Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Gartenparty auf dem Eisberg – Gruppe WIR live 1979 25.04.1979 Wieder einmal ein Blick all die erlebten Jahre zurück. Es ist schön, wenn man für eine Weile mit seinen Erinnerung verweilen kann, weil man sie zum Glück hat. WOLFGANG ZIEGLER und die Gruppe WIR ist so eine Erinnerung und das Konzert im Jahre 1979. Diesen Künstler konnte ich über all die Jahre nie so richtig einordnen. Immer, wenn ich dachte, dieser Mann und seine Band hätten jetzt eine für mich fassbare Identität gefunden, erkannte man auch schon wieder irgendeine Veränderung. In der Gruppe WIR fanden beinahe ständig Wechsel beim Personal statt, die natürlich nicht ohne Auswirkungen auf das Klangbild blieben. Zum ersten Mal richtig aufgefallen ist mir die Gruppe WIR im Jahre 1972 mit dem Song „Soll das alles sein“, veröffentlicht auf „Rhythmus 72“ von AMIGA. Die Nummer hat mir damals richtig gut gefallen und sie tut es bis heute. Da schien sich etwas sehr interessantes zu entwickeln, so meine Hoffnungen. Mit der geradlinigen krachenden Rocknummer „Eisberg“ von ihrer ersten LP (1977) schien sich dieser Weg fortzusetzen, doch schon mit der „Gartenparty“, veröffentlicht auf der gleichen Scheibe, musste der Hörer eine ganze Drehung in die andere Richtung durchleben. Beinahe hätte ich geglaubt, dass ZIEGLER mit diesem Konzept im Stile von „Eisberg“ bald zur ersten Liga in der DDR gehören könnte, zumal bei ihm Musiker der ehemaligen Band von UVE SCHIKORA musizierten. Das waren waschechte Rocker und mit einigen Songs stellte die Band das eindrucksvoll unter Beweis. Ein toller Auftritt beim Rockpalast vom WDR und die Übertragung des Konzerts live aus West-Berlin waren ein weiteres gutes Indiz. Immerhin standen sie mit Udo Lindenberg und Rumpelstielz aus der Schweiz auf einer Bühne. In jener Zeit haben mich Ziegler & Co. tatsächlich begeistern können. Irgendwann sah man mit Kathrin Lindner und Doris Martin, letztere wurde seine erste Ehefrau, zwei Damen auf der Bühne und ich wurde das Gefühl nicht los, WOLFGANG ZIEGLER hätte eine lebende Kopie der Nancies von Michael Hansen geschenkt bekommen. Mit „Gartenparty“ hatten sie einen Hit mehr und einen Hörer weniger. Die schon erwähnte erste LP der Gruppe spiegelt dieses Wechselspiel dann auch wieder. So eine Berg- und Talfahrt war einfach nicht mein Ding und die Hinwendung zum Schlagerhaften gefiel mir nicht. Aber auch diese Konstellation war nicht für die Ewigkeit gebastelt und der Bandleader suchte weiter auf seinem Weg. Als dann die zweite LP „Ebbe und Flut“ (1978) erschien, war ich wieder versöhnlicher gestimmt, denn die Band rockte wie in den ersten Jahren und dieser Sound passte zu den Konzept von Konzerten, die wir regelmäßig durchführten. Folgerichtig standen am 25. April 1979 WOLFGANG ZIEGLER & WIR bei ROCK-MIX 5 auf unserer Konzertbühne im Kulturhaus von Plessa. Was dort WOLFGANG ZIEGLER mit der Gruppe WIR in knapp zwei Stunden auf der Bühne abfackelte, war nicht weniger als eine professionelle Rock-Show mit einer geballten Ladung Musik vom Feinsten, solistischen Glanznummer und gekonnten Show-Einlagen. Gleich zu Eröffnung erklang das wuchtige Gitarren-Riff von „Eisberg“, ein Song voller Wucht und kantiger Gitarrenklänge, dessen Dynamik kaum zu überbieten war. Gleiches gilt für „Blutiger Sommer“, eine rockige Nummer ausufernden Keyboard-Passagen. Hier hatte der Sänger Wolfgang Ziegler die Möglichkeit gibt, seine Stimme zu entfalten und die Gedanken sprechen zu lassen. Zum damaligen Live-Programm gehörten natürlich die großen Hits von WIR, wie sie überall im Land bekannt und auf den ersten beiden AMIGA-LP’s veröffentlicht waren. Songs, wie die schon erwähnte „Gartenparty“ oder „Da schlug die Flamme“, waren damals in den Medien gern gehörte Lieder, auch wenn sie nicht unbedingt meinen eigenen Geschmack trafen. Für die echten Rock-Liebhaber spielte die Band ihren großen Erfolg „Zeit“, eine Komposition mit Überlänge und Titel der zweiten Scheibe. Dieser lange Kanten fehlte bei keinem ihrer Live-Auftritte. Fulminanter Höhepunkt dieses Stückes war das krachende Schlagzeug-Solo von HANS-JOACHIM KLUGE, bei dem er sich hinter Trommel, Becken und Toms so richtig austoben konnte, um direkt im Anschluss daran auch noch seine komische Ader auszuleben. Verkleidet mit einem zierlichen Röckchen und einer Straußenfeder am Kopf „tanzte“ er zum Gaudi der Anwesenden aus dem Ballett „Schwanensee“ zur Musik von Pjotr Tschaikowski den „Tanz der vier kleinen Schwäne“, den er mit einem tiefen Knicks vor dem Auditorium beendete. Eine Nummer, die man von einem Drummer eigentlich nicht erwartet hätte, aber jeder, der sich auskennt, weiß es: Meist sind die Schlagzeuger die „Clowns“ in der Band und von der Sorte Musikant kenne ich noch heute einige besondere Exemplare. Aus der internationalen Kiste gab es an diesem Abend mit „Mighty Quinn“ und „Davy’s On the Road Again“ zwei Songs der Manfred Mann’s Earth Band. Der Dylan-Liebhaber ZIEGLER nahm dann seine 12-saitige Akustik-Gitarre und spielte uns den Dylan-Klassiker „It’s All Over Bow, Baby Blue“ in der Version der legendären THEM mit Van Morrison. Das waren sehr emotionale Augenblicke und sehr beeindruckend. Vielleicht hat sich die Erinnerung daran genau deshalb bei mir so fest eingegraben, denn Fotos verraten solch klingende Details nach 35 Jahren nicht mehr und selbst Wolfgang Ziegler brauchte ein paar Minuten und einige Gitarrenakkorde, um sich wieder daran zu erinnern. In jedem Konzert der Gruppe WIR gab es ein Rock’n’Roll - Medley als ein weiteres Indiz dafür, welche musikalischen Vorlieben Musikanten haben können und wo ihre Wurzeln zu suchen sind. Diese Musik heizt den Saal an und gibt den Musikern Gelegenheit, sich auch solistisch zu präsentieren. Neben dem Bandleader WOLFGANG ZIEGLER und dem schon erwähnten Drummer HANS-JOACHIM Kluge standen MICHAEL HÖFT, vom Oktoberklub kommend, am Bass sowie der Gitarrist PETER FALKENHAGEN, der sich mit dem Song „Mensch, wie die Zeit vergeht“ auch als Sänger präsentieren konnte. Ein Abend mit der Gruppe WIR endete meist mit „Nach dem Konzert“, einer Komposition, welche die Zweifel und Hoffnungen wohl eines jeden Musikers beschreibt, ob denn seine Musik oder Show auch wirklich beim Publikum angekommen ist und verstanden wurde. Im April 1979 gab es jedenfalls keine Zweifel. Das Konzert war ein Erfolg, die Musiker zufrieden und wir waren es auch. Der Abend endete, wie so oft, mit dem Abbau und Einpacken der Technik und dem gemütlichen Bier gemeinsam mit den Musikern. Diese abschließenden Minuten waren immer ein bleibendes Erlebnis für alle fleißigen Helfer, das für die nächsten Vorhaben schon wieder die Weichen stellte. Auch in den Jahren danach, wechselte Wolfgang Ziegler immer mal wieder Musiker aus und änderte das Konzept, um nach dem Erscheinen ihrer dritten LP „Ebbe und Flut“ (1984) bei gut gemachter Pop-Musik zu landen. Aber das war erst recht nicht mehr mein Ding. Zwei Jahre später, 1986, löste er die Band auf und der einstige Bandleader startete eine erfolgreiche Karriere als Solist und Sänger, die bis in die Gegenwart anhält. In der Erinnerung geblieben ist ein Ausnahmekünstler, einer, der weiß, was er will und kann und auch einer, der noch immer ein munterer und angenehmer Gesprächspartner ist. (Ein herzliche Dankeschön an Adele Walther, Wolfgang Ziegler und Hans-Joachim Kluge für die freundliche und unkomplizierte Unterstützung.) Die Autogrammkarte von1979 und Wolfgang Ziegler in Plessa.