Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
„Alle oder keiner“ - Tribut für Gerhard Gundermann 21.06.2008 Zehn Jahre ist es her, dass sein Herz nicht mehr schlagen wollte oder konnte. Das Herz von Gerhard Gundermann stand am 21. Juni 1998 einfach still und nahm uns einen ganz besonderen Menschen. Heute, zahn Jahre nach diesem Moment, stehe ich mit Freunden Tamara, Achim, Heike, Conny, Petra sowie Kundi mit Lissi vor der Columbiahalle in Berlin und wünsche doch in der Tiefe meines Herzens, dass dieses besondere Konzert nie hätte stattfinden sollen. Was hätten in diesen letzten zehn Jahren seit Gundis Tod noch für einmalige Songs entstehen können? Mit dieser Frage spricht Andreas Dresen aus, was sicher ein jeder im Saal unbewusst zu fühlen meint und singt dann: „ich hatte doch schon meinen Frieden, doch du bist so ’ne laute Braut“ namens Linda und überhaupt - wie ehrt man einen Künstler, einen Rast- und Ruhelosen, einen Baggerfahrer zudem, der in seiner Person einen Querschnitt durch unser aller Denken und Fühlen zu repräsentieren scheint?? Zehn Jahre nach seinem viel zu frühen Tod! Die Antworten darauf geben dreitausend, oft von weit angereiste, Freunde, Wegbegleiter sowie Fans, die Gerhard Gundermann einfach nicht vergessen wollen und werden, auf sehr eindruckvolle Weise. Sie und wir und ich sind heute hier, um noch einmal seinen Liedern zu lauschen, sie zu singen und zu feiern, wie man es inniger kaum zeigen kann. Ein Gundermann-Tribute ist angekündigt und eine Party wird es wohl werden. Das Überraschen beginnt schon zu Beginn mit dem Duo Tobias Morgenstern & Thomas Rühmann - ja jener TV-Onkel Doktor - deren Einstieg in die lange Gundermann-Nacht messerscharf und forztrocken von der Bühne rasselt. Damit hatte ich nicht gerechnet und dem Rühmann auch nicht zugetraut. Eins rauf mit Mappe! Aus einem ganz anderen Gundermann-Universum scheint Toni Mahoni gekommen zu sein, der mir seine rauchige Stimme tief in die Magengrube rammt, total spröde und dennoch weich vom Frieden und der Sehnsucht danach singt sowie ganz liebevoll von „Brunhilde“. Ich stehe mit den Freunden in der ersten Reihe vor dieser Rampe und bin wie paralysiert von diesem Mann mit Hut. Auch ein rot gepunktetes Kleid, darin Winnie Böwe, ihre Hand in die Hüften gestemmt, überrascht mit Tönen einem Paradiesvogel gleich und irgendwo zwischen Jazz und Chanson. Passt! Da ist Christian Haase, auf den ich neugierig bin und der mit seinen schuhlosen Füßen den Gundi auf die Bühne tanzt und springt. Mit Gundermann’s Seilschaft im Rücken fegt er wie ein wilder Orkan über die Bühne. Lebenslust und Lebensfreude pur, wenn er „Macht ja nüscht“ in den Saal donnert und an das „Frühstück für immer“ erinnert sowie die Polkaholix „Kann dich nicht mehr leiden“ gemeinsam mit dem Publikum hinaus schmettern und „Rattenkarate“ zelebrieren. Mir wächst eine Gänsehaut und neben mir sehe ich Tränen in den Augen glitzern. Es ist emotional, sehr emotional. Als Rubenslady Gabriela Maria Schmeide, ganz in Leder gehüllt, die Bühne entert, knistert es überall im Saal, denn ihr sorbisches Lied „Judahej“ versprüht dermaßen viel Power und Lebensfreude, dass für jeden hier eine Portion dabei ist. Der absolute Hammer, wie sie dann noch „mein Herzblatt, was bist du so traurig“ hinterher jagt und einen Riesenjubel auslöst. Ich bin begeistert und dieses Trio PDS (Prahl, Dresen, Schmeide) hat sichtlich Vergnügen daran, da oben ihr Ding machen zu können. Silly, nun mit Anna Loos als Frontfrau, lassen noch einmal Zeiten lebendig werden, die vom Mitwirken des singenden Baggerführers geprägt waren und, wie Anna sagt, erst so manchen Text von Tamara Danz, der Unvergessenen, ermöglichten. Die Alt-Sillysten Barton, Reznicek & Hassbecker sind sichtlich gerührt in diesen erinnerungsschwangeren Momenten. Noch so ein Überraschungsmoment sind die Berliner RAKATAK. Diese Truppe trommelt und tanzt, das selbst der Teufel in der Hölle gestaunt haben muss. So etwas live und hautnah zu erleben, reißt wohl jeden vom Hocker und sollte auch Gundi, irgendwo da draußen im Universum, erreicht haben. Auch diesmal aus Tübingen angereist, die Randgruppencombo, jene vom Gundermann-Virus infizierten und besessenen Wessis, die es einfach nicht lassen können. Die zelebrieren die Musik des Lausitzer Rock-Poeten und Liederschreibers, als gäbe es auf dieser verrückten Welt nix besseres zu tun – „Aber alle oder keiner“ ! Das Grande Finale sieht alle beteiligten Künstler vereint noch einmal auf der Bühne. Mal in dieser und mal in einer anderen Konstellation. Sie alle mit den Lieder von Gerhard Gundermann und wir im Saal saugen jedes der Worte, jeden Refrain und jede Geste auf, um sie wieder Richtung Bühne zu senden, voller Energie, voller Lust und manchmal, wenn es gar zu persönlich wurde, mit einer zugeschnürten Kehle sowie einem Kloß im Hals. Auch sehr oft mit Tränen im Augenwinkel, jedenfalls wenn ich ganz ehrlich sein soll. Wie also ehrt man diesen Gerhard Gundermann? Hätte der das überhaupt gewollt? Am besten, glaube ich, wir denken nicht großartig drüber nach, sondern wir bringen seine Texte, seine Gedanken und die Lieder unter das Volk, zu denen, für die sie gedacht waren und immer noch sind. Dort können sie sich entfalten, ihre Schönheit offenbaren, aufblühen, leben und letztlich weiter getragen werden. Singend von Mund zu Mund, Hand in Hand und manchmal, wenn die Gefühle gar zu üppig wuchern, auch mit einer Umarmung. Wie kleine Aufmerksamkeiten, die uns den Tag gemeinsam erleben lassen, in Liebe, Freude, Hoffnung und ein wenig mehr Glauben an Zukünftiges. Ich habe die Akteure auf der Bühne nicht gezählt, auch einige Namen nicht aufgeschrieben, von denen, die seine Lieder sangen. Mancher legte uns dabei sein Herz zu Füßen, gab sich vollständig hin, so dass Tränen flossen. Erst nach vier Stunden beginnt das Berliner Nachtlieben uns wieder einzusaugen und nach Hause entlassen. Hört euch Lieder, wie die von Gundermann, Rio Reiser, Tamara Danz oder Haase an. Dann werdet Ihr wissen, was Volkes Seele fühlt, wie sie liebt, wen oder was sie hasst und wovor sie Angst hat. Diese Lieder nehmen die Angst, singen von unseren Hoffnungen und Sehnsüchten, die uns treiben und von der Liebe, die den Arm schützend um uns legt. Sehr viel mehr brauchen wir nicht in Zeiten wie diesen, und „in meines Vaters Land“, denn “Immer wieder wächst das Gras wild und hoch und grün bis die Sensen ohne Haß ihre Kreise ziehn immer wieder wächst das Gras klammert all die Wunden zu manchmal stark und manchmal blass so wie ich und DU. „ P.S.: In großer Dankbarkeit für eine Freundin, ohne die ich das nie hätte erleben können. Manchmal sind Beziehungen doch noch etwas wert. DANKE Tamara.