Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Gogow’s Wilder Garten rockt das Lampionfest in Wernigerode 26.08.2023 Premiere des neuen „Der Wilde Garten“ von Georgi „Joro“ Gogow (bg, viol, git) mit Karolina Blasek (voc), Kai-Uwe Scheffler (git), Stefan Heymann (perc), Lukas Adelsberger (dr) & Claus Urban (bg, git). Ein Konzert von City im Bergtheater von Thale gab seinem Lebensweg eine andere Richtung. Seither lebt der Teufelsgeiger von City in Wernigerode. Dort fand er mit Karolina Blasek, der Rock-Röhre von Black Rosie, und Kai-Uwe Scheffler, dem Gitarristen von Quo Time, zwei neue Gewächse für seinen Wilden Garten. Wenig später fügte sich noch Stefan Heymann, der Taktgeber von Baraban, in dieses Künstlerkollektiv ein. Der Wilde Garten begann im Harz wieder neu zu sprießen und bunte Früchte zu tragen. Sowohl Black Rosie, die Rockladies, die AC/DC verehren ( HIER ), als auch die tobende Trommelgarde von Baraban ( HIER ), sah ich mehrmals live und war jedes Mal begeistert. Nun also flaniere ich über die Breite (Pracht)Straße von Wernigerode Richtung Markt mit dem schönen Rathaus, um im Wilden Garten die frischen Früchte zu bestaunen. Ich bin gespannt und neugierig. Wernigerode feiert an diesem Wochenende das zehnjährige Bestehen der Städtepartnerschaft mit Hoi An in Vietnam. Der Stadtkern ist für dieses Lampionfest bunt geschmückt. Es gibt viel in Ausstellungen zu bewundern und in Workshops zum Mitmachen. Ich gönne mir das Erlebnis vietnamesischer Tänze vor der Marktbühne. Bunte traditionelle Kleidung sowie fremde eigenwillige Melodien. Dicht gedrängt verfolgen Gäste und Einheimische die Darbietungen, die mit einem Gesangs-Rate-Karten-Spiel enden. Es ist faszinierend, das alles aus der Nähe zu erleben und ich stehe mittenmang. Über allem schwebt, Zufall oder nicht, der Brockenballon. Aus dieser Perspektive muss das Treiben irre anzuschauen sein. Kurz nach 21.00 Uhr ist die Bühne hergerichtet, der Sound gecheckt und die Tür zum Wilden Garten offen. Der Gartengeiger betritt sein Heiligtum als Erster. Auf dem proppevollen Marktplatz bricht Jubel aus und auf der Bühne antwortet ein instrumentales Live-Intro. Eine Druckwelle huscht über die Köpfe und das alte Fachwerk ringsum ächzt davon. Gogow’s Wilder Garten ist aus jahrelanger Ruhe erwacht, feiert eine zweite Premiere im flackernden Schein der Lampions. Der Sound ist frisch und die Gitarren rocken im Rhythmus von Drums und Perkussion. Das angekündigt Sommergewitter fällt aus, es kracht von der Bühne. Ein tolles Gefühl, wenn Adrenalin durch den Körper hetzt, weil die Saiten schwingen. Eine Bassfigur klingt von der Bühne. Die kenne ich doch! Ehe ich nachdenken kann, springt Rockröhre Karo auf die Bühne, wehende Lockenpracht und Stimme wie ein Vulkan. Doch dann macht’s klick. Der „King vom Prenzlauer Berg“ ist wieder da! So brachial hab’ ich die alte City-Nummer noch nie gehört. Karolina kauft Toni den Schneid ab. Es kracht, es brodelt und die Derenburger Rock-Hexe scheint auf ihrem Besen den ersten wilden Reigen des Abends zu tanzen, während Joro gleiches mit seinem Bass auf der Bühne zeigt. Ich staune, was junge Pflanzen aus einem alten Garten zaubern können. Was für ein Einstand – Chapeau – und die Lampions über uns schaukeln im Takt! Mit Karolina Blasek und Kai-Uwe Scheffler sowie Stefan Heymann hat sich Georgi Gogow ein exzellent aufeinander eingespieltes, heimisches Garten-Trio eingefangen. Die drei haben richtig Bock, den Markt zu rocken. Da ist noch nichts eingeschliffen oder einstudiert, der Spaß kommt aus dem Bauch und die pure Lust aus den Herzen. Der ehemalige City- Geiger wirkt frisch und aufgeblüht, „zu jung für Rente“, wie Karolina zwischendurch passend bemerkt. Bei „Frei sein“, einem neuen Song, zupft Joro exzellent seine akustische Gitarre und singt. Den Bass zupft in diesen Minuten Claus Urban aus Derenburg, im Wechsel mit der Gitarre, wenn Joro mit Bass agiert. Der Mann am Schlagzeug, Lukas Adelsberger, ist aus Eisleben angereist und macht das rockende Harzer Gartensextett komplett. Denen ist die Freude am Spiel ins Gesicht geschrieben und lassen mit „Wenn du nicht da bist“ den nächster Knaller von der Leine. Dass ein kleines Problemchen den Einsatz der Geige verzögert, bekommen die meisten sicher gar nicht mit. Auf der kleinen Freifläche vor der Bühne tanzen vergnüglich einige Kinder, während die Geige frischen Mut und Energie, in Form einer Batterie, zugesprochen bekommt. Eines der neuen Lieder, „Sie“, hat sich Karo offensichtlich selbst auf den Leib geschneidert. Es brodelt auf dem Marktplatz vor dem historischen Rathaus. Alle sind dermaßen elektrisiert, dass vor der Bühne hemmungslos getanzt wird und plötzlich mit einem riesigen Satz springt Karo mitten in die Meute, tanzt und singt mit den Besuchern und steigt auf eine der Bänke, um auch die ganz hinten Stehenden zu erreichen. Jetzt gibt’s kein Halten mehr, die Stimmung ist längst auf dem Siedepunkt und der Wilde Garten ein tropisches Gewächshaus, in dem es nur so wuchert. Die Stimmung ist grandios, im Harz wird gerockt bis der Brocken wackelt. Danach wird’s bei „Goodby, alte Zeit“ für einen kurzen Moment gemütlich. Wir sollten Schunkeln, meint Karo, doch kaum hat man sich eingeschunkelt, mutiert das Teil auch zu einem fröhlich-wilden Rocker. Partystimmung allerorten, die Freifläche ist von Tanzenden, einschließlich der Kids, gefüllt. Doch dann lassen sie im Wilden Garten den NO55 - Klassiker „Kurzschluss“ aus dem Sack. Die sechs hochkarätigen Musiker heizen der eng aneinander stehenden Meute auf dem Markt jetzt richtig ein. Wirbelwind Karo tobt über die Bühne, Kai-Uwe lässt die Gitarre kreischen und Joro kniet vor dem Perkussions-Arsenal mit dem Bass im Anschlag und da passiert es. Der Bassmann verliert das Gleichgewicht und gleitet, mitsamt seinem Instrument, in die Rückenlage. Doch einem Musiker, auf dem Rücken liegend, bleibt nichts, als weiter zu spielen und so wird aus dem Ausrutscher eine Show-Einlage, indem die anderen ebenfalls in diese Situation einsteigen. Ein an Show-Dramatik kaum zu wiederholendes Missgeschick nutzen diese Profis als Super-Gag des Abends. Sekunden später steht Joro wieder lachend auf den Beinen und die Masse jubelt ihm zu. Davon wird man in Wernigerode noch lange reden und sicher auch drüber lachen. Das Missgeschick ist gleichzeitig auch das Ende. Fünf Musiker, in ihrer Mitte eine rockende Sängerin, verbeugen und bedanken sich. Doch niemand hier glaubt wirklich, dass jetzt Schluss sein wird, ohne dass die Geige geklungen hätte! Es ist Zeit für zwei schlichte Akkorde, eine Violine und „Am Fenster“. In diesen Minuten bekommt die City-Hymne eine weibliche Stimme und das Auditorium seinen Hit. Die Wernigeröder feiern ihren Prominenten Neu-Bürger und der genießt es, sein Instrument hier singen zu lassen. Auch ich lasse mich inmitten der Meute treiben, singe die bekannten Reime und lausche dem einzigartigen Gesang der Violine. Die bekommt ihr Solo und steigert es zum fulminanten Höhepunkt. Mein Gott, ist das schön, denkt der Atheist und Rock-Rentner. Ich bin glücklich, diese Harz-Premiere von Gogow’s neuen Wilden Garten miterlebt zu haben. Mehr davon, bitte mehr! Im Wilden Garten gedeiht fast jedes Gewächs. Kein Wunder also, dass ganz zum Schluss der „Kleine grüne Kaktus“ besungen wird, der „draußen am Balkon“ steht. Der große Marktchor jubelt ein lautes „Hallori, Hollara, Hollaro“, das durch die Gassen der nächtlichen Harzstadt schallt. Noch einmal steht Karo an der Rampe und dirigiert den Chor und noch einmal bedankt sich die Band. Ich sehe da oben glücklich strahlende Musiker stehen, die eine rundum Pardon - saugeile Mugge abgeliefert haben. Deftige Beilagen, wie Sprünge, Geigenverstimmung und Rückenlage, inbegriffen. Der Abgesang einer Bandlegende ( HIER ) hatte die Auferstehung einer anderen zur Folge und ich durfte sie miterleben. Glücklich und ein wenig müde lasse ich das Erlebte sacken. Mal abwarten, welche weiteren Überraschungen der Wilde Garten in der Zukunft wachsen lässt. Potential und frische Pflanzen sind genug vorhanden. Im Harz werden alte Gewächse noch einmal frisch und blühen auf. Ich selbst weiß davon zu erzählen ( HIER ).