und
Shows
zu
bewältigen
hatten.
Das
alles
lief
für
damalige
Verhältnisse
sehr
professionell
und
gut
durchdacht
ab,
von
einigen
Nörgeleien
über
den
Zustand
von
Bühne
und
Garderobe
in
der
Provinz
einmal
abgesehen.
Diese
Bemerkungen
gingen
mir,
und
einigen
anderen
auch,
irgendwann
doch
gegen
den
Strich,
zumal
wir
uns
alle
erdenkliche
Mühe
gaben,
den
Abend
für
alle
Beteiligten,
Musiker
und
Besucher,
möglichst zu einem großen Erlebnis werden zu lassen.
Natürlich
war
alles
auf
den
Sänger
und
Frontmann
ARNOLD
„Murmel“
FRITZSCH
ausgerichtet,
auch
wenn
neben
ihm
die
schöne
und
blonde
Eva
als
Blickfang,
Sängerin
und
Flötistin
agierte.
„Murmel“,
wie
ihn
seine
Freunde
nannten,
war
ein
Vollblutmusiker,
ein
Entertainer
und
einer,
dem
man
die
Freude
am
Musizieren
anmerkte,
egal
ob
er
lässig
hinter
dem
e-
Piano
saß
und
sang
oder
mit
der
Gitarre
um
den
Hals
vor
dem
Mikrofon
seine
Lieder
präsentierte.
Wie
souverän
er
das
mit
seiner
Band
tat,
war
schon
sehr
beeindruckend
und
wie
ihn
die
weiblichen
Konzertbesucher
in
den
ersten
Reihen
anhimmelten, ebenfalls.
Es
war
egal,
ob
er
„Ich
will
dich“
oder
„Du
machst
mich
müd’
“
sang.
Er
konnte
ganz
sicher
sein,
dass,
zumindest
der
weibliche
Teil
im
Saal,
ihn
keine
Sekunde
aus
den
Augen
ließ.
Gemeinsam
mit
Eva
sang
er
das
wirklich
sehr
schöne
Duett
„Und
wir
gingen
auf
uns
zu“
und
allein
am
Piano
sitzend,
erzählte
er
singend
„Ich
war
der
5.
Beatle“,
denn
ARNOLD
FRITZSCH
war
als
bekennender
Beatles-Verehrer
und
auch
mit
seiner
Musik
mitunter
nah
an
seinen
berühmten
Vorbildern.
In
den
Musikanten
steckte
eine
ziemliche
Portion
Show-Talent
und
Humor.
Beides
nur
allein
mit
einer
Nummer
wie
„Alle
Mann
an
Deck“,
gesungen
vom
Schlagzeuger
UWE
PESCHKE,
kam
leider
etwas
zu
kurz.
Gemeinsam
mit
dem
Bassisten
HELMUT
SICKEL
lieferte
er
eine
umwerfende
musikalische
Parodie
ab,
ohne
zu
verleugnen,
dass
dabei
sicherlich
das
„Yellow
Submarine“ der Beatles Pate gestanden hatte. Aber auch das wollte erst einmal gekonnt sein.
Natürlich
warteten
vor
allem
die
weiblichen
Fans
auf
den
Überhit
„Doch
ich
wollte
es
wissen“
und
mit
ihm
gelang
es
„Murmel“
und
der
Gruppe
KREIS
den
alten
Tanzschuppen
in
ein
wahres
Tollhaus
zu
verwandeln.
Dazu
sollte
man
wissen,
dass
damals
Stuhlreihen
Pflicht
waren
und
die
Konzertbesucher
in
aller
Regel
dort
auch
sitzen
blieben
–
bis
heute
kann
ich
nicht
wirklich
verstehen,
wie
und
warum
das
tatsächlich
funktioniert
hat.
Allerdings
hielt
es
bei
diesem
Lied
des
Konzertes
der
Gruppe
KREIS
dann
doch
einige
nicht
auf
ihren
Sitzen
und
sie
taten
das,
was
man
stets
in
solchen
Situationen
der
Begeisterung natürlicherweise tut – Frau tanzte und war glücklich.
Das
Konzert
wurde
ein
voller
Erfolg,
auch
wenn
ich
schon
damals
Gefühl
hatte,
einige
Musiker
der
Band
und
der
Crew
sahen
sich
in
einer
besonderen
Position
und
mit
besonderen
Rechten
versehen.
Bei
aller
musikalischer
Perfektion
konnte
ich
damals
eine
gewisse
emotionale
Distanz
nicht
ignorieren,
die
die
Band
ausstrahlte,
vielleicht
auch,
weil
die
sich
zum
Geldverdienen
ausgerechnet
in
die
Provinz
begeben
musste,
wollte
oder
sich
genötigt
sah.
Wie
auch
immer,
es
war
meine
erste
Erfahrung
dieser
Art,
bei
weitem
aber
nicht
die
letzte
und
selbst
heute,
da
ich
diese
Zeilen
über
30
Jahre
nach
jenem
Konzert
schreibe,
ist
mir
das
Gefühl
von
Arroganz,
Überheblichkeit
und
gespielter
Volksnähe
durchaus
immer
wieder
einmal
sehr
gegenwärtig,
leider.
Die
meisten
Musiker
allerdings
sind
noch
immer
die
gleichen
unkomplizierten
Kumpels
und
Spaßvögel, wie ich sie schon damals erlebte.
Die
Gruppe
KREIS
löste
sich
schon
1982
wieder
auf.
Irgendwie
war
wohl
das
Pulver
verschossen
und
auch
in
der
DDR
konnte
sich
eine
Masche
schnell
totlaufen.
Der
Konzertalltag
hatte
sicher
seinen
Teil
dazu
beigetragen,
aber
vielleicht
auch
der
Wunsch
von
ARNOLD
FRITZSCH,
nicht
auf
Dauer
für
die
Fans
auf
diesem
Niveau
festgenagelt
zu
bleiben.
Bei
AMIGA
erschienen
zwei
Langspielplatten
von
KREIS
sowie
diverse
Singles.
Ein
alleinherrschender
AMIGA
-
Chef
sorgte
außerdem
dafür,
dass
eine
dritte
Scheibe
nur
noch
im
Westen
erscheinen
durfte.
Eine
vierte
erschien
beim
benachbarten
Lable
Supraphon in der CSSR. Kommentar überflüssig!
ARNOLD
„Murmel“
FRITZSCH
arbeitete
erfolgreich
solistisch
weiter,
veröffentlichte
sogar
eine
eigene
Langspielplatte
und
ist
heute
vorwiegend
als
das
tätig,
was
er
am
besten
kann
–
er
komponiert
Musik.
Als
einer
der
ersten
DDR-Musiker
machte
er
es
dem
ex-Puhdy
Gunther
Wosylus
gleich.
Er
produzierte
im
eigenen
Studio
Künstler
wie
Ines
Paulke
oder
Arnulf
Wenning
und
blieb
dadurch
indirekt
seinem
Stil,
zeitgemäße
Pop-Musik
zu
produzieren,
treu.
Die
„Schublade“,
die
die
Gruppe
KREIS
für
die
DDR
geöffnet
hatte,
wurde
zu
Beginn
der
1980er
Jahre
von
Gruppen
wie
JESSICA
oder
JUCKREIZ
und
Solisten
wie
IC
FALKENBERG
sowie
anderen
bestens
bedient.
Tino
Eisbrenner
und
der
„Schaltkreis“
schafften
sogar
den
Sprung
über
die
Zeitenwende
hinaus
und
in
einen
offenen
Musikmarkt
hinein.
Das
aber
sind
schon
wieder
andere
und
vor
allem
aktuelle,
statt alte, Geschichten.
Die Autogrammkarte von Kreis in jenen Tagen.