Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Falkenberg – ein Liederschreiber gibt ein Konzert 26.03.2010 In einer Zeit, in der die Elektronik begann, die Sounds von Bands und Künstlern zu bestimmen, fiel er mir zum ersten Mal auf. Es war das Jahrzehnt der Klang-Revolutionen, die aus bombastischem Rock den kurzlebigen Pop abzweigten und zum Massenkonsum anboten. Einen jungen Mann inspirierte es, sich das Kürzel IC (integrated circuit) als Künstlernamen zuzulegen und eine Karriere der Wandlungen zu starten. Bis heute ist dieser RALF SCHMIDT einer geblieben, der, einem Chamäleon gleich, ständig anders und immer wieder neu in Erscheinung tritt oder sich selbst in andere, neue Zusammenhänge stellt. Dieses gewollte „anders erscheinen“ erzeugt Aufmerksamkeit für neue Botschaften und aktuelle Inhalte, erzeugt Neugier. Dieses Wechselspiel, so scheint es mir, macht die Kontinuität dieses Mannes aus und ich gestehe mir gern ein, dass er für mein Empfinden daran mehr und mehr gewachsen sowie gereift ist. Irgendwann in diesen Tagen hatte er auch mein Interesse geweckt. Diese Erkenntnis dämmerte mir erstmals nach einem Konzert anlässlich eines 50. Geburtstages und im Laufe der Gespräche mit ihm zu vorgerückter Stunde. Seither registriere ich bewusst, was er tut und wie er es tut. Eines seiner Projekte hat mich auch herausgefordert, mir eine andere Meinung zu bilden und mit ihr nicht bei jedem seiner Fans auf Zustimmung zu stoßen. Der Entschluss, das Konzert im sächsischen Weinböhla zu besuchen, kam spontan. Ich wollte erfahren, wie würde seine Musik einige Monate später auf mich wirken, wen würde ich hier treffen und wie würde das Wiedersehen mit ihm ausfallen? Da sitze ich also im Foyer des Zentralgasthofes, in der zweiten Reihe, und beinahe direkt vor dem Podium. Überraschung gelungen: „Dass du zu IC gehst?“. Aber Hallo, ich bin doch nur grau, aber nicht von gestern! Dieses Vorurteil wäre nun hoffentlich abgebaut, ehe es sich festsetzen kann. Die Herren FALKENBERG/SCHMIDT & LEHRMANN nehmen zwischen ihren Instrumenten Platz, um für die nächsten zwei Stunden ihr Musikantenherz, und ein wenig auch ihre Seelen, vor uns auszubreiten. Anregungen zum Mitfühlen und Nachdenken werden folgen, Lied für Lied und „Zigeuner auf Zeit“ ist der Einstieg in diese persönliche Gedankenwelt. Auch die in Richtung Publikum gestellte Frage „Bist du glücklich“ habe ich bis jetzt auch noch nicht auf diese Weise beantwortet bekommen. Die musikalische Umsetzung zwingt zu innerer Ruhe und eigene Antworten lassen sich dann auch finden. Überhaupt stelle ich für mich überraschend fest, dass es mir beim Klang der verschiedenen Gitarren und zu den Tönen des Piano so geht, wie in vielen anderen Fällen zuvor auch. Plötzlich hörst du ein bekanntes Lied ganz anders und kriegst Nuancen mit, die dich völlig überraschen. Bei „Ich bin frei“ habe ich so ein Deju Vu. Es ist dieser Rückblick auf jemanden im eigenen Leben, der dich nicht mehr begleiten kann. Und das gleich mehrfach und mit haufenweise Adrenalin vermischt. Da geht mir seine Stimme tief nach innen und der Nachhall von Lehrmann’s Gitarre lässt sie nicht mehr raus. Mir fällt auf, dass auch meine „Fetten Jahre“ nie stattgefunden haben, nur eine lange Zeit ohne innere Angst um Geld und dem nächsten Tag, durfte ich einst in einem anderen Land erleben. Geld haben heute andere, wie er locker plaudernd und sehr richtig feststellt, und der Sinn eines Bausparvertrages hat sich mir bis heute auch nicht erschließen können. Das haben wir wohl beide auch gemeinsam. Beim vorhin erwähnten runden 50. Geburtstag hörte ich „Für Krieger wie uns“ zum ersten Mal, denn damals sang und spielte er den Song auch erstmals live und diese CD war noch nicht erschienen. Für mich steht dieser Song auf der gleichen Ebene wie LEONARD COHEN’s „Heart With No Companion“ oder der legendäre „Universal Soldier“, den Buffy Sainte-Marie einst schrieb und den DONOVAN in den 60ern zu Weltruhm sang. Warum nicht auch diesen IC-Song so sehen, da er doch die gleichen inneren Werte und vergleichbare musikalischen Qualitäten besitzt? Die beiden vor uns auf dem Podium zelebrieren Abwechslung, vermischen die verschiedenen Lieder mit Anekdoten, gedankenschweren Blödsinn und einem spontanen Glückwunsch zum Geburtstag ins Publikum. Im Gegenzug gibt es einen Schluck vom sächsischen Rachenputzer. Ja, ja, es kommt nicht nur Wein von den Elbhängen! Die Szene passt ungewollt zu „Besoffen und verliebt“ und „So nah vom nächsten Meer“ ist auch einen Tick beschwingter! Auf MICHAEL LEHRMANN’s virtuoses Gitarrenspiel hat die Episode aber keinen Einfluss. Der begleitet den Sänger souverän durch seine Lieder bis hin zu den „Piraten“. Jedes Lied eine kleine Geschichte und jedes Mal ein kleiner Kick zum Innehalten und Nachdenken. Es ist genau diese Mischung, die seine zahlreichen Fans so sehr mögen. Nach reichlich zwei Stunden bester Unterhaltung stehen die Instrumente wieder im Hintergrund und beide bedanken sich mit einer Verbeugung. Man antwortet mit rhythmischem Klatschen, Rufen und Pfiffen. Musikalischer Nachschlag kommt vom Podium zurück. Aus MICHA’s Gitarre perlen nun Töne und Läufe, die stark an Django Reinhardt erinnern und erahnen lassen, was für ein Virtuose da leise und bescheiden an der Seite von FALKENBERG die Saiten zupft. Diesen Weg sollten beide gemeinsam noch eine Weile weiter gehen und Neues für uns entdecken! Bei IC FALKENBERG sind inzwischen wohl die Schaltkreise ausgeknipst. Sie geben nicht mehr den Rhythmus vor und die Module prägen auch den Sound nicht mehr. Der Künstler hat sich als solider Handwerker einen guten Ruf erspielt und sich als feinsinniger Denker und sensibler Erzähler etabliert. Für meine Begriffe ist der Mann noch immer auf seinem Weg nach vorn in die Zukunft. Wahrscheinlich ist das aktuelle Programm eine Station auf diesem Weg und zehn Jahre nach vorn gedacht, könnte die Bewertung vielleicht in diesem Sinne einmal irgendwo nachzulesen sein. Vielleicht wird man erst dann sagen können, der Künstler hätte seinen Zenit erreicht und vielleicht schreibe ich dann eine Rezension über einen Mann, dessen Berufsbezeichnung auch CHANSONIEUR lauten könnte, als ein Synonym für „ausgereift“ vielleicht. Dann wird bei mir aus grau im Haar schon weiß geworden sein und dieser Typ FALKENBERG wird immer noch „Meiner“ zu mir sagen, hoffe ich, und dabei ehrlich lächeln. In diesem Sinne, MEINER, wir sehen uns in der Zukunft wieder, wenn deine Lieder und Text (hoffentlich) etwas in den Köpfen bewegt haben werden.