Joan Baez begeistert die ‚Junge Garde’ in Dresden
07.06.2012
Eigentlich
verbieten
sich
die
großen
Worte
und
Gesten
von
selbst,
auch
wenn
man
sie
gern
formulieren
möchte.
Bei
JOAN
BAEZ
findet
man
die
Größe
im
Einfachen,
im
Schlichten
und
in
der
Kontinuität,
einfache
Dinge
aufrichtig
und
ehrlich
über
Jahrzehnte
hinweg
zu
verkörpern,
ja
zu
leben.
Für
mich
war
und
ist
JOAN
BAEZ
die
Verkörperung
all
dessen,
was
unsereins
damals
mit
Folk-
und
Protest
–
Songs
in
Verbindung
brachte:
Menschlichkeit,
Aufrichtigkeit
sowie
Authentizität.
Wer
also
meint,
dass
man
unbedingt
„den
Boss“
gesehen
haben
muss,
um
ehrlichen
Rock’n’Roll
live
erlebt
zu
haben,
so
denke
ich,
dass
man
getrost
ein
paar
Jährchen
eher
ansetzen
darf,
um
das
gleiche
und
noch
so
viel
mehr
als
nur
Songs
und
Folkmusik
im
berauschend
einfachen
Glanz
erleben
zu
können.
Für
dieses
Event
hab’
ich
dann
eben
finanziell
auf
Springsteen
verzichtet,
um
die
Grande
Dame
des
Folksongs
und
der
Protestbewegung
in
Dresden
zu
erleben.
Das
war
ich
meiner
aufmüpfigen Jugend, ihren Idealen und meinem Musikverständnis irgendwie schuldig, dachte ich.
Letzteres
begann
in
den
60ern
zu
keimen
und
zu
sprießen
und
deshalb
spielen
Namen
wie
Bob
Dylan,
Pete
Seeger
und
eben
Joan
Baez
eine
herausragende
Rolle.
Bei
den
Tschechen
in
Berlin
kaufte
ich
mir
die
Dylan-LP
im
blau-weißen
Cover
und
bei
Amiga
1967
die
von
Joan
Baez
in
der
schwarzen
Hülle.
An
den
Abenden
sangen
wir
oft
„We
Shall
Overcome“
und
versuchten,
wie
Pete
Seeger
zu
klingen.
An
die
Stimme
der
jungen
Folk-
und
Protest
-
Ikone
aus
Amerika
aber
kam
keine
heran.
Dieser
glasklare
und
helle
Klang
war
und
blieb
einzigartig
und
er
macht
einen
großen
Teil
des
Zaubers
dieser
Lieder
bis heute aus.
An
diesem
Abend
in
Dresden
scheint
wider
Erwarten
doch
noch
die
Sonne,
während
sich
die
Bänke
langsam
füllen.
Auf
der
ziemlich
wuchtigen
Bühne
sieht
man
ein
paar
wenige
Instrumente
und
etwas
im
Hintergrund
eine
große
rote
Couch
mit
Stehlampe.
So
in
die
Jahre
gekommen
wie
diese
beiden
Einrichtungsgegenstände
scheint
auch
der
größte
Teil
des
Publikums.
Man
kennt
sich,
obwohl
sich
die
meisten
noch
nie
begegnet
sind.
So
treffe
ich
auch
einen
wieder,
der
vor
Jahren
die
schönen
Worte
von
„Am
Abend
mancher
Tage“
für
die
Gruppe
Lift
schrieb
und
der
nun
selbst
hierher
gekommen
ist,
einen
solchen
besonderen
Abend
mancher
Tage
live
zu
erleben.
Man
trifft
sich
immer
wieder,
wenn
es
möglich
ist
und
wenn
es wichtig scheint, die Erinnerungen an bestimmte Momente des Lebens gemeinsam aufzufrischen. Heute ist so ein Abend.
Und
dann
kommt
sie
auf
einmal,
so
als
wolle
sie
uns
Pünktlichkeit
bei
Konzerten
wieder
angewöhnen.
Sie
wird
von
stehendem
Applaus
begrüßt,
sitzt
da
vor
uns
auf
der
großen
Bühne,
allein
auf
einem
Stuhl
und
beginnt,
zu
singen.
Das
erste,
was
wir
zu
hören
bekommen
klingt
beinahe
wie
ein
Entschuldigung
für
ihr
Leben,
das
anders
und
außergewöhnlich
verlief:
„Some
folks
see
things
not
everybody
can
see“.
Dieses
berührende
Lied,
vor
10
Jahren
von
Steve
Earl
geschrieben,
lässt
die
gut
gefüllte
Arena
mit
einem
Schlag
still
werden,
wenn
sie
singt
„God
Is
God
(And
I
Am
A
Wanderer)“.
Diese
Songzeile steht quasi den ganzen Abend über allem, was wir noch erleben und hören werden.
Den
Eröffnungsteil
bestreitet
sie
ganz
allein
und
ich
denke
mir,
so
muss
es
damals
gewesen
sein,
als
sie
vor
Tausenden
auf
der
Bühne
stand.
Heute
singt
sie
„Be
Not
Too
Hard“
und
„Farewell
Angelina“
sowie
„Lily
Of
The
West“
ganz
allein
zur
Akustikgitarre.
Sie
entledigt
sich
ihrer
Schuhe
und
hat
so
ganz
nebenbei
und
beinahe
unbemerkt,
an
ihre
frühen
Jahre
mit
Bob
Dylan
erinnert,
wären
da
nicht
diese
vokalen
und
leicht
ironischen
Zitate
an
einen
älteren
Sangesbruder,
begleitet
von
unseren
Lachsalven,
erklungen.
Zu
letzterem
Song
betreten
die
beiden
Musiker
„of
my
Big
Band“
die
Bühne.
DIRK
POWELL
(banjo,
piano,
mandolin,
piano)
agiert
bescheiden
am
rechten
Bühnenrand.
Auf
der
anderen
Seite
spielt
GABRIEL
HARRIS
(percussion)
mit
ihr
gemeinsam,
sehr
dezent
und
stets
passend
zum
jeweiligen
Song.
Keiner
von
uns
hat
zu
diesem
Zeitpunkt
die
Idee,
dass
wir
dem
Sohn
von
JOAN
BAEZ
live
erleben
dürfen!
So
lauschen
wir
alle
andächtig,
während
die
drei
da
vorn
von
Bob
Dylan
das
bewegende
„Love
Is
Just
A
Four
-
Letter
Word“
und
von
Elvis
Costello
“Scarlet
Tide“
erklingen
lassen.
Da
hätte
man
die
Feuerzeuge
aus
den
Taschen
holen
und
sie
entzünden
sollen.
Bei
einem
Nichtraucher
findet
sich
so etwas leider nicht in der Hosentasche.
Die
Lady
auf
der
Bühne,
in
schwarz
mit
einem
gelben
Schal
gekleidet,
hat
die
70
überschritten
und
man
merkt
es
ihr
nicht
an.
Nur
ihre
Stimme
ist
brüchiger
und
etwas
rau
geworden,
was
man
durchaus
als
angenehm
empfindet,
zumal
es
das
leise
Mitsingen
in
der
eigenen
Tonlage
erleichtert.
JOAN
BAEZ
verbindet
die
Songs
ab
und
an
mit
kleinen
Geschichten
und
Anekdoten
zwischendurch.
Sie
erzählt
von
den
kalten
Zeiten,
in
denen
wir
noch
immer
leben,
von
denen
sie
aber
einst
hoffte,
sie
überwinden
zu
können
und
dann
singt
sie
von
„Hard
Times
To
Come
Again
No
More“
nur
von
DIRK
POWELL
am
Piano
begleitet.
Ihr
Wort
in
Gottes
Ohr,
oder
wessen
auch
immer.
Alles,
was
sie
für
uns
singt,
verbinde
ich
gedanklich
irgendwie
mit
jenen
Jahren
der
Konflikte
und
Proteste
und
während
sie
es
tut,
spürt
man
noch
immer,
wie
sehr
ihr
das
alles
am Herzen liegt.
Noch
einmal
bemüht
sie
Steve
Earl
und
singt
„Jerusalem“
und
danach
gibt
es
mit
„Catch
The
Wind“
von
Donovan
einen
Zeitsprung
weit
zurück.
Dann
wiederum
erzählt
sie,
wie
sie
1989
Vaclav
Havel
in
Prag
traf,
wie
sie
Freunde
wurden
und
mir
war,
als
würde
sie
„Swing
Low
Sweet
Chariot“,
mit
Gitarrenbegleitung
und
sehr
ausgebremst,
nur
für
ihn
allein
singen,
ohne
es
zu
sagen.
Das
war
sehr
beeindruckend
und
im
Rund
zunächst
ganz
leise,
ehe
der
stürmische
Applaus
ausbrach.
Wenn
mancher
vielleicht
meinte,
dies
könnte
der
emotionale
Höhepunkt
gewesen
sein,
so
erlebte
er
eine
Steigerung,
indem
sie
a
capella
Bettina
Wegener’s
„Sind
so
kleine
Hände“
vortrug
und
dann
für
Bruchteile
eines
Momentes
die
letzte
Zeile
im
weiten
Rund der Arena schweben ließ: „Leute ohne Rückrat haben wir schon zu viel“ ….
Wer
nun
meint,
genau
so
würde
es
sich
die
nächste
Stunde
fortsetzen,
wird
von
ihr
mit
einem
Gast
überrascht.
Sie
bittet
die
mir
völlig
unbekannte
MARIANNE
AYA
OMAC
auf
die
Bühne
und
mit
der
bricht
ein
jugendliches
Stimm-
und
Gitarrengewitter
los,
als
sie
mit
ihrem
spanischen
Temperament
in
die
Saiten
greift,
bis
sie
glühen.
Kommentar
von
JOAN
BAEZ:
„I
hate
her!“,
und
dabei
lacht
sie
anerkennend.
In
der
jungen
Lady
mit
einem
französischen
Geburtsort
im
Ausweis,
steckt
das
brodelnde
Feuer
einer
Straßensängerin,
einer
Künstlerin,
die
eigentlich
nur
ihre
Stimme
braucht,
um
für
uns
zu
singen.
Würden
jetzt
die
Mikros
ausfallen,
keiner
würde
es
wirklich
merken!
Diese
Mischung
aus
spanischer
Gitarre
und
Gospel-Stimme
ist
berauschend
schön,
der
Ausdruck
in
der
Stimme
und
im
Spiel
reißt
die
Massen
hin
und
weg.
Das
Publikum
tobt,
als
sie
in
einem
der
Lieder
mit
dem
Mund
eine
Trompete
imitiert
und
deren
scharfe
Töne
in
das
Rund
schmettert.
Von
der
wird
man
noch
hören,
da
bin
ich
mir
ganz
sicher.
Gemeinsam
mit
JOAN
BAEZ
singen
beide
das
weltbekannte „Cu Cu Ru Cu Cu (Paloma)“ und ein Stück, das ich für mich als „Gracias A La Vida“ deute.
In
dieser
fortgeschrittenen
Abendstunde
scheint
JOAN
BAEZ
ihr
eigenes
Liederbuch
aufzublättern,
um
uns
einige
ihrer
Favoriten
vorzutragen.
Es
ist
gleichzeitig
eine
Einladung
zum
Mitsingen,
als
aus
meiner
frühen
Jugend
„The
House
Of
The
Rising
Sun“
ertönt
und
da
lasse
ich
mich
auch
nicht
lange
bitten,
denn
der
Text
sitzt
immer
noch.
Auch
bei
„Suzanne“
von
Leonard
Cohen
schwelge
ich
mit
und
dem
wunderschönen
„Diamonds
And
Rust“
lausche
ich
andächtig,
so
wie
all
die
anderen
um
mich
auch.
Gemeinsam
singen
wir
wieder
„The
Night
They
Drove
Old
Dixie
Down“
und
bei
John
Lennon’s
„Imagine“
bin
ich
auch
wieder
textsicher.
Das
alte
Folkslied
„Donna
Donna“
kenne
ich
noch
aus
der
Singebewegung
und
mir
wird
überhaupt
nicht
bewusst,
dass
wir
schon
eine
ganze
Weile
die
Zugaben
hören
und
sie
gemeinsam
mit
ihr
singen.
Beinahe
so,
als
wäre
heute
damals,
denn
das
Gefühl
ist
noch
immer
da,
es
hat
nur
ein
wenig
in
uns
geschlummert.
JOAN
BAEZ
gelingt
es
tatsächlich,
das
alles
noch
einmal
auszubuddeln
und
die
Herzen
beim
gemeinsamen
Singen
zu
öffnen.
Es
scheint
wie
ein
kleines
Bekenntnis,
nach
gut
zwei
Stunden
beim
Chorgesang
von
„Sag’
mir,
wo
die
Blumen
sind
„
Gedanken
laut
zu
formulieren,
die
wir
nicht
eingraben
sollten.
Der
Erinnerung
wegen
und
auch,
weil
wir
glaubhaft
bleiben
müssen,
für
uns
selbst,
unsere
Kinder
und
inzwischen
auch
Enkelkinder.
Dieses
Bild
von
den
Blumen
auf
Gräbern,
über
die
der
Wind
weht
und
die
von
Mädchen
gepflückt
werden,
um
sie
zu
einem
Strauß
werden
zu
lassen,
hat
so
viel
Symbolkraft,
dass
wir
daraus
auch
wieder
Mut
und
Energie
schöpfen
können.
Der
Musik
wegen
und
der
Gedanken,
die
sich
damit
verbinden
lassen.
Irgendwann
in
den
letzten
Minuten
des
Konzerts
hat
JOAN
BAEZ
dann
doch
wieder
ihre
Schuhe
angezogen,
ehe
sie
sich
nach
dem
„Blumenlied“
endgültig
von
der
Dresdner
Bühne
und
uns
verabschiedete.
Wir
haben
sie
mit
stehenden
Ovationen
gefeiert
und
sie
hat
sich
feiern
lassen.
Ich
hab’
so
manches
Lied
meiner
Jugend
im
frischen
Gewand
gehört
und
manchmal
ein
Frösteln
gespürt,
obwohl
es
gar
nicht
kalt
war.
Ich
hab’
überraschendes
gehört
und
eine
Überraschung
namens
MARIANNE erlebt und ich hab’ gemeinsam mit ein paar tausend Leuten ein paar schöne alte Lieder gesungen.
JOAN BAEZ hat Dresden gesehen und ich hab’ sie erleben dürfen.