Reggae, Blues & Alpenfolk - Hubert von Goisern in Dresden
10.02.2012
Es
muss
irgendwann
zum
Ende
der
1990er
Jahre
gewesen
sein,
als
ich
wegen
einer
Nachtschicht
meiner
Frau
mal
wieder
allein
sehr
spätabends
vor
der
Röhre
saß.
Es
flimmerte
noch,
obwohl
mir
das
Bett
schon
näher
war,
als
das
Filmgeschehen.
Es
waren
auch
nicht
die
Bilder,
die
ich
nicht
sah,
sondern
die
Musik,
die
aus
Richtung
Wohnzimmer
erklang.
Die
war
so
völlig
anders
und
so
emotional
eindringlich.
Ich
wollte
nachsehen,
dann
aber
zu
Bett
gehen.
Der
Film
war
weit
nach
Mitternacht
zu
Ende
und,
mal
abgesehen
von
der
faszinierenden
Handlung,
hatten
mich
Teile
der
Musik
von
für
den
Rest
der
Nacht
voll
im
Griff.
Nach
diesem
nächtlichen
Filmerlebnis
von
„Schlafes
Bruder“
wollte
ich
mehr über diesen HUBERT VON GOISERN erfahren.
Ich
habe
mir
die
Live-Doppel-CD
-
leider
kein
Vinyl
-
„Wia
die
Zeit
vergeht…“
zugelegt.
Mit
ihrer
Mischung
aus
Alpinen
Folk
(gibt’s
den?),
knackigen
Rock’n’Roll
bis
hin
zu
sphärischen
Pink
Floyd
–
Passagen,
den
Jodlern
dazwischen
und
den
Liedperlen,
die
ich
entdecken
konnte,
hat
die
mich
vom
ersten
bis
zum
letzten
Ton
einfach
nur
gefesselt.
Die
Musik
der
beiden
CD’s
war
eine
echte
Erfahrung
und
sie
ist
es
über
all
die
Jahre
bis
heute,
„Gombe“
und
„Fön“
inbegriffen,
geblieben.
Dieser
drahtige
Typ
ist
so
ganz
und
gar
nicht
das
Ebenbild
eines
Rockers
oder
Folkies
und
dennoch
musiziert
er
in
genau
diesem
Spannungsfeld,
als
wäre
es
das
Normalste
auf
dieser
Welt.
Ist
es
aber
nicht,
wenn
man
sich
mal
die
medialen
Hopsasa-Ausrutscher
vor
Augen
führt,
die
im
Vornamen
ein
„DJ“
tragen,
damit
sich
überhaupt
eine
Beziehung
zu Musik herstellt.
Da
fahre
ich
nun
endlich
nach
so
vielen
Jahren
bei
minus
12°
Celsius
in
die
arschkalte
U-Jeans-Nacht
hinein
Richtung
Dresden,
um
dort
mindestens
drei
Stunden
vor
einer
großen
Bühne
zu
stehen.
In
meiner
Jugendzeit
hätte
man
aus
Höflichkeit
und
Respekt
Leuten
wie
mir,
so
wie
ich
heute
bin,
einen
Sitzplatz
in
Bahn
oder
Bus
angeboten.
Darauf
brauche
ich
heute
nicht
zu
hoffen.
Es
wird
keine
Sitze
geben
und
wer
den
Hubert
live
erleben
will,
muss
da
schon
stehend
durch.
Zur
Einstimmung
juchizert
und
jodelt
es
derweil
aus
meinen
Autolautsprechern,
während
mich
in
einer
Autobahnbaustelle
ein
Bekloppter
überholt.
Wahrscheinlich
hämmert
bei
dem
der
Bobo
oder
Ötzi
einen
anderen
Takt
in
das
Getriebe.
In
Dresden
angekommen,
tritt
ein,
was
ich
befürchtet
hatte
–
Menschenmassen.
Das
können
unmöglich
alles
Einheimische
sein,
denke
ich
mir,
und
drinnen
wird
sich
diese
Vermutung
bestätigen.
Vor
mir
in
der
ersten
Reihe,
neben
ein
paar
weiteren
sehr
großen
Männern,
mache
ich
Bekanntschaft
mit
Zweien,
die
aus
dem
tiefsten
Vogtland,
Nähe
Morgenröte-Rautenkranz,
angereist
sind.
Die
haben
den
Hubert
schon
mehrmals
live
erlebt.
Gemeinsam
starren
wir wartend in das undurchdringliche Blau der Bühne.
Punkt
zwanzig
Uhr
wechselt
die
Farbe
in
ein
warmes
Rot
und
vor
mir
da
oben
steht
die
Lichtgestalt
aus
Österreich
mit
dem
Zerrwanst
in
den
Armen.
Ganz
langsam
und
einschmeichelnd
kommen
die
Akkorde
herunter
und
eine
alpine
Melodie
schmeichelt
sich
in
mein
Ohr.
Wenn
da
nicht
ab
und
an
der
trockene
Beat
vom
Schlagzeug
und
eine
schneidende
Gitarre
wären,
die
sich
langsam
in
die
Melodie
von
„ÜUOÖ“
(Über-Unter-Ober-Österreichern)
einmischen,
wäre
die
Verführung
fast
perfekt.
Das
Bild
von
hohen
Bergen
links
und
rechts
und
dazwischen
einem
Tal,
wird
frech
von
grellen
Gitarrenklängen
zerrissen,
so
wie
ein
Echo
zwischen
den
Bergen,
scheint
mir.
Aus
dem
großen
Folk-Kuscheln
wird
wohl
nichts
werden
und
wie
zur
Bestätigung
folgt
ein
Stück,
in
dem
eine
Maultrommel,
von
der
Band
gejagt,
die
Massen in Schwingungen versetzt. Von jetzt an wird mitgetanzt und gerockt, sofern es der Platz ermöglicht.
Was
mich
von
nun
an
den
ganzen
Konzertabend
lang
begeistert,
ist
die
Leichtigkeit
und
spielerische
Ideenreichtum
mit
dem
dieser
HUBERT
VON
GOISERN
sich
eines
vielfältigen
Instrumentariums
von
Maultrommel
über
E-Gitarre
und
Klarinette
bis
hin
zu
einer
ihm
zugereichten
Ladung
von
Kuhglocken
bedient.
Er
wechselt
sogar
zwischen
einem
Zerrwanst
in
weiß
und
einem
in
rot.
Es
geht
kreuz
und
quer
durch
das
Klangbild
der
aktuellen
Scheibe
„EntwederUndOder“
und
wir
lernen
dabei
Typen
wie
„Indianer“
und
„Heid
(halt
mi)“
kennen.
Der
„Indianer“
bekommt
von
der
Band
beinahe
einen
Rap
verpasst,
irgendwie
klingt
der
Gitarren
-
Sound
von
„Apache“
durch.
Hubert
lässt
dazu
die
Puppen
unter
uns
tanzen
und
die
Glocken
oben
auf
der
Bühne
klingen.
Folkloristisches
bekommt
einfach
mal
so
einen
Zeitsprung
verpasst
und
die
Band,
deren
deftig
–
verspielte
Gangart
mich
entfernt
an
die
Pogues
erinnert,
rockt
übermütig dazu.
Zwischendurch
erweist
sich
der
etwas
andere
Rocker
aus
Österreich
als
humorvoller
Plauderer
über
die
verschiedenen
Heiligen
dieser
Welt,
vom
Antonius
bis
Christopherus
zur
heiligen
Magdalena,
entscheidet
sich
dann
aber
doch
für
die
Kurzform
„Heidi“.
Er
philosophiert
hintersinnig
über
das
Verstehen
untereinander
und
das
„So
tun
als
ob“,
was
letztlich
dann
doch
in
„I
Versteh
Di
Nit“
mündet.
Wer
bis
dahin
meinte,
dass
Alpen,
Lederhosen
und
Blues
nix
miteinander
zu
tun
hätten,
wird
von
einer
rotzigen
Gitarren
und
treibenden
Groove
eines
besseren
belehrt.
Die
volle
Hütte
kocht
und
der
Mann
an
der
Gitarre
spielt
sich
in
einen
wahren
Rausch.
Verdammt,
was
für
ein
exzellenter
Saitenzauberer
mit
diesem
SEVERIN
TROGBACHER
an
Goisern’s
Seite
spielt,
der
sich
mit
dem
Bassisten
HELMUT
SCHARTLMÜLLER
auf
der
anderen
Bühnenseite
gern
die
musikalischen
Bälle
zuwirft.
Aus
der
jodelnden
„Heidi“
wird
derweil
ein
deftiger
Jodel-Reggae
und
vor der Bühnenkante verausgabt sich eine Jubelmenge.
Mit
seiner
Klarinette
zaubert
der
Hubert
im
Blaulicht
der
Bühne
einen
swingenden
Hauch
von
„Westside
Story“.
„Es
Is
Wias
Is“
hat
den
leisen
Blues
und
den
traditionellen
Swing.
Der
Mann
spielt
mit
den
Stilen,
dass
einem
schwindlig
werden
kann.
Mit
dem
besinnlichen
„I
Kenn
Oan“
hat
sich
die
Band
zu
großen
Teilen
durch
die
neue
CD
gerockt,
gegroovt
&
gereggaet
und
uns
alle
verzaubert.
Als
dann
die
ersten
Töne
von
„Goisern“
erklingen,
entlädt
sich
die
aufgebaute
Spannung
in
lautem
Jubel
hinter
mir
und
die
ersten
Gäste
singen
zaghaft
mit.
Die
vor
der
Bühne
andächtig
singend
stehen,
hängen
förmlich
an
seinen
Lippen
und
der
da
oben
führt
beinahe
jeden
einzelnen
von
uns
durch
sein
eigenes
zauberhaftes
Klanguniversum
und
dann
bin
ich
es,
der
nicht
an
sich
halten
kann.
Hubert
bittet
uns,
wer
denn
möchte
und
kann,
mit
ihm
gemeinsam
zu
beten
und
was
er
da
„betet“,
versetzt
mich
aus
dem
Stand
fast
in
einen
Rausch.
Zwar
singt
der
Österreicher
mit
„Herrgott,
ich
bitt’
di“
einen
völlig
anderen
Text
über
einem
schrägen
Reggae-
Rhythmus,
aber
ich
kann
das
originale
„Gebet“
mitsingen
und
ich
„bete“
laut
mit,
so
wie
ich
das
Gebet
in
meiner
Erinnerung
habe:
„Oh
Lord,
won’t
you
buy
me
a
Mercedes
Benz,
my
friends
all
drive
Porsches…“,
was
für
eine
Hammer-
Version
des
Joplin-Klassikers
und
was
sich
dieser
Hubert
aus
dem
Oberösterreichischen
Goisern
traut,
ist
einfach
nur
–
Pardon - geil!
Der
greift
jetzt
richtig
in
die
Kiste
und
in
die
Knöpfe
seines
weißen
Zerrwanstes,
holt
dort
den
alten
„Schleininger“
raus,
auf
dass
die
Luft
noch
wärmer
werde.
Den
„Schleiniger“
bringt
er
in
einer
anderen,
abgespeckten
und
sehr
rockigen
Version
auf
die
Bühne
und
der
Mann
hinter
den
Drums,
ALEXANDER
POHN,
kann
zeigen,
was
er
alles
drauf
hat.
Diese
drei
jüngeren
Mitspieler
des
großen
Meisters
mal
rockend,
mal
als
Punk-
oder
Ska-Band,
agieren
zu
sehen,
ist
eine
helle
Freude.
Wieder
einmal
hat
das
musikalische
Chamäleon
eine
Kehrtwendung
gemacht
und
ist
dabei
ganz
er
selbst
geblieben.
Der
Sound
kommt
rockig
und
streckenweise
recht
deftig
daher
und
bei
allem
bleibt
der
Multiinstrumentalist
derjenige,
der
die
Blicke
der
vielen
Damen
auf
sich
zieht
und
die
stille
Achtung
der
anwesenden
Männer,
mich
inbegriffen,
genießt.
Ich
hab’
vorher
gelesen,
dass
„Brenna
Tuats
Guat“
vom
neuen
Album
in
seiner
Heimat
ein
Hit
sein
soll.
Als
die
Nummer
auf
dem
Höhepunkt
der
Show
endlich
erklingt,
weiß
ich
auch
warum.
Der
Song
ist
ein
Reißer
vor
dem
Herrn,
der
Rhythmus
kommt
packend
und
wenn
man
jetzt
auch
noch
den
Text
verstehen
würde,
wäre
das
Erlebnis
rund
herum
perfekt.
So
einen
ähnlichen
Kracher
hatte
vor
vielen
Jahren
mal
Jona
Lewie
mit
„Stop
The
Cavalry“
(1980)
und
ein
solcher
Glückgriff
ist
dem
Hubert
mit
„Brenna
Tuats“
nun
auch
gelungen
–
Partyfeeling
pur.
Danach
von
der
Bühne zu gehen, ist zwar geschickt, geht aber überhaupt nicht und das war tausendfach stimmgewaltig zu hören.
Der
schlaue
Alpenfuchs
weiß
natürlich,
dass
da
noch
einiges
fehlt
und
wir
vor
der
Bühne
wissen
das
auch.
Also
komm’
heraus
und
gib
uns
das
„Hiatamadl“,
auch
wenn
wir
in
Dresden
sind!
Sie
kommen
alle
vier
wieder
raus
und
was
ich
überhaupt
nicht
erwartet
hätte,
passiert
tatsächlich,
als
wäre
es
einstudiert.
Da
singen
doch
tatsächlich
hunderte
Sachsen
diesen
Dialekt
falsch
und
laut
mit,
dass
sogar
der
Hubert
vom
Mikro
zurücktreten
und
dem
Zauber
des
Sachsengesangs
erliegen
kann.
Und
ich
mittendrin
und
woher
kenn’
ich
eigentlich
diese
Worte,
höre
mich
von
„dicken
Wadeln“
singen?
Doch
damit
nicht
genug.
Plötzlich
pfeift
der
ganze
Saal
und
wieder
auch
ich.
„Omunduntn“
ist
der
nächste
Gassenhauer
aus
den
Alpentälern.
Vor
und
neben
mir
wird
getanzt
und
weit
hinten
höre
ich
sogar
einen
Juchizer
–
wie
toll
die
Kombination
von
Zerrwanst
und
Gitarre
doch
klingt!
Auch
so
kann
Party
klingen,
ohne
einen
von
diesen komischen „DJ’s“ bemühen zu müssen.
Ich
gebe
zu,
dass
ich
ganz
besonders
auf
zwei
seiner
älteren
Lieder
warte
und
ich
gebe
auch
zu,
dass
beide
für
mich
zu
den
schönsten
gehören,
die
ich
in
den
letzten
zehn
Jahren
für
mich
neu
entdeckt
habe.
Es
liegt
an
der
leisen
Poesie
der
Worte,
deren
Dialekt
ich
sogar
verstehen
kann
und
daran,
wie
dieses
„Weit,
weit
weg!“
erklingt.
Erst
ging
ein
Schrei
durch
die
Menge
im
Alten
Schlachthof
und
dann
war
es
mucksmäuschenstill.
Wahrscheinlich
ging
es
vielen
wie
mir
und
diesmal
haben
wir
wohl
alle,
jeder
mit
seinen
eigenen
Gedanken
und
sich
allein,
mitgesungen.
Den
krönenden
Abschluss
gab
es
dann
mit
dem
zweiten
erfüllten
Wunsch
und
dem
einzigartigen
„Heast
As
Nit
(Wia
die
Zeit
vergeht)“
und
wieder
fahren
die
Gedanken
Karussell,
während
der
Chorus
sich
von
Jodler
zu
Jodler
steigernd,
immer
mehr
aufbauscht,
wie
ein
Orgasmus
und
dann
von
der
nächsten
Welle
doch
noch
einen
Moment
weiter
verschoben
wird,
bis
da
oben
auf
der
Bühne
der
schweißgetränkte
Orkan
tobt
und
in
die
tosende
Menge
hineinfahren
kann.
Mir
ist
heiß,
ich
bin verschwitzt und ich fühle mich glücklich.
Einen
kleinen
Leckerbissen
gibt
es
dann
doch
noch,
um
die
Emotionen
wieder
nach
unten
zu
regeln.
Im
weißen
Scheinwerferlicht
und
im
Kreis
vor
dem
Mikro
stehend,
erleben
wir
a
capella
gesungen
die
vier
Männerstimmen,
wie
sie
nur dort erklingen, wo der HUBERT VON GOISERN zu Hause ist. Schlicht und in dieser puren Einfachheit überwältigend.
Nach
dem
Konzert
ist
das
Drängeln
groß
und
der
Platz
vor
dem
Souvenir-Stand
begrenzt.
Die
haben
wohl
meine
Gebete
in
der
Menge
an
die
heilige
„Heidi“
erhört
und
tatsächlich
die
neue
Scheibe,
in
schwarzes
Vinyl,
gepresst
tatsächlich
im
Angebot.
Daran
kann
ich
nicht
vorüber!
Ich
zücke
einen
Schein
und
sehe
die
nette
kleine
Lady
mit
sehnsuchtsvollen
Augen,
sowie
einem
Stift
in
der
Hand,
an.
Die
hat
ein
Einsehen
mit
mir
und
verschwindet
für
Augenblicke
in
Richtung
Backstage.
Dank
ihr
hat
das
Cover
jetzt
sogar
eine
von
Hand
geführte
Verzierung
in
schwarz,
kaum
zu
erkennen
zwischen
den
Strichen
und
Punkten,
aber
eben
ein
Original
vom
Hubert.
Die
beißende
Kälte
da
draußen
kann
mir
jetzt
ziemlich
schnuppe
sein.
Ich
habe
den
Hubert
live
erlebt,
wenn
auch
ohne
die
Alpinkatzen
und
Zabine.
Es
war
trotzdem
einfach nur wunderbar – Hollerrähdüdelidrio!