Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Christian Haase solo auf Optimismus-Tour in Magdeburg 21.04.2023 Mein erster Kontakt zur Musik von Christian Haase resultiert aus dem Jahre 2004, als ich mir sein Album „Bleiben“ zulegte. Ich war aus dem Stand begeistert, erinnerte er mich doch irgendwie und ungewollt an Gundermann. Dieser Eindruck bestätigte sich dann beim „Tribut für Gundermann“ ( HIER ), bei dem ich mit Freunden in der ersten Reihe stand und Haase live erlebte. Von da bis zu Begegnungen in der Illingmühle und der Dresdener Zschoner Mühle ( HIER ) waren es nur Wimperschläge in der Zeit. Die sind inzwischen mehr als fünfzehn Jahre alt und Haase wuchs zum gestandenen Liederpoeten und sogar zum Frontmann von Gundermanns Seilschaft. Wunderbar, dass ich all das oft hautnah und begeistert miterleben durfte. Grund genug also, heute nach Magdeburg zu düsen, wo der Künstler solistisch zu erleben sein wird. Das will ich nicht verpassen. Die Feuerwache strahlt heute innen Bar-Atmosphäre aus: Kleine Tischchen, Lampen und Blümchen. Sehr einladend und passend zu meiner Stimmung. Ich lerne Friederike, eine meiner „Verfolger“, kennen, sie setzt sich zu mir, wir plaudern und warten auf Haase. Der kündigt sich, noch hinterm Vorhang, Gitarre zupfend an. Im Scheinwerferlicht begrüßt er uns mit „Bin wie ich bin“. Passt genau zu mir, denke ich, und freue mich sehr, hier zu sein, während der blonde Barde da vorn, die Aufmerksamkeit, mit einer „Altbekannten Story“ auf sich zieht. Ich mag es, wie Christian Haase Alltagsgeschichten aus schnell- und hektisch verlebten Zeiten erzählt und dafür weiter nichts als eine Wanderklampfe oder Pianotasten braucht. Dass er Menschen damit so sehr in seinen Bann zieht, mag an den Themen liegen und wie er sie in Haase-Worte kleidet. Deshalb berührt mich der „Alte Mann“ sehr, bin aber gleichzeitig auch dankbar, ihm nicht vergleichbar zu sein. Solche Worte, oder die aus „Sag nichts“, komprimieren kleine Universen, die überall auf der Strasse und in Hinterhöfen zu finden sind und das in einem Land, das mit Moneten nur so um sich schmeißt; nur eben zu den falschen Leuten, statt zum richtigen Zweck! Die nächsten Liedergeschichten singt er zur Pianobegleitung. Sein „Sag’ nichts“ und das „Vögelchen“ von Gundermann könnten einem einzigen Gedanken entsprungen sein. Ich denke wieder an „Bleiben“ von 2004 und mein Deju Vu zum singenden Baggerfahrer. Das ist plötzlich auch in der Feuerwache wieder da aber Haase drückt die Tasten. „Wir dürfen nicht mehr warten, bis der Tag wieder einen richtigen Sinn hat“, sagt Christian und meint sicher, wir selbst sollten den Tagen Sinn geben. Dazu passt die Sizilianische Fabel von der Maus und ich lächle, während der Wahl-Sizilianer, Orangenbauer und Liederinterpret sie, mit einem Glas Wein in der Hand, erzählt und hinter mir gelacht, geklatscht und gepfiffen wird. Als er wieder zur Gitarre greift, lausche ich jenem Song, der dem neuen Album der Seilschaft seinen Titel gab: „Dein Paket“. Mich fasziniert die Art, wie er die Saiten zupft, die vermutlich eine andere Grundstimmung haben. Geiler Sound! Beim „Niemandsland“ von Gundi wippen meine Füße bequem die Rhythmen der Loops mit und gedanklich pfeife ich eine herrliche Melodie. Bei dieser Art Lieder möchte man sich am liebsten an den Händen halten, um den Gemeinschaftssinn sichtbar zu machen, ohne den wir alle einsam sein würden. Deshalb brauchen wir mehr gute (!) Musik, mehr Lieder wie dieses „Höflich sein“ und eigentlich auch viel mehr Haasen .… Das neue Album des Sächsischen Sizilianers heißt „Grappa und Gitarren“ und weist dezent darauf hin, was wichtig ist oder wie ein Orangenbauer und Liedersänger die Welt sieht. Tanzen zum Beispiel, bis ein „Loch im Schuh“ ist oder ein „Lied wie ein Seil“ finden, „das dich trifft wie ein Pfeil“. Solche Lieder wie „Alle nur blind“ mit einem innigen Chorus, das Schlafliedchen „Sanft zu Bett“ oder „Hand aufs Herz“, das wegen eines Auftritts im ZDF Fernsehgarten eine Diskussion auslöste. Doch genau Auftritte wie der genannte, könnten ja in eingeschlafenen Köpfen noch etwas bewegen, hoffe ich zumindest. Also „Hand aufs Herz“, das war doch’n geiler Schachzug des Senders, gelle? All die letztgenannten Lieder sind auf „Grappa und Gitarren“ zu finden, gehen live tief unter die Haut. Sie erinnern mich an Zeiten, in denen wir, nur mit Gitarre, KiWi und f6 bewaffnet, Folk- und Love-Songs von einer besseren Welt sangen. Fünf Dekaden später, andere Zeiten und neue Chancen. Vielleicht wird’s ja noch was … und wir sind bei „Benzin im Kopf“, denn mir gehen Gedanken durch den Kopf: „Weißt du noch?“. Immer öfter komme ich bei Konzerten wie diesen zu genau jenem Moment: weißt du noch? Es sind die Erinnerungen, die Erfahrungen und Gleichnisse, die sich, durch Lieder befördert, aufdrängen und mich bewegen. Bei „Benzin im Kopf“ klappt das wunderbar, denn als sich die Loops verselbständigen, wandern mit ihnen eben auch meine Gedanken und ich fühle mich bestätigt. Wie das Christian Haase macht keine Ahnung, aber es funktioniert seit knapp zwanzig Jahren. Weil das so ist, sitze ich hier vor dieser Bühne, warte auf den nächsten (neuen) Song, der mich bestätigt, mir was gibt und dann kommt er mit „Grappa und Gitarren“, dem Titelsong des Albums und als Zugabe, um die Ecke. Es ist ein Gefühl, das nur alte Folk-Songs in mir auslösen. Auf sanften Melodiebögen schwingen Worte daher, die treffen Herz und Seele fast gleichzeitig: „Was ich heut noch brauch’, sind Gras, Grappa und Gitarren“. Da sind sie wieder, die modernen neuen „f6, Kiwi und Gitarre“, die in mir den Flächenbrand auslösen. Gefühle kann man nur sehr schwer in Worte fassen, aber „(Gras), Grappa und Gitarren“ ist’n wundervolles Synonym für etwas, das ich in meiner Jugend erleben durfte und heute erst zu schätzen weiß. Jetzt setze ich mich auf die „Weiße Wolke“ von Christian Haase und lasse mich treiben, genieße den ausklingenden Abend und weiß, alles war richtig und wichtig. Auch die kleinen Fehler, die Leben mit Erfahrungen anreichern. Wäre ich heute nicht hierher gefahren, um Haase zu treffen, mir wäre dieses erste Konzert der „Optimismus-Tour 23“, und damit eine schöne neue Erfahrung, entgangen. Darauf einen Grappa (oder Likörwein). Prost Haase!