DANKE Franz – das emotionale Gedenkkonzert
07.03.2010
Wie
würdigt
man
das
Lebenswerk
eines
Musikers,
zumal
in
großen
Abschnitten
Rockmusikers,
der
nie
wirklich
mit
Lautstärke
oder
extravakanten
Äußerlichkeiten
auf
sich
aufmerksam
zu
machen
suchte?
Wie
würdigt
man
das
Werk
eines
Komponisten
und
Arrangeurs,
der
die
meist
sehr
fein
gesponnenen,
in
sich
verschlungenen,
kunstvollen
Töne
und
filigranen
Melodiebögen
liebte,
der
nur
durch
schlichte
Schönheit,
musikalische
Raffinesse
aber
auch
emotionale
Power
zu
beeindrucken
wusste?
Wie
wird
man
diesem
stillen
und
freundlichen
FRANZ
BARTZSCH
gerecht,
ohne
dabei
überzogen
zu
zeichnen
oder
plakativ
zu
wirken?
Ganz
einfach
und
doch
so
schwer
zu
machen.
Gute
Freunde
und
Wegbegleiter
singen
noch
einmal
seine
Lieder,
lassen,
vielleicht
ein
letztes
Mal,
viele
Töne
im
Original
erklingen
und
die
Harmonien
wirken,
damit
diejenigen,
die
damit
aufwuchsen
und
Teile
ihres
eigenen
Lebens
damit
verbinden,
sich
noch
einmal dabei ansehen können und sei es auch mit Wehmut und feuchtem Glanz in den Augen.
Da
sitzen
wir
also
im
Saal
des
KOSMOS,
die
wir
aus
allen
Himmelrichtungen
angereist
sind,
von
einer
eigenartigen
inneren
Spannung
ergriffen
und
mir
ist,
als
läge
heute
etwas
Unwirkliches
in
der
Luft.
Das
kommt
von
dieser
abgedunkelten
Bühne
und
der
schwarzen
Skyline
von
Instrumenten,
Ständern
und
Geräten
darauf,
zu
der
sich
nach
19.00
Uhr
die
Silhouetten
von
Musikern
gesellen.
Leise
erklingen
Bruchstücke
und
Melodiefragmente
bekannter
Lieder
aus der Feder des Mannes, der uns von dieser Leinwand wortlos zulächelt: FRANZ BARTZSCH.
Sein
Sohn
Matthias
betritt
die
Bühne
und
vor
dem
überdimensionalen
Hintergrundbild
seines
Vaters
spricht
er
in
bewegenden
Worten
zu
ihm,
seinem
Paps.
Er
führt
uns
noch
einmal
gedanklich
zu
dem
Mann,
Musiker
und
Familienmenschen,
den
zu
ehren
wir
alle
kamen
und
mit
einem
Kloß
im
Hals
nun
den
Worten
seines
Sohnes
lauschen.
Niemand kann ihm diese schweren Momente da vorn leicht machen oder gar abnehmen.
So
viel
ist
auch
klar:
Eine
derartig
kompakte
Ansammlung
rock-
und
popmusikalischer
Prominenz,
wie
an
einem
solchen
Abend,
ist
selten
und
nicht
einfach
mal
so
aufzubieten.
Das
Duo
Wolfgang
Martin,
einst
eine
der
markanten
Stimmen
eines
DDR-Senders,
und
Olaf
Leitner,
die
Stimme
eines
Mannes,
die
mich
und
viele
andere
einst
durch
den
„Rias-
Treffpunkt“
oder
„Rock
Over
Rias“
führte,
geleiten
uns
mit
ihrem
Sachverstand
und
bindenden
Worten
durch
den
Abend.
Da
darf
natürlich
auch
der
kleine
Seitenhieb
in
Richtung
„Deutschrock“
a
la
Lindenberg
&
Co.
getrost
etwas
schärfer
ausfallen,
wenn
es
um
deutschsprachige
Rocklyrik
und
deren
ursprüngliche
Quellen
geht.
Das
hätte
ich
mir
zumindest gewünscht, da sind wir noch zu zahm, zu wenig selbstbewusst und bremsen uns selbst aus.
Eine
der
ursprünglichen
Bands,
die
diese
Leistung,
Rockmusik
in
deutscher
Lyrik
schon
früh
gespielt
zu
haben,
für
sich
tatsächlich
in
Anspruch
nehmen
darf,
ist
das
Dresden-Sextett,
aus
dem
nach
einem
Septett
letztendlich
LIFT
wurde.
FRANZ
BARTZSCH
war
für
kurze
drei
Jahre
einer
der
den
liedhaften
Stil
in
dieser
legendären
Band
mit
prägte
und
DINA
STRAAT
jene
Frau,
um
die
sich
die
damaligen
Legenden
ranken.
Noch
einmal
höre
ich
ihre
weiche
Stimme
und
meine
Erinnerungen
schweifen
weit,
ganz
weit
zurück.
Auch
CHRISTIANE
UFHOLZ
war
eine
jener
Stimmen
der
Band
und
„Skandal“
ihre
großartige
Rocknummer.
Gemeinsam
mit
EBERHARD
KLUNKER,
jenem
genialen
Gitarristen
an
der
Seite
von
Hansi
Biebl,
lassen
sie
noch
einmal
„Jeder
Tag
eine
lange
Reise“
da
vorn
erklingen
und
auch
„Komm
doch
einfach
mit“. Diese Duo-Variante, Akustik-Gitarre plus „Weiberröhre vor dem Herrn“, das hat etwas Einmaliges. Mehr davon!
Über
VERONIKA
FISCHER
und
FRANZ
BARTZSCH
viel
reden
zu
wollen,
hieße,
einem
Unwissenden
ein
„Klavier
im
Fluss“
erklären
zu
müssen.
VRONI
hat
einen
Riesenanteil
daran,
dass
viele
Melodien
von
FRANZ
noch
immer
in
unseren
Ohren
klingen,
so
als
hätte
es
diese
reichlich
drei
Jahrzehnte
zwischen
damals
und
heute
nie
gegeben.
Zauberhaft
und
berührend
zugleich
ertönt
„In
jener
Nacht“
und
irgendwie
ist
mir,
als
hätte
ich
die
zweite
Stimme
im
Hintergrund
gehört,
die
dort
eigentlich
auch
hin
gehört.
Die
Reminiszenz
an
den
viel
zu
langen
Winter
mit
dem
Lied
von
der
„Schneeflocke“
ist so ein weiteres zeitloses Meisterstück.
Die
kurzen
aber
sehr
kreativen
Monate
der
Gruppe
4
PS,
dem
Super-Gespann
BARTZSCH
&
BIEBL
in
liedhafter
Höchstform,
waren
ein
Geschenk
für
das,
was
wir
später
Ostrock
nennen.
Tief
beeindruckt
haben
mich
deshalb
MUSIX
mit
ihrer
Version
vom
„Zweigroschenlied“,
jenem
Song
von
4PS,
der
ohne
zu
wackeln
neben
„Yesterday“
oder
„Ruby
Tuesday“
bestehen
kann.
Einfach
mal
ausprobieren,
das
klappt!
Hut
ab
vor
TINO
EISBRENNER,
der
sich
an
den
„Blues
von
der
letzten
Gelegenheit“
wagte
und
seinen
Respekt
davor
auch
auszudrücken
wusste.
Überzeugt
hat
ebenso
die
zierliche
SUSE
JANK
&
Band
mit
ihrer
Version
der
„Nachtigall“,
leichtfüßig,
zerbrechlich
und
kraftvoll.
Meinen
Respekt
möchte
ich
DIRK
ZÖLLNER
entgegen
bringen,
der
sich
an
eines
der
emotionalsten
Rock-Lieder
vom
FRANZ
wagte.
Wie
er
„Niemals
mehr“,
jene
Hommage
an
die
beiden
verunglückten
LIFT-Musiker
Zachar
und
Pacholski,
meistert,
ist
ein
Leckerbissen, wie wir in unserer Jugendzeit zu sagen pflegten.
Mit
geballter
Energie
präsentiert
IC
FALKENBERG
seine
Version
vom
„Blues
für
ein
Mädchen“,
flankiert
von
JÜRGEN
EHLE
und
THOMAS
NATSCHINSKI.
Mir
ist,
als
wäre
dieses
Lied
dem
Herrn
in
schwarz
auf
den
Leib
geschneidert.
Locker
und
flockig
kam
CHRISTIAN
HAASE
mit
„Ich
würde,
wenn
ich
wüsste,
dass
ich
könnte“
und
die
LÜTTE
zelebrierte
das
„Champus-Lied“,
ihren
erfolgreichen
Lobgesang
an
das
Prickelgetränk,
das
ihr
FRANZ
BARTZSCH
(ein)schenkte.
Das
ist
wieder
geballte
Power
von
einer
stimmgewaltigen
Röhre
mit
emotionaler
Ausstrahlung
dazu.
Einer
meiner
persönlichen
Höhepunkte
erklingt
mit
dem
Lied
vom
„Einfachen
Mann“,
das
FRANZ
dereinst
für
seinen
Freund
hinter
dem
Schlagzeug,
Frank
Hille,
schrieb.
ANDRE
HERZBERG
hat
mich
mit
seiner
Version
tief
innen
getroffen
und
sich
selbst
für
jedermann sichtbar auch. So aufgeregt hab’ ich ihn noch nie erlebt und so toll konnte nur er uns den „Hille“ machen.
Als
FRANZ
BARTZSCH
Anfang
der
80er
im
Westen
blieb,
konnte
er,
im
Gegensatz
zu
manch
anderem,
seine
erfolgreiche
Arbeit,
wenn
auch
mit
anderen
Partnern
und
neuer
Ausrichtung,
weiter
fortsetzen.
Es
entstanden
Kompositionen,
bei
denen
man
noch
heute
erstaunt
feststellt,
dass
sie
von
ihm
sind.
Ein
Gefühl
für
den
schöpferischen
Reichtum
eines
FRANZ
BARTZSCH
vermittelt
WOLFGANG
LIPPERT,
der
es
versteht,
die
schlagerbetonte
Seite
gekonnt
zu
präsentieren.
MUSIX
nehmen
sich
eines
Songs
an,
den
er
für
Bolland
&
Bolland
schrieb
und
die
Damen
Weidemüller
und
Bicking,
ihres
Zeichens
die
Töchter
der
gleichnamigen
stolzen
Väter,
bzw.
der
Mama
ANGELIKA
MANN,
lassen
Boney
M.
mit
„I
Feel
Good“ erklingen. Da rockt die ganze Bühne und der stampfende Soul erhitzte die Luft.
Ungemein
beeindruckend
ebenso
der
Auftritt
von
UTE
FREUDENBERG.
„Puppenspieler“
und
„Es
bleibt
dein
Gesicht“
sind
zwei
Songs
neueren
Datums,
die
der
Sängerin
offensichtlich
von
FRANZ
auf
den
schlankeren
Leib
geschneidert
wurden.
Mit
der
UTE
sowie
mit
VRONI
hatte
sich
nach
1989
wieder
eine
intensive
Zusammenarbeit
entwickelt.
In
dieser
Zeit
aus
der
jüngeren
Vergangenheit
entstanden
für
die
beiden
Künstlerinnen
Lieder,
die
gleichwertig
neben
den
alten
Hits
bestehen
können
und
ihren
Erfolg
im
Heute
verdient
haben.
Ein
kurzes
Videoeinspiel
lässt
uns
ahnen,
welch
großen
Anteil
das
Komponieren
von
Filmmusiken
im
Schaffen
von
FRANZ
BARTZUSCH
eingenommen
hatte.
Hier
und
da
war
Erstaunen
zu
bemerken,
zu
welchen
„Flimmerwerken“
im
Fernseher
er
die
passenden
musikalischen
Ideen
fand
und
den
Bildern einen klangvollen Rahmen schuf. Das hätte ich wohl sonst nicht mitbekommen.
Die
frühen
70er
Jahre
wurden
dominiert
von
einem
Song,
der
ein
Welthit
hätte
sein
müssen.
„Wind
trägt
alle
Worte
fort“
vom
Gespann
BARTZSCH/DEMMLER
ist
noch
immer
eine
strahlende
Perle
am
Pop-Horizont
und
steht
zu
recht
als
Synonym
für
den
Namen
FRANZ
BARTZSCH.
Genau
dieses
Gefühl
habe
ich,
als
die
Melodie
erklingt.
Auf
der
Bühne
stehen
CARMEN
OLEAK
und
BODO
KOMMNIK,
um
diesem
wunderschönen
Song
noch
einmal
Klang
und
Ausstrahlung
zu
geben.
Die
Überraschung
ist
perfekt,
als
es
per
Videoeinspiel
gelingt,
die
beiden
gemeinsam
noch
einmal
mit
FRANZ
„live“
singen
zu
lassen.
Es
ist
einer
der
zutiefst
ergreifenden
Momente
des
Abends.
Auf
gar
keinen
Fall
darf
die
kleine
Tochter
von
FRANZ
BARTZSCH
unerwähnt
bleiben.
SINJA
singt
das
„Traumfresserchenlied“,
das
ihr
Vater
für
sie
geschrieben
hatte.
Als
die
Kleine
dort
oben
steht,
liegen
bei
vielen
der
Anwesenden,
zumal
viele
von
ihnen
Eltern,
die
Emotionen
blank.
Da
hilft
es
auch
nicht,
dass
die
Lütte
noch
einmal
mit
auf
die
Rampe
steigt
und
ihren
Arm
um
die
Kleine legt. Der Papa wird ihr fehlen und uns der begnadete Musiker sowie Komponist.
Ein
Abend
großer
Gefühle
und
schmerzlich
schöner
Erinnerungen
neigt
sich
seinem
Ende
zu,
als
alle
Beteiligten
gemeinsam
wie
ein
großer
bunter
Chor
auf
der
Bühne
stehen,
mit
vereinten
Stimmen
„Komm
doch
einfach
mit“
singen.
Da
wird
auch
dem
letzten
klar,
„Jeder
Tag
ist
eine
lange
Reise“
und
die
von
FRANZ
BARTZSCH
geht
mit
diesem
letzten
Konzert
unwiderruflich
zu
Ende.
Das
schmerzt,
aber
es
ist
schön
zu
wissen,
dass
die
Musik
bleiben
wird
und
noch
schöner
ist
die
Gewissheit,
dass
sich
ein
kleines
Enkelchen
auf
den
Weg
in
unsere
Welt
gemacht
hat,
vielleicht
auch,
um
irgendwann in die Fußstapfen des legendären Großvaters zu treten. Schade nur, dass er dies nicht mehr miterleben darf.
Ein
großes
Lob
an
ANDREAS
BICKING,
der
alle
Titel
an
diesem
Abend
mit
einem
neuen
Arrangement
versah,
um
sie
dem
Anlass
entsprechend
in
ein
würdiges
Gewand
zu
kleiden.
Ein
Wort
des
Dankes
hätte
ich
mir
für
WOLFGANG
SCHUBERT
gewünscht,
der
mit
seinem
Organisationstalent
den
ehrenden
Abschied
von
FRANZ
BARTZSCH
erst
möglich
werden
ließ.
Die
Einnahmen
werden
vollständig,
einem
Wunsch
des
Komponisten
entsprechend,
an
die
Musikschule
Friedrichshain
fließen,
dorthin,
wo
dieses
Geld
dem
musikalischen
Nachwuchs
zugute
kommt,
wo
einst
auch
FRANZ
BARTZSCH
seine
eigenen
Fähigkeiten
zu
perfektionieren
lernte.
Dieser
Abend
ist
vorüber,
kein
„Sommernachtsball“
an
diesem
eisigen
Sonntag
im
„Kosmos“
im
März
2010.
Die
Musik
ist
vorerst
verklungen,
aber
ich
habe
sie,
wie
viele
andere
auch,
im
Ohr
und
trage
sie
im
Herzen.
Die
von
Franz
ebenso,
wie
die
von
CÄSAR,
Andre,
Gundi,
Tamara
und
all
den
anderen,
die
wir
vermissen.
Doch
irgendwann
wird
die
Zeit
kommen,
da
es
keine
ergrauten
Hippies
und
keine
„Kunden“
mit
Kutte
und
Jesuslatschen
mehr
geben
wird,
keine
„spätjugendlichen
Rockexperten“
wie
mich,
die
zu
Konzerten
ihrer
1960er
und
1970er
Rock-Matadoren
pilgern,
zu
Gedenkkonzerten
gar,
weil
dann
die,
die
einst
auf
der
Bühne
musizierten, im Himmel rocken werden und wir davor, ihnen wohl auch gefolgt sind.
Ich
hab’
so
ein
saublödes
Gefühl,
das
mir
flüstert,
wir
sollten
vielleicht,
ehe
auch
dieser
Tag
kommen
wird,
dem
einen
oder
anderen
Künstler,
der
mit
dem,
was
er
tut
unsere
Herzen
und
Sinne
zu
berühren
vermag,
schon
mal
zu
Lebzeiten
ein
DANKE
sagen,
gemeinsam
etwas
Besonderes
und
Trotziges
in
die
Welt
setzen.
Sie
brauchen
diese
unsere
Gesten,
wie
dieser
Abend
unschwer
erkennen
ließ,
solche
Momente
des
Verharrens
und
des
Entschleunigens
ebenso
wie
wir,
die
wir
vor
den
Bühnen
ihnen
zuhören
oder
anderen
Ortes
ihre
Kunst
genießen.
Wir
sollten
uns
mehr
Ruhe
gönnen
und
mehr
Zeit
nehmen,
um
den
falschen
Verlockungen
und
flachen
Verführungen
dieser
Welt
des
schalen
Scheins
und
schnellen
Geldes
da
draußen
wenigstens
für
diese
Momente
der
„Besinnung“
entfliehen
zu
können,
damit
wir
uns
wieder
daran
erinnern,
was
wichtig
ist
in
diesem
viel
zu
kurzen
und
leider
auch
vergänglichen
Leben
–
wir,
die
Menschen, das einfache Volk und die Künstler, die unsere Gedanken und Emotionen zu Klang und Gefühl werden lassen.
Es ist Zeit dafür. DANKE FRANZ und ganz persönlich: DANKE Matthias.