Janos Brody - singender Poet & Dichter live in Berlin
26.11.2011
Es
gibt
Worte
und
Namen,
die,
wenn
man
sie
ausspricht,
von
jedem
sofort
verstanden
oder
richtig
eingeordnet
werden
können.
Man
versteht
die
Bedeutung
und
den
Wert,
ohne
dass
ein
zweites
Wort
oder
eine
weitere
Erklärung
nötig
wären.
Das
ist
sicher
in
allen
Kulturkreisen
und
Völkern
so
und
ein
jeder
verbindet
damit
ganz
bestimmte
Gedanken,
Stimmungen
und
Sehnsüchte.
Gerhard
Gundermann
ist
so
ein
Name,
der
hierzulande
von
vielen
sofort
in
gleicher
Weise
verstanden
wird
und
Rock’n’Roll
so
ein
Begriff,
der
gar
weltweit
und
überall
das
gleiche
bedeutet.
Für
sehr
viele
Menschen
in
Polen
ist
Czeslaw
Niemen
ein
Synonym
für
etwas
ganz
Großes
und
sehr
Außergewöhnliches
und
sagt
man
in
Ungarn
Janos
Brody,
dann
bedeutet
dies
das
gleiche
und
es
bedarf
keine
Silbe
zur
weiteren
Erklärung.
Sicher
ist
es
so,
dass
der
Musiker,
Texter
und
Komponist
Janos
Brody
für
die
ungarische
Kultur,
und
insbesondere
deren
Rockmusik,
eine Bedeutung hat, die wir aus unserer eingeschränkten Sicht nicht überschauen können.
JANOS
BRODY,
der
gemeinsam
mit
Levente
Szörenyi
ab
1964
die
Faszination
der
Gruppe
ILLES,
den
„Ungarischen
Beatles“,
begründete
und
dem
ab
1973
bei
FONOGRAF
erfolgreich
eine
einmalige
Synthese
von
Country
&
Western
mit
ungarischer
Folklore
gelang,
hat
in
seinem
Heimatland
Ungarn
nicht
nur
den
Ruf,
ein
Ausnahmemusiker
und
Komponist
für
Illes,
Fonograf
und
Zsusza
Koncz
zu
sein,
sondern
vielleicht
noch
eher
den
eines
Poeten,
kritischen
Denkers
und
Volksdichters.
Ihm
geht
der
Ruf
voraus,
das
formulieren
und
geschickt
in
Worte
packen
zu
können,
was
die
Seele
und
das
Denken
der
Menschen
in
diesem
Land
seit
Jahrzehnten
bewegt,
was
sie
in
ihren
Herzen
tragen.
Neben
der
Musik,
die
sehr
oft
Levente
Szörenyi
schrieb,
war
der
Poet
Janos
Brody
der
Garant,
dass
diese
Musik
auch
stets
die
Herzen
und
Hirne
aller
Altersgruppen
erreichte.
Das
bedeutete
bis
zum
Ende
der
80er
Jahre
für
Illes
und
Fonograf
in
etwa
die
gleichen Schwierigkeiten, wie wir sie hierzulande aus der Historie vieler kritischer Bands und Künstler kennen.
Für
mich
hatte
das
Gespann
Szörenyi
&
Brody
stets
auch
einen
Hauch
von
Lennon/McCartney,
nur
eben
typisch
ungarisch
und
gepaart
mit
fremder
Faszination,
die
ich
nie
zu
formulieren
vermochte.
Als
ich
zum
ersten
Mal
„Sarika“
hörte
und
ich
aus
Ungarn
die
„Farbstiffte“
mit
Szusza
Koncz
als
Single
bekam,
berührte
mich
die
Musik
von
Illes
eher
noch
intensiver,
als
die
von
Omega.
Letztere
konnte
ich
inzwischen
wenigstens
live
erleben,
bei
Illes
blieb
mir
dieser
Wunsch stets verweigert und hat sich seit dem Tod des Bandgründers Lajos Illes auf ewig in Luft aufgelöst.
Im
Oktober
2007
wollte
es
der
Zufall,
dass
ich
Loszlo
Tolcsvay,
einen
der
drei
kreativen
Köpfe
von
Fonograf,
live
erleben
und
treffen
konnte.
Damals
keimte
der
Wunsch,
vielleicht
auch
Szörenyi
und
Brody
in
gleicher
Weise
begegnen
zu
können
oder
gar
Fonograf
als
Band
auf
der
Bühne,
statt
nur
mittels
DVD.
Das
Vinyl
von
Illes
und
Fonograf,
einschließlich
der
Solo-Scheiben
von
Brody,
„Hungarian
Blues“
(1980)
und
„Ne
Szolj
Szam…“
(1985),
steht
in
meinem
Regal und den Klang der Lieder nahm ich gestern gedanklich mit auf eine Reise in die Hauptstadt.
Am
Haus
in
der
Berliner
Dorotheenstraße
mit
der
Nummer
12
wäre
ich
in
der
abendlichen
Dunkelheit
beinahe
vorbei
gelaufen.
Die
Seitenstraße
der
„Linden“
erinnert
um
diese
Zeit
so
ganz
und
gar
nicht
an
Berlin,
höchstens
an
das
Dorf,
das
in
der
Stadt
steckt.
Die
„Agentur
zur
Förderung
Ungarischer
Kultur“
und
vor
allem
deren
umtriebiger
und
schneeweißer
Kopf,
Josef
Sobotka,
haben
es
geschafft,
Janos
Brody
nach
Berlin
zu
holen.
Wieder
einmal,
doch
diesmal
bin
ich
auch
hier.
Die
anderen
Zeiten
haben
dafür
gesorgt,
dass
inzwischen
noch
mehr
Verständnis
für
Rockmusik
„Made
in
Hungary“
bei
mir
gewachsen
ist.
Das
Verstehen
der
Sprache
ist
mir
bis
heute
nicht
vergönnt,
aber
dank
Internet
und
neuer
Freunde
konnte
ich
vorher
schon
mal
Übersetzungen
der
neuen
Texte
lesen.
Deshalb,
und
auch
wegen
der
Vorfreude
auf
neue
Musik,
habe
ich
mich
mal
wieder
in
diesen
Großstadtmoloch
gezwängt
und
am
Ende
der
Dorotheenstraße das Haus mit den supergroßen Frontfenstern gefunden.
Viel
zu
früh
stehe
ich
davor.
Von
oben
klingen
Gitarrenakkorde.
Innen
sieht’s
mit
dem
ersten
Blick
ein
wenig
kühl
aus
und
erst
in
den
hinteren
Räumen,
wo
man
eine
Ausstellung
sich
bewegender
„Bilder“
bestaunen
kann,
spürt
man
einen
Hauch
von
anderer
Kultur,
die
ein
paar
kühne
Blicke
durch
Augen
anderer
möglich
machen.
Zwei
Stockwerke
höher
dann
der
zu
einem
Konzertsaal
umfunktionierte
Konferenzraum,
zumindest
macht
er
diesen
Eindruck
auf
mich.
Vor
den
zu
dieser
Stunde
noch
leeren
Stuhlreihen
reckt
sich
ein
einsamer
Mikrofonstände
vor
einem
Leinwandhintergrund,
der
das
riesige
Fenster
zur
Straße
verdeckt,
wartend
nach
oben.
Eine
Stunde
später
sitze
ich
in
der
zweiten
Reihe
eines
prall
gefüllten
Raumes
und
lausche
den
Worten
und
Stimmen
um
mich
herum,
deren
Bedeutung
mir
fremd
ist.
Schade,
denn Ungarisch stand damals nicht mal fakultativ auf meinem Stundenplan.
Einige
wenige
einführende
Worte
vom
Direktor
des
Hauses
und
von
Josef
Sobotka
und
dann
steht
er
vor
uns
am
Mikrofon,
ganz
dem
Zeitgeist
entsprechend,
von
Kopf
bis
Fuß
in
schwarz
gekleidet
und
hat
sich
eine
schlichte
rotbraune
Gitarre
umgehängt.
Janos
Brody
schafft
es
schon
mit
den
ersten
Tönen,
mich
erschaudern
zu
lassen.
Der
Mann
beginnt
diesen
Abend
tatsächlich
mit
zwei
Liedern
aus
dem
„Blues“
–
Album,
von
denen
mir
„Mama
Kerlek“
über
all
die
Jahre
im
Ohr
geblieben
ist.
Vielleicht
auch
deshalb,
weil
dieses
„Liebeslied
für
Mama“
auch
durch
Zsusza
Koncz
zu
großer
Popularität
gelangte.
Brody
singt
es
leise,
sehr
leise
und
eindringlich,
nur
von
sparsamen
Tönen
seine
Gitarre
unterstützt.
Beim
Hören
verlasse
ich
mich
auf
mein
Gefühl,
um
den
Inhalt
zu
erahnen.
„Reg
elmultan
60“,
ein
kleiner
Song
mit
Touch
von
Ballhaus,
Swing
und
Jazz
erschließt
sich
mir
mit
Hilfe
eines
freundlichen
Nachbarn,
der
mich
darauf
hinweist,
dass
ein
Herz
mit
20
vielleicht
ein
klein’
wenig
anders
Gefühle
aufnimmt,
als
eines,
dass
die
Erfahrungen
und
Mühen von 60 Jahren Herzschlag kennt.
Ich
hab’
völlig
vergessen,
dass
da
vorn
ein
Rocker
steht.
Mir
ist
wie
in
einem
Liederabend.
In
Amerika
sagt
man
Storyteller
dazu,
denn
Janos
Brody
verbindet
die
Lieder
mit
Geschichten
und
Anekdoten,
die
je
nach
Stimmung
von
zustimmenden
Kommentaren
oder
lautem
Lachen
und
Zwischenrufen
aus
dem
Hintergrund
beantwortet
werden.
Wenn
er
dann
wieder
singt,
hat
er
die
Augen
meist
geschlossen
und
seine
Finger
wandern
sicher,
und
meist
dezent
zupfend,
über
die
Saiten.
Nichts
ist
aufgesetzt,
keine
Posen
oder
Anmache.
Mir
scheint,
diese
stille
Erscheinung
eines
Mannes
wirkt nur durch die Musik und seine Worte, die sie begleiten.
Dass
seine
Melodien
offensichtlich
auch
zweideutiges
transportieren,
bekomme
ich
bei
„Ahogy
allnak
a
Csillagok“
zu
spüren.
Brody
unterbricht
sich
selbst,
um
Zurufe
aus
dem
Auditorium
zu
provozieren,
die
dann
auch
prompt
und
lachend
kommen.
Die
Körper
wippen
im
Takt
und
hinter
mit
wird
zudem
fleißig
mitgesungen.
In
Ungarn
vermag
Janos
Brody
mit
seiner
Version
vom
Bärchen
Winnie
Pooh,
den
es
zu
Zeiten
des
1.
Weltkrieges
wirklich
gab
und
Alan
Milne
letztlich
zu
seinen
weltberühmten
Geschichten
und
Gedichten
um
„Winnie
The
Pooh“
inspirierte.
Brody
benutzt
die
Figur
vom
Bärchen,
um
mit
dem
Song
„Micimacko“
seine
ganz
eigene
Geschichte
voller
Gleichnisse,
Anspielungen
und
Seitenhiebe
zu
erzählen.
Der
Song
vermag
Tausende
zum
Singen
zu
animieren.
Der
Sänger
vor
uns
unterbricht
die
Liedgeschichte
immer
und
immer
wieder,
um
auf
spitzfindige
und
lächelnde
Weise,
ziemlich
starken
Tobak
zu
verteilen,
wie
mir
wieder
mein
Nachbar
flüsternd
versichert.
Im
einstigen
Bruderland
Ungarn
scheint
es
auch
genügend
Angelas
und
andere
„Personen
der
Zeitgeschichte“
(Selbstbezeichnug
von
Jürgen
Trittin)
zu
geben.
Da
hilft
es
natürlich,
ein
kleines
Bärchen,
gleich
ob
man
ihn
nun
„Micimacko“
oder
einfach
nur
Knut
nennt,
um
einerseits
seinen
Unmut
spöttisch
äußern
zu
können
und
außerdem
ein
kleines
Etwas
für
die
Zuneigung,
zum
Kuscheln
und
die
Zuneigung
zu
haben.
Es
ist
die
einsame
Meisterschaft
eines
Janos
Brody,
dem
Volk
auf
sein
Maul
zu
schauen
und
daraus
Volkslieder
zaubern
zu
können,
die
auch
einer
mit
deutscher
Denke
versteht
und
sofort
mitsingen
kann.
Ich
hab’s
einfach
nur
genossen,
inmitten von fröhlich singenden Ungarn zu sitzen und trotz sprachlicher Blindheit dazu gehören zu dürfen.
Zu
später
Stunde
hören
wir
den
Titelsong
des
aktuellen
Albums
„Kockazato
es
Melekhatasok“
(Risiken
und
Nebenwirken),
ein
Wortspiel,
mit
dem
Janos
Brody
Machenschaften
und
Medienspiele
auf’s
Korn
nimmt,
die
einem
das
Leben
schwer
und
mitunter
unerträglich
machen
können,
wenn
man
deren
Nebenwirkungen
vergisst
und
sie
dann
doch
ziemlich
brachial
zuschlagen.
Als
sich
die
zwei
Stunden
Musik
ihrem
Ende
zu
neigen,
schließt
sich
für
mich
der
Kreis.
Janos
Brody
singt
aus
seiner
zweiten
Solo-Scheibe
von
1985
das
wunderschöne
„Ha
en
Rosa
Volnek“
(Wenn
ich
eine
Rose
wär’).
Es
ist
schon
ziemlich
ergreifend,
nur
weil
hier
die
Rose
als
eines
von
vielen
Symbolen
neben
anderen
steht
(Zitat:
„Wär’
ich
eine
Fahne,
würd’
ich
mich
nicht
wenden“,
deutsch:
Atila
Ducsay),
bin
ich
im
Gedanken
bei
der
anderen
„Rose“
und
spüre,
dass
beide
das
gleiche
ausdrücken
wollen.
Wie
klein
doch
auch
die
große
musikalische
Welt
sein
kann.
Janos
Brody
versucht,
das
Konzert
zu
beenden,
doch
immer
wieder
klatschen
und
rufen
wir
ihn
auf
die
Bühne
und
so
habe
ich
dann
auch
noch
das
Glück,
die
kleine
„Sarika“,
die
meine
Begeisterung
für
Illes
und
all
die
anderen
Ungarn
auslöste,
in
der
Minimal-Version
von
Brody
zu
hören.
Jetzt
habe
ich
wieder
die
gefürchtete
Gänsehaut
und bin froh, dass ich sie mir schnell wieder wegklatschen kann.
Wenig
später
finden
wir
uns
beinahe
alle
zwei
Etagen
tiefer
im
kleinen
Cafe
wieder.
In
kleiner
Runde
wird
aufgeregt
gequasselt,
bis
der
Mann,
der
tatsächlich
ganz
bescheiden
Zeitgeschichte
verkörpert,
sich
an
einen
Tisch
setzt,
sich
auf
Gespräche
einlässt,
geduldig
ganze
Stapel
von
Plattenhüllen
und
Fotos
signiert
und
sich
fotografieren
lässt.
Wenn
der
Vergleich
zu
McCartney
zutrifft,
würde
ich
mir
eine
solche
Begegnung
auch
mal
mit
„Makka“
wünschen.
Vor
fünf
Jahren
hätte
ich
mir
einen
solchen
Abend
mit
Brody
und
vielen
anderen
bekannten
Gesichtern,
die
mir
inzwischen
vertraut
sind, auch noch nicht vorstellen können. Wer weiß schon, was uns der nächsten Morgen bringen wird.
Die
Mitternachtsstunde
habe
ich
mit
der
S-Bahn
überfahren.
Im
Auto
in
Richtung
Süden
ging
mir
die
Melodie
vom
„Micimacko“
nicht
aus
dem
Sinn.
Mein
Körper
hat
den
Rhythmus
gespeichert
und
immer
wieder
hörte
ich
mich
leise
„zeg
zeg“
oder
so
ähnlich
singen.
Irgendwie
war
mir,
als
würden
„Sarika“
und
„Micimacko“
fröhliche
Spiele
mit
mit
treiben, die man auch noch mit sechs Jahrzehnten im Gebälk mitspielen und -tanzen kann. Köszönöm Janos!