Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Joe Cocker - das Konzert in Dresden - ein Hauch von Woodstock 02.06.1988 Zunächst war es ein Gerücht, das so recht keiner glauben wollte, doch dann hatten wir die Karten in der Hand. Die Woodstock-Legende und Übervater des weißen Blues, JOE COCKER, sollte im Tal der Ahnungslosen, also in Dresden, ein Konzert geben. Wir schreiben das Jahr 1988 und es ist Sommer, genauer gesagt der 2.Juni, und ich habe bald vier Dekaden vollendet. Nun war es nicht gerade so, dass internationale Rock-Giganten sich in der abgeschlossenen DDR die Klinke in die Hand gaben. Schon gar nicht, wenn es um ein Open-Air Konzert ging. Warum die sonst so kleinkarriert handelnde DDR- Jugendorganisation so ein Event, noch dazu eines in Dresden, organisiert hatte, muss mir erst mal einer so erklären, dass ich es auch noch heute, 20 Jahre später, nachvollziehen kann. Die Trabbis (sowie ein Westbesuch von Ralf aus Ludwigsburg) standen startklar auf dem Hof der „STUBE“, unser Klubdomizil in Elsterwerda. In die Rückscheibe seines Autos hatten wir ein selbst gemachtes Poster geklebt, darauf stand: With A Little Help From Our Friend – JOE COCKER. So ausgerüstet fuhr die kleine Autokarawane los Richtung Dresden, wo wir uns bei einem Freund alle wieder trafen. Raus aus der „Pappe“ und dann zu Fuß in Richtung GROßER GARTEN, Blüherwiese, mitten in der Metropole. Wenn ich damals nicht genau gewusst hätte, dass JOE COCKER dort ein Konzert geben würde, ich hätte mir diese riesigen Menschenmassen, die sich endlos zum Stadtzentrum wälzten, nicht erklären können. Das war fast wie Pfingstreffen, nur die Fahnen, Losungen und Wink-Elemente fehlten natürlich und die Gesichter waren ausgesprochen freundlich, ja überschwänglich. Über allem schwebte, so noch heute meine Erinnerung, eine fröhliche Erwartungshaltung und ein unausgesprochenes Miteinander. Diese riesige Wiese im GROßEN GARTEN war voller Menschen. Wir suchten uns irgendwo in der Mitte eine Stelle, an der wir unser „Lager“ aufbauten. Vorsorglich hatten wir uns Broiler und Getränke mitgenommen. An Standversorgung, wie wir es heute kennen, war damals nicht zu denken und weder Konsum oder die HO hätten das wahrscheinlich organisiert bekommen! So ausgestattet, verging die Zeit bis zum Konzerbeginn ziemlich locker und flockig. COCKER war spätestens seit „Mad Dogs & English Men“ und dem Beatles-Cover „With A Little Help From My Friends“ ein Idol meiner Jugendjahre. Ausgerechnet Dresden war nun der Ort, wo ich diesen Song mit seinem Ur-Schrei das erste Mal live hören sollte. Die Spannung war groß, riesengroß! Als COCKER dann auf die Bühne kam, dunkle Hose und violettes Hemd, gab es kein Halten mehr. Vom ersten Ton an war die Masse in Bewegung und jeder Ton, jeder Song, jede Geste wurde gefeiert. Unbeschreiblich, mehr fällt mir bis heute nicht ein. Der weiße Mann mit der schwarze Stimme sang zunächst einige Songs der damals aktuellen Scheibe bis hin zum Titelsong Unchain My Heart“, jene Nummer mit der stampfenden Bass-Figur und einem Bassisten im Terence Trend D’arby-Look: T.M.Stevens, der Derwisch auf der Bühne. Im zweiten Konzertteil bekamen wir dann endlich all das, weswegen wir aus allen Ecken der kleinen DDR nach Dresden gekommen waren: „Delta Lady“, „Feelin’ Alright“, „Cry Me A River“, „The Letter“ und auch „Up Where We Belong“. Und dann natürlich jener Song, auf den wir alle warteten und hofften. Schon beim Orgel-Intro brannte die Luft und nichts und niemand hätte uns mehr halten können, als dann endlich jener Moment kam, in dem sich wie bei einem explosiven Orgasmus die ganze angestaute Erwartung von Jahren entlud. Den Moment hab’ ich noch immer im Ohr, als wäre es erst gestern gewesen. Cocker’s berühmten Urschrei nahmen tausende Kehlen an der Bühne beginnend auf und trugen ihn wie eine Soundwalze zu uns in die Mitte und weiter nach hinten, wo er sich irgendwo brach, um als Echo zurück zu kommen: „With A Little Help From My Friends“! Wie als DANK an die in Dresden anwesenden Fans empfanden wir damals den nächsten Song „You Are So Beautiful (To Me)“ und wahrscheinlich hat COCKER dieses Lied von Billy Preston nie wieder so emotional und sichtlich bewegt gesungen. Jedenfalls habe ich es damals so empfunden. Ich hab’ seither nie wieder so viele Menschen auf so engen Raum gesehen. Zum Glück hatte ich mir einen kleinen Küchenhocker mitgenommen - ich war damals schon nur 1,72 groß - auf den ich mich stellen konnte. Nur gut!! Sonst hätte ich das Konzert nur mit halben Sinnen genießen können – einer von 85.000! Die Stunden danach hab’ ich wahrscheinlich wie im Rausch gelebt. Jedenfalls kann ich mich daran NICHT mehr erinnern. In den nächsten Tagen waren die Zeitungen voll von diesem Ereignis und dem Konzert in Berlin danach auch. Durch glückliche Umstände und weil ich eine für damaligen Zeiten ziemlich verwegene Idee umgesetzt hatte, bin ich Tage später in den Besitz eines originalen Pressefotos von JOE COCKER gekommen. Der weiße Blues-Mann hatte bei der „Jugend Welt“ eine Pressekonferenz gegeben und dort einige wenige Fotos signiert. Doch das ist schon wieder eine andere Geschichte …. Dieses Foto mit dem Autogramm von JOE habe ich noch immer und es erinnert mich an ein durchaus einmaliges Konzerterlebnis. Die Blüherwiese nahe der „Gläsernen Manufaktur“ nennen die Dresdner seither die COCKERWIESE. Im Jahr 1990 erschien die Doppel-LP “Joe Cocker Live“ – auflegen und hören, eine bessere Erinnerung gibt es nicht!
Ulli & Joe - zwei Freunde