Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
John Kirkbride im PubNase Quedlinburg 12.11.2016 Wenn man irgendwo in Deutschland von einer Pappnase spricht, ist meist nicht die bunte Knollennase eines Clowns gemeint, sondern ein Typ, der sich besonders unbeholfen anstellt. In meinem Umfeld ist er dann eine dumme Nuss, ein Dussel oder Dämlack, eine Dummbacke oder schlicht ein Hohlkopf. In dem kleinen Harzstädtchen Quedlinburg ist das anders. Spricht dort jemand vom „PubNase“, ist eine urige Kneipe, ein idyllisches Irish Pub nahe der City gemeint. Dort traf ich gestern nach einigen Jahren endlich den gebürtigen Schotten JOHN KIRKBRIDE wieder. Den hatte ich 2010 im Dresdener KunsthofGohlis, gemeinsam mit Ferdl Eichner, gesehen und bin total begeistert gewesen, wie die beiden ihre Art von Blues’n’Folk unter die Leute gebracht haben. Nur ein Zufall ließ mich erfahren, dass John im PubNase musizieren würde. Also bin ich, diesen Katzensprung nur, dorthin gefahren und habe mich vor lauter Begeisterung ein zweites Mal auf den Arsch gesetzt. zum Vergrößern bitte auf die einzelnen Fotos klicken PubNase ist ein Juwel, ein Kleinod, wie man sie nur noch sehr, sehr selten findet. Du machst die Tür auf und stehst inmitten von Menschen, dicht gedrängt, quicklebendig und freundlich. Zwischen deren Leibern hindurch suchst Du Dir einen Weg bis zum Tresen, quetschst Dich, vor Dir eine Hockerlehne und im Rücken ein Balken, bis nach hinten zur kleinen Sitzbank durch. Immer am Tresen entlang. Da in der Ecke lässt es sich wundervoll ein Getränk schlürfen und die Geschäftigkeit betrachten. Ist es Dir dort zu ruhig, kannst Du Dich wieder zurück schlängeln und vor dem Tresen die wenigen Stufen hoch in den gemütlichen Gastraum steigen. Dort oben, direkt neben der Treppe, in einer kleinen Nische, treffe ich JOHN KIRKBRIDE wieder. Ein herzliches Wiedersehen nach Jahren. Die verbleibende Stunde bis er beginnen wird, verbringen wir gemeinsam, wieder unten am Tresen. Genug Zeit zum Plaudern, denn John spricht hervorragend deutsch und ich darf mir meine Englischkenntnisse klemmen. zum Vergrößern bitte auf die einzelnen Fotos klicken Gegen 21.00 Uhr drängt sich John wieder am Tresen entlang, mich im Schlepptau, zurück zur Ecke, wo er eine Stunde lang aus seinem reichhaltigen Repertoire Blues-, Folk-, Rock- und eigene Songs zu Gehör bringt. Mit seiner rauen Stimme, die aus einem Whisky-Fass zu kommen scheint, bekommen die Lieder eine ganz eigene Färbung. Er singt Leonard Cohen’s „So long, Marianne“, als Hommage für den großartigen Poeten oder die Klassiker wie „Georgia“ in seiner unnachahmlichen, vom Blues und Finger-Picking geprägten, Spielweise. Die ihm zuhören, sitzen am Tisch nebenan und stehen direkt vor oder neben ihm. Mehr Platz ist hier nicht und wenn die Bedienung mit einem Tablett kommt, rücken die Leiber noch einmal enger zusammen. Ich fühle mich wie in Familie, während ich John auf seine Finge sehe und einem Blues von Muddy Waters lausche. JOHN KIRKBRIDE spielt Musik, wie nur er sie zu spielen versteht und sie klingt besonders, weil nur er seine Finger mit Bootle-Neck und Finger-Picking in dieser Art über die Saiten tanzen lassen kann. Das macht ihm niemand nach. Was mit seinem Spiel entsteht, ist eine urbane Mixtur aus Blues, Folk, Rock, Boogie, Ragtime und zuweilen einem Schuss Reggae, wenn „Country Roads“ von John Denver bei ihm zu einem Bob Marley–Song mit den Worten von KIRKBRIDE zu einer lustigen Persiflage mutiert. Dann blitzen seine Erfahrungen und seine Begegnungen mit den Stars dieser Rock-Welt auf. Mit Leichtigkeit macht er aus „House Of The Rising Sun“ einen Delta-Blues und „A Whiter Shade Of Pale“ wird eine raue Folk- Nummer. Er versteht es, die Geschichten all dieser Lieder neu nachvollziehbar zu machen, sie fröhlich zu vermitteln und auch in die eigenen Erlebnisse, die er mit diesen Song- und Rockpoeten über all die Jahre hinweg hatte, einzubinden. Dann kann man seine Achtung vor deren Lebensleistung sehr deutlich spüren, aber auch, wie er zu hohe Mauern verkleinert, damit man die Schönheit dahinter neu entdecken kann. Durch ihn klingen „Amazing Grace“, „Ruby Tuesday“ oder „Summer In The City“ von den Lovin’ Spoonful so, als würde man sie gerade neu für sich entdecken. Geschickt flechtet er zwischen die alten Blues-Stücke und Rock-Klassiker eigene Lieder aus dem Album „Lifeline“ (2009), wie „Bound To Live The Blues“, ein und auch solche, die erst auf seiner nächsten CD veröffentlicht werden sollen. Darunter auch eines, das er unter dem Eindruck eines verbal aggressiven Bild eines Mannes namens Donald Trump schrieb. Was ich zu hören bekomme, weist ihn als kritischen Beobachter des Zeitgeschehens aus, was ihn wiederum in eine Reihe mit den Großen Songpoeten des Planeten rückt, obgleich er sich selbst dort nicht sieht. dennoch gehört dieser JOHN KIRKBRIDE, der bescheidene Folk-Blues-Poet, genau dort hin und wäre er nicht so überaus bescheiden, würde ihn die breite Masse genau dort einordnen. Nach Mitternacht ist Schluss mit Live-Musik. John hat acht Stunden Fahrt von Luxemburg in den Harz hinter und noch drei Stunden auf der Autobahnfahrt Richtung Familie vor sich. Im PubNase aber geht der Abend in die frühmorgendliche Runde, mit Guinness, mit Whisky und viel guter Laune. Auch wir verabschieden uns voneinander in unterschiedliche Richtungen. Ich darf ein neues Songbook und die Erinnerung an einen tollen Abend mit einem großartigen Künstler mit nach Hause nehmen. Bis zum nächsten Treffen, so haben wir uns versprochen, soll nicht noch einmal so viel Zeit vergehen. Könnte gut sein, dass wir uns bald wiedersehen und darauf freue ich mich wirklich sehr. Thank you so much, dear John!