Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Rockrentner’s Zwischenbilanz Mai 2021 Inzwischen wandle ich im 72. Lebensjahr. Ich habe Frau und Kinder, auch Enkelkinder, eine schöne Wohnung, ein Auto steht auf dem Hof und meine verbliebenen Haare sind weiß geworden. Die DDR konnte ich unbeschadet überstehen, meine alte Berufung für die Kultur musste ich zurück lassen und eine ganz neue finden. Die hat mich zwar überleben, aber zu wenig Zeit für das Leben gelassen. Seit sechs Jahren bin ich Rentner, Rock-Rentner! Fast könnte man meinen, ich wäre glücklich. Warum? In letzter Zeit sind mir zwei Mini-Büchlein gelungen, auf die ich stolz bin. In der Natur versuche ich, so etwas wie innere Ruhe zu finden und treffe dort manchmal auf Menschen, die es ebenso halten. Das tut gut. Ein bekannter Musiker hat mich gefragt, ob ich für ein Projekt etwas schreiben würde und nun kann man einen Begleittext von mir im Booklet der neuen Reform Doppel-CD lesen. Das macht mich glücklich. Auch mir fehlen die Live-Konzerte, die engen Kontakte zu Freunden, zu Musikanten oder zu Unbekannten, die ich vielleicht treffen könnte. Doch ich lebe, ich leide weder Hunger noch Durst, habe genug Klopapier und ich muss mich nicht vor um sich schießenden Söldnern verstecken. Das Haus, in dem ich wohne, steht noch, die Wiesen blühen und der Kühlschrank ist voll. Meine Kinder und Enkel sind gesund, wir hatten Bekanntschaft mit Corvid und sind demütig, dass es nicht schlimmer kam. Ich bin also glücklich. Ein Sommer, ein Herbst, ein Winter und nun auch ein Frühling sind vergangen. In dieser langen Zeit hat ein Virus namens Corvid den Takt in unser aller Leben vorgegeben. Diese Zeit verging, während in den Chefetagen diskutiert, verworfen, diskutiert und Verantwortungen hin und her geschoben wurden. Doch es gibt immer noch genug Klopapier. Die einen gingen rodeln, andere spielten Fußball. Über die einen hat man sich aufgeregt, letztere gut bezahlt und vorher noch zum Friseur geschickt. Kunst und Kultur aber lässt man seither am Daumen lutschen. Wir haben es tatsächlich geschafft, die schon seit Jahren schwelende Spaltung unserer Gesellschaft konsequent voran zu treiben, sie zu verfestigen. Die Spaltung zwischen all jenen, die keine Existenzsorgen hatten und jenen, die am Ende des Dispos noch viel zu viel Monat vor der Nase haben. Die Spaltung zwischen jenen, die aufgrund ihres Lebensstils in Villen- und Siedlungsvierteln locker Home-Office bzw. Home-Schooling auslebten und all jenen, die in öffentlichen Verkehrsmitteln und dicht gedrängt in Werkshallen sich näher kamen und Virus Corvid zu neuen Kunden verhalfen. Die Spaltung zwischen jenen, die ihre Verbindungen exponierter Positionen nutzten, um sich einen Zweitwohnsitz zu organisieren und jenen, die in den Plattenbauwohnungen der Randgebiete Hartz IV und Kurzarbeitergeld verprassten. Nicht einmal „Brot & Spiele“ hatte man für sie übrig, während man mit deren Steuermillionen die Dividenden von Aktionären staatlich förderte. Und dann fordert man genau jene auf, die Werte der Demokratie gegen die Populisten zu verteidigen. Was für ein Hohn und das macht mich fassungslos, ja wütend! Stellt Euch vor, wir hätten Krieg, und die eine Seite beschließt, einen neuen Heerführer zu wählen. Da macht der Gegner natürlich Pause, ist doch klar! Weiß klein Corvid das auch? Das Organisationstalent des Staates, eine Impfkampagne schnellstmöglich in die Gänge zu bringen, sei nur noch so nebenbei erwähnt. Will sagen, die Massen sind hoch motiviert, dabei mitzuziehen, denn genau DAS wäre ja das Gebot der Stunde. Wenn nur dieser doofe Föderalismus mit den vielen Landesfürsten und deren Trieb auf Machterhaltung nicht wären! Mit Mitteln des 20. Jahrhunderts das 21. zu gestalten, kann nicht zu nachhaltigen Erfolgen führen, wie die Privilegien einer wachsenden Schar von Berufspolitikern diese Gesellschaft nicht zur Euphorie verleitet. Manchmal wünschte ich mir, es käme einer, der laut „Basta!“ schreit er muss ja nicht gleich Schröder heißen - und dann mit der Faust auf den Tisch haut. Endlich Ende mit der Kleinstaaterei, die mit Föderalismus rein gar nichts mehr gemeinsam hat. Wir haben uns doch in den letzten Jahrzehnten weiter entwickelt! Haben wir? Als 1989 die Wende und ein fremdes sozial-politisches System kamen, wurde ich arbeitslos. Von jetzt auf gleich. Niemand half mir, weder finanziell noch anders, und die neue Perspektive musste ich mir selbst suchen und aufbauen. Ich war zu keiner Stunde ein Kunde der Treuhandanstalt. Jammern war mir damals wie heute fremd und Selbständigkeit, die ich fand, ist keine Garantie auf Kundenbindung und regelmäßige Einnahmen, musste ich lernen. Viele waren plötzlich dort, wohin sie schon immer flüchten bzw. ausreisen wollten auch Künstler. Warum ich das hier schreibe? Findet es heraus. Corona hat uns alle fest im Griff: die Verstehenden, die Unwissenden und die Leugner. Dem Virus ist das egal. Der Winzling hat die ganze Bühne für sich und füllt sie aus, während sich Geblendete um die Deutungshoheiten streiten. Keine Angst, ihr werdet alle drankommen, so oder so, auf die eine oder die andere Art, jetzt oder später und subtil. Die Pandemie wird an niemandem spurlos vorübergehen. Dabei sind Hass und Ausgrenzung das schlechteste aller Mittel. Sie erzeugen nur Gegendruck, Angst und im schlimmsten Fall Gewalt. Das war schon immer so und ist auch jetzt nicht anders. Allerdings könnten wir entscheiden, ob es so kommen wird oder nicht, wenn wir denn vernünftig sein könnten. Ich kann in meinem Alter die Jüngeren nur noch zum Denken anregen, was ich hiermit getan haben möchte. Lasst EUCH bald etwas einfallen - für EURE Zukunft, für die Eurer Kinder und Enkel.