Mit dem „Eiserner Schmetterling“ im „Garten-des-Lebens“
09.03.2012
Es
sind
nur
neun
aufeinander
folgende
Töne
von
Bass
und
Gitarre,
die
sich
1968,
in
der
Überganszeit
vom
Beat
zum
Rock,
in
die
Gehörgänge
der
Fans
schraubten.
Über
diesem
Jahrhundertriff
beginnt
der
Klang
einer
sonoren
dunklen
Stimme
in
der
aufkommenden
Hitze
zu
brodeln,
die
sich
17
(in
Worten:
siebzehn)
Minuten
wie
zähflüssig
kochendes
Magma
ausbreiten
wird,
unterbrochen
nur
von
einem
stampfenden,
sich
im
Sound
windenden
brachialen
Schlagzeugsolo,
das
es
bis
zu
diesem
Moment
so
noch
nie
gegeben
hatte.
Diese
ganze
Seite
einer
Langspielplatte
widerspiegelt,
wenn
vielleicht
auch
ungewollt,
die
Gier
der
Rock-Generation
jener
Zeit
nach
der
Lust,
das
eigene
Leben
mit
allen
Facetten,
sinnlich
und
körperlich,
zu
genießen.
Und
dann
ist
da
ja
noch
diese
Titelzeile
„In-A-Gadda-Da-Vida“,
in
die
man
all
jene
Sehnsüchte
und
Träume
hinein
projizieren
konnte,
die
es
im
wirklichen
„Garten
des
Lebens“
nicht
gibt.
In
diesen
17
Minuten
haben
wir
gezuckt,
gestöhnt,
gestampft,
wild
getanzt
und
manchmal
auch
im
richtigen
Augenblick,
wenn
das
wilde
Solo
des
Drummers
uns
den
Rhythmus
von
Puls
und
Atem
diktierte,
mit
unserer
Gier
auf
Wolke
Sieben
gestöhnt,
als
verspürten
wir
die
lustvollen
Wellen
eines
Orgasmus.
Kaum
ein
Rock-Opus
jener
Tage
hat
diese
Empfindungen
besser
gebündelt,
als
diese
wuchtige
überlange
Initialzündung
wilder
Ekstase.
Ich
habe
den
überlangen
Riemen
geliebt
und
wenn
ich
mir
heute,
44
Jahre
danach,
die
Platte
wieder
auflege,
läuft
dieser
Film
noch
immer im Kopfkino ab.
IRON
BUTTERFLY
schrieben
mit
nur
einer
einzigen
Plattenseite
Geschichte
und
dennoch
war
der
Song
kein
One-Hit-
Wonder.
Nur
eben
an
diese
Urgewalt
und
Spontaneität
kam
keiner
der
nachfolgenden
Songs
der
Band
mehr
heran.
Wie
auch,
wenn
man
mit
einem
Hit
auf
dem
höchsten
Gipfel
des
Rock-Olymp
startet,
ist
der
nächste
Gipfel
zwangsläufig
niedriger.
Live
habe
ich
diese
17
Minuten
schon
vor
vielen
Jahren
erlebt,
denn
im
kleinen
Land
gab
es
Bands
wie
DREILÄNDERECK
und
mit
ihr
tatsächlich
schon
sehr
früh
Kapellen,
die
den
langen
Riemen
auf
die
Bühnen
der
Dorfkneipen
und
Beatschuppen
in
der
DDR
brachten.
Als
ich
im
vergangenen
Jahr
Kurt
„Saftl“
Gerlach,
den
Bandleader
der
damaligen
Gruppe
Dreiländereck,
zu
Hause
besuchen
durfte,
haben
wir
natürlich
auch
über
diese
17
Minuten
unsere Erinnerungen ausgetauscht.
Nun,
viele
Jahrzehnte
und
etliche
Pfunde
später,
fahre
ich
doch
noch
zu
einem
besonderen
Konzert,
wenn
auch
nicht
auf
eisernen
Schmetterlingsschwingen,
um
dem
originalen
Sound
und
Rhythmus
jener
Tage
noch
einmal
hinterher
zu
lauschen.
Die
Fahrt
nach
Torgau
zur
Kulturbastion
ist
wie
eine
Zeitreise
am
Lichtstrahl
rückwärts
in
die
Tage
von
Jeans,
Parka,
Stirnband
sowie
Jesuslatschen
und
genau
so
sehen
diejenigen
aus,
die
dort
schon
vor
mir
eingetroffen
sind.
Endlich
falle
ich
mal
NICHT
auf!
Beinahe
ist
mir,
als
hätte
ich
die
Jahrzehnte
draußen
auf
dem
Parkplatz
neben
meinem
alten
Blechfreund
abgestellt.
Nur
der
Euro,
mit
dem
mein
Allzeitkumpel
Georg
das
erste
Bierchen
bezahlt,
erinnert
uns
daran,
wo
und
wann
wir
hier
sind.
Mit
dem
Glas
in
der
Hand
und
in
froher
Erwartung
sitzen
wir
dann
auf
der
schmalen
Bühnenkante.
Im
Rücken
das
wuchtige
und
durchsichtige
Drum-Set,
vor
uns
ein
immer
größer
werdender
Männerchor,
der textsicher hier und da zur Beschallung mitsingt: „I smoked my first cigarette at ten – when I was young.“
Als
das
Playback
verstummt,
ist
unser
Blick
auf
die
Bühne
gerichtet
und
der
„Schmetterling“
beginnt
dort
vor
uns
langsam
mit
dem
„Iron
Butterfly
Theme“
seine
Sound
–
Flügel
auszubreiten.
Über
einem
stampfenden
Rhythmus
dehnen
sich
psychedelisch
wirkende
Klangcollagen
der
Gitarre
aus,
die
gleich
zu
Beginn
zeigen,
in
welchen
Klangkosmos
die
Reise
gehen
wird.
Die
Saiten
wimmern,
kreischen,
sie
erheben
sich
in
den
Raum
und
verschmelzen
mit
dem
Gesang,
der
darin
eingebettet
ist,
zu
einem
wahren
Inferno,
so
als
würden
Blue
Cheer
und
The
Crazy
World
Of
Arthur
Brown
gerade
ihre
eigenen
brachialen
Klänge
gleichzeitig
ausprobieren.
Wer
also
dachte,
er
würde
hier
einen
„alten
Falter“
in
seinen
letzen
Zügen
erleben,
sah
sich
schon
in
den
ersten
Minuten
äußerst
angenehm
enttäuscht
und
überrascht
zugleich.
Zwar
sitzt
direkt
vor
mir
der
fast
70-jährige
Bassmann
LEE
DORMAN
auf
einem
Barhocker,
aber
unter
seinen
geschlossenen
Augenlidern
entdecke
ich
ein
gelöstes
Lächeln,
während
seine
flinken
Finger
satte
und
fetten
Bass-Tupfer
in
die
Bünde
drücken.
Der
Mann
ist
ein
Urgestein
aus
amerikanischen
Psychedelic-
und
Acid-Zeiten
und
könnte,
ebenso
wie
RON
BUSHY
am
Schlagzeug,
der
einzig
verbliebene
Ur-Schmetterling
aus
dem
Gründungsjahr
1966,
ganze
Seiten
füllen,
mit
dem,
was
er
schon
erlebt
hat.
Die
beiden
„Alten“
bilden
zusammen
das
treibende
Rhythmusgespann der Band, das die folgenden knapp zwei Stunden unseren Pulsschlag diktieren wird.
DORMAN
erzählt
in
knappen
Worten
aus
seinem
Musikerleben,
von
Orten,
wo
man
den
Joint
mit
der
Luft
einatmen
konnte,
von
Cars
&
Girls
&
Rock’n’Roll.
Auch
davon,
dass
ein
Freund
zu
Tode
kam,
dem
sie
das
nachfolgende
„Times
Of
Our
Lives“
widmen.
Aus
den
Zeiten
der
Blumenkinder,
von
Love
&
Peace,
hören
wir
„Flowers
And
Beads“
und
Iron
Butterfly’s
eigene
Version
auf
„Easy
Rider“
und
Harley
Davidson.
Der
besondere
Stil
dieser
Band
ist
wohl
noch
immer,
dass
sie
es
versteht,
ein
längst
in
die
Jahre
gekommenes
Lebensgefühl
durch
Musik
zu
erklären,
ganz
ohne
banale
oder
auch
überzogene
Worthülsen.
MARTIN
GERSCHWITZ
an
den
Tasten,
der
diesen
Job
übrigens
auch
bei
Altmeister
Eric
Burdon
ausübt,
gibt
mit
seiner
warmen
Stimme
den
alten
Liedern
jenen
Klang,
den
ich
in
meiner
Erinnerung
konserviert
habe.
Der
Mann
an
der
Gitarre,
CHARLIE
MARINKOVICH,
verleiht
dem
Sound
der
aktuellen
Band
den
letzten
rotzigen
Schliff,
macht
den
klirrenden
Sound
des
Metall-Falters
perfekt.
So
klingen
„Stone
Believer“
und
„Easy
Rider“
ganz
und
gar
nicht
wie
von
gestern,
sondern
metallisch
trocken,
druckvoll
und
trotzdem
auch
typisch
ausdrucksstark
und
zuweilen gar beinahe klassisch angehaucht mit mehrstimmigen Gesang. Ich jedenfalls fühle mich wieder als Teenager.
Ein
Stück,
das
all
diese
typischen
Merkmale
vom
Zirpen
des
Eisen-Schmetterlings
und
die
spielerische
Klangvielfalt
in
sich
vereint,
ist
das
epische
„Butterfly
Bleu“.
Emotional
laszives
Orgelspiel,
stürmische
Gitarrensoli
und
die
fetten
Drums
verschmelzen
zu
einer
schwermütigen
Mixtur,
die
unsereins
schon
damals
hard’n’heavy
nannte.
Langsam
klingt
das
Stück
aus
und
zurück
bleibt
der
Sound
der
Orgel,
auf
der
MARTIN
Akkorde
erklingen
lässt,
die
so
ganz
und
gar
nicht
hierher
zu
gehören
scheinen.
Natürlich
ist
die
„TOCCATA
und
FUGE
in
d-Moll“
vom
Altrocker
J.S.
Bach
dennoch
bestens
geeignet,
genau
jene
erhabene
Erwartungshaltung
zu
erzeugen,
aus
der
heraus
wir
uns
dann
alle
fallen
lassen
können,
tief
hinein
in
die
neun
aufeinander
folgenden
Töne
des
weltbekannten
Riffs,
bis
in
den
Garten
des
Lebens.
Erst
dann
beginnt
der
Bass
von
LEE
DORMANN
zu
stampfen
und
Ron
BUSHY
klopft
den
„Pulse-Da-Vida“
in
die
Felle
und
Becken.
Meine
Körper
beginnt
zu
wippen
und
die
Füße
zu
tanzen,
während
der
Kopf
gesenkt
eine
imaginär
wallende
Haarmähne schüttelt, Head-Banging in seiner Urform und wehe, wenn sie losgelassen!
Hey,
und
wenn
schon
–
mir
doch
egal!
Ich
folge
dieser
erhabenen
Basslinie
wie
dem
letzten
Rauschen
des
Urknalls
aus
fernen
Zeiten,
schwebe
zurück
an
den
eigenen
Erinnerungen
entlang
und
spüre
noch
einmal
Trance
und
Herzklopfen
eines
Lebensgefühls,
das
ich
gern
auf
ewig
konservieren
würde.
Dieses
„In-A-Gadda-Da-Vida“
wummert
mir
in
den
Bauch
und
meine
Hosenbeine,
die
neben
der
Bass-Box
den
Boden
suchen,
flattern
im
Rhythmus
der
Bass-Drum.
Warum
einen
Herzschrittmacher
und
wozu
Cortison,
wenn
ein
eiserner
Schmetterling
vor
mir
seine
Metallschwingen
klirrend
ausbreitet
und
sie
flattern
lässt.
„Oh
won’tcha
come
with
me
and
take
my
hand...“
ist
nur
noch
Eintauchen
und
sich
treiben
lassen
bis
zu
dem
Moment,
da
nur
noch
das
Schlagzeug
von
RON
BUSHY
im
Universum
pocht.
Erst
nach
und
nach
steigen
auch
wieder
Orgel
und
Gitarre
ein,
wühlen
und
kreischen
sich
ineinander
und
erst,
wenn
der
Bass
wieder
stampfend
und
pulsierend
die
Richtung
vorgibt,
in
die
sich
diese
heiße
Melange
weiter
wälzen
wird,
ist
der
wilde
exstatische
Hexensabbath
im
„Garden-Da-Vida“
verdampft,
eingeschmolzen
und
mit
dem
letzten
„two,
free,
four“
auch
ausgestanden.
Ich
selbst
bin
verschwitzt,
aber
glücklich.
Was
wisst
ihr
jungen
Hüpfer
schon
von
einer
Zeit,
in
der
Robby
Williams
noch
nicht
mal
als
Quark
im
Schaufenster
stand?
Dass
die
vier
Musiker
uns
mit
der
Zugabe
„Are
You
Happy?“
fragen,
ob
wir
glücklich
wären,
scheint
im
Grunde
überflüssig.
Wir
schweben,
wenn
auch
nicht
mit
Eisenschwingen,
alle
auf
Wolke
Sieben
oder
höher.
Da
spielen
gelebte
lange
Jahre
keine
Rolle,
es
geht
nur
um
ein
Lebensgefühl,
das
sich
viele meiner Generation bis in heutige Tage bewahrt haben – ein Lebensgefühl Rockmusik.
Da
stehen
wir
vor
dieser
kleinen
Bühne
in
den
Katakomben
der
Kulturbastion,
lachen
uns
gegenseitig
das
Glück
mit
strahlenden
Augen
in
die
Gesichter
und
träumen
noch
einen
Moment.
Danach
aber
hat
der
Eisenschmetterling
seine
Flügel
schon
wieder
gefaltet.
LEE
DORMAN
war
leider
viel
zu
schnell,
aber
gekonnt,
in
der
Hektik
untergetaucht
und
verschwunden.
Welch
Glück,
dass
der
sich
überhaupt
noch
auf
eine
Bühne
führen
lässt
und
Danke
LEE,
dass
Du’s
überhaupt
noch
tust!
Die
anderen
drei
haben
das
Drängen
und
die
neugierigen
Fragen
vieler
alter
Fans
aus
nah
und
fern
geduldig
über
sich
ergehen
lassen.
Die
alten
Gemäuer
der
Torgauer
Kulturbastion
bieten
die
ideale
Umgebung
für
solche
Events,
für
Wohlfühlen
von
Musikern
und
Fans
gleichermaßen.
Selbst
ein
alter
eiserner
Schmetterling
ist
gestern
dort gelandet und ich war endlich dabei!
P.S.:
Lee
Dorman,
der
Bassist,
der
drei
Studioalben
mit
Iron
Butterfly
einspielte,
starb
wenige
Monate
später,
am
21.
12.
2012
in
Kalifornien. In Torgau sah ich ihn auf der Bühne bei einem seiner letzten Konzerte.
P.P.S.:
Der
Mann
am
Schlagzeug,
Ron
Bushy,
der
mit
seinem
legendären
Solo
Rock-Geschichte
schrieb,
ist
still
und
kaum
beachtet
im
Alter
von
79
Jahren
am
29.
August
2021
verstorben.
Beide
Musiker
sah
ich
in
Torgau
zum
ersten
und
letzten
Mal.
Ihnen
sei
dieser
Beitrag gewidmet.