Ein Fährmann singt im Turmpark Magdeburg
18.03.2016
Vielleicht
haben
sich
ja
die
Frühaufsteher
in
Magdeburg
unter
„blühenden
Landschaften“
tatsächlich
etwas
anderes
vorgestellt,
als
riesige
Vertriebshallen,
duzende
Bau-
oder
Möbelmärkte
und
Lager
für
Autoteile.
Vielleicht
liegt
da
ein
Missverständnis
vor,
dass
ich
irgendwie
nachvollziehen
kann,
als
ich
im
Abendlicht
minutenlang
an
einem
Lichtermeer
von
hellen
Großreklamen
vorüber
fahre.
Das
ist
weniger
imposant,
als
irritierend.
Wenn
man
dann
endlich
das
gleißende
Licht
hinter
sich
gelassen
hat
und
in
die
Stadt
eintauchen
möchte,
herrscht
graue
Dunkelheit.
Ruinen
links
und
rechts
und
kaum
ein
Licht
in
einer
der
vielen
Wohnhäuser.
In
einer
Seitenstraße
stelle
ich
die
„Schüttel“
ab.
Mich
empfängt
ein
Gefühl
der
Beklemmung,
das
mich
einschnürt.
Weit
und
breit
nicht
ein
einziger
Passant
zu
sehen.
Es
scheint,
als
wäre
Magdeburg
hier
ausgestorben.
Von
irgendwo
her
kommt
eine
Straßenbahn
gefahren
und
verschwindet
wieder
hinter
einer
Ecke.
Wo,
verdammt
noch
mal,
soll
hier,
am
Arsch
der
Welt,
in
dieser
beklemmenden
Geisterstadt,
der
Turmpark,
so
etwas
wie
ein
kulturelles
Zentrum,
sein?
Wie
war
das
gleich
mit
den
„blühenden
Landschaften“
und
dem
Wahlverhalten?
–
Das
musste
jetzt einfach mal sein, denn es passt nicht zusammen, was nicht zusammen gehört!
Dort,
wo
ich
den
Kulturpark
mit
dem
Wasserturm
vermute,
ist
es
dunkel.
Die
Sicht
in
die
Dunkelheit
verwehren
mir
dunkle
graue
Häuserfassaden.
Mutig,
wie
mich
mein
Leben
gemacht
hat,
wage
ich
die
ersten
Schritte
in
einen
noch
dunkleren
Seitenpfad.
Langsam
schält
sich
aus
dem
Dunkel
ein
Licht
am
Ende
des
Tunnels,
das
sich
erst,
als
ich
direkt
davor
stehe,
als
Turm
zu
erkennen
gibt.
Mag
sein,
dass
es
an
einem
sonnigen
Wochenende
hier
anders
aussieht.
Ich
musste
diesen
Platz
an einem Abend im zeitigen Frühjahr finden und ich bin stolz auf diese Leistung.
Innen
setzt
sich
der
FÄHRMANN
in
einem
sehr
schönen
Innenraum,
auf
ein
schön
gestaltetes
Podest,
um
seine
schönen
Lieder
zu
singen.
Ich
bin
erstaunt,
nach
all
dem
Erlebten,
dieses
Kleinod
zu
finden.
Inmitten
einer
sorgfältig
ausgewählten
Anordnung
sitzt
der
Künstler
vor
einigen
Stuhlreihen,
spricht
Worte
der
Begrüßung
und
singt.
Er
singt
ein
Lied,
das
er
immer zu Beginn eines Konzertes singt, sagt er, und es ist ein schönes Lied. Das sagt er auch.
Das
Spiel
auf
der
Gitarre
und
diese
Stimme
bringen
mich
in
Stimmung,
in
ein
Gefühl,
das
ich
erhofft
hatte,
hier
zu
finden.
Dieser
Typ
da
vorn,
mit
der
Schiebermütze
auf
dem
Kopf,
verbreitet
allein
nur
mit
seiner
Stimme
und
Gitarre
ein
Wohlfühlklima,
das
ich
eigentlich
nur
von
den
Musikern
der
1970er
Jahre
kenne.
Du
hörst
etwas
und
spürst
sofort,
das
ist
meins.
Ich
höre
nicht
einmal
auf
die
Worte,
ich
genieße
einfach
nur
den
Klang.
Damit
dieses
Empfinden
nicht
aufhört,
schickt
er
die
„Vorstadtträume“,
ein
weiteres
schönes
und
verträumtes
Lied,
hinterher.
Wieder
nur
Gitarre
und
diese
Stimme,
die
aus
Sehnsucht
und
Melancholie
gemacht
scheint.
Ich
gebe
mich
dieser
Magie
hin
und
genieße
Akkord
für
Akkord. Wirklich schön!
Der
FÄHRMANN,
der
eigentlich
Alexander
Bärike
heißt,
erzählt
auch
kleine
Geschichten,
die
zu
seinen
Liedern
passen
und
zu
den
Inhalten
hinführen.
So
die
vom
Kinderlied
„Kommt
ein
Vogel
geflogen“
mit
dem
„Zettel
im
Schnabel,
von
der
Mutter
einen
Gruß“.
Diese
kleine
Melodie
sei
ihm
nach
dem
frühen
Tod
seiner
Mutter
nie
aus
dem
Sinn
gegangen
und
erst
viel
später,
so
meint
er,
kam
er
auf
die
Idee,
auf
den
Brief
der
Mutter
antworten
zu
müssen.
Er
widmet
ihr
ein
Lied.
„Komm
setz
Dich
ans
Fenster“
ist
wie
liebevolles
Nachdenken
über
jene
Zeit,
weit
zurück
in
der
Kindheit.
Sich
daran
erinnern,
setzt
auch
Jahrzehnte
später
noch
eine
Menge
Emotionen
frei,
die
ich
als
Gast
ganz
gut
heraushören
kann.
Es
ist
ein
wirklich
sehr
schönes Lied, dessen Stimmung durch das Farbenspiel im Hintergrund dezent unterstützt wird.
Andere
Geschichten
erzählen
von
Begegnungen
mit
alten
Kumpels,
die
man
vielleicht
doch
lieber
nicht
wieder
getroffen
hätte
(„Feuer
im
Schnee“),
wie
man
von
einem
unbekannten
Autokennzeichen
(SHG)
zu
einem
schönen
Lied
inspiriert
werden
kann
(„Wer
weiß?“)
oder
was
die
Gedanken
an
eine
längst
verflossene
Jugendliebe
auslösen
können
(„Ich
steh’
noch
immer
hier“).
Das
alles
sind
eigene
Lieder
des
FÄHRMANNES,
für
die
er
nachdenkliche
Worte
fand
oder
sich
den
Text
schreiben
ließ.
Jedoch
all
seine
Worte
wirken
eigentlich
erst
gesungen.
Dann
seh’
ich
diesen
Typen
in
einem
Boot
stehen,
eine
lange
Stange
in
der
Hand
und
während
er
so
stakt,
klingt
ein
schönes
Lied
nach
dem
anderen
zu
uns
an
das
Ufer.
Dieser
FÄHRMANN
ist
ein
Poet,
der
kleinen
Alltagsgeschichten
Melodien
schenkt
und
sich,
wenn
es
sein
muss,
den
Schmerz
von
der
Seele
singt.
Dann
entsteht
so
etwas
wie
„Ich
steh
immer
noch
hier“,
eines
der
schönsten
Liebeslieder,
das
ich
kenne.
Oder
auch
seine
eigene
melancholische
Hymne
vom
„Fährmann“,
die
eine
Seele
zu
berühren
vermag.
Und
so
etwas
ist schön, weil es der Seele gut tut.
Eines
seiner
neuesten
Lieder
heißt
„Ich
sehe
was,
was
du
nicht
siehst“.
Komische
Liedzeile,
denke
ich
im
ersten
Augenblick,
weil
sie
für
mich
ein
Spiel
aus
frühesten
Kindertagen
symbolisiert.
Doch
beim
Hören
fällt
mir
dann
ein,
dass
uns
als
Erwachsene
diese
Unbeschwertheit,
irgendwo
auf
unserem
Weg
durch
die
Jahre,
abhanden
gekommen
sein
muss.
Das
ist
schade
und
deshalb
ist
so
ein
Lied,
das
uns
auffordert,
„nach
etwas
zu
suchen,
was
ansonsten
für
immer
weg
bliebe“,
wichtig,
uns
die
Neugier
auf
Andere
und
Anderes
zu
bewahren.
So
ganz
nebenbei
hat
der
FÄHRMANN
sein
Lied
mit
einem
wirklich wunderschönen Chorus auf seiner Mundharmonika garniert, beinahe so wie in den schönen 1970ern.
Ich
ertappe
mich
öfter
dabei,
eher
der
Stimmung
zu
folgen,
die
Gesang
und
Gitarre
erzeugen,
als
auf
die
Worte
zu
achten.
Dennoch,
eine
Zeile
bleibt
in
mir
kleben,
weil
sie
mir
symptomatisch
scheint
für
die
Musikwelt
des
FÄHRMANN,
der
nicht
rudert,
dafür
aber
schöne
Gitarrenklänge
erzeugt:
„Ich
hatte
mal’n
Lehrer,
den
hab’
ich
nie
gesehn.
Er
war
Rock’n’Roll
–
Star
in
Amerika.“
Damit
kann
auch
ich
viel
anfangen
und
das
hat
ganz
bestimmt
nicht
nur
etwas
mit
Musik
zu
tun.
Für
mich
ist es auch so etwas wie eine Lebenseinstellung geworden, ein Ideal, das ich, wie andere einen Kompass, brauche.
Zwischen
all
seinen
schönen
eigenen
Liedern
hören
wir
an
diesem
Abend
auch
zwei,
die
man
bei
ihm
vielleicht
nicht
vermutet
hätte.
Er
überrascht
mit
einer
akustischen
Version
von
Silly’s
„Instandbesetzt“
und
mit
einem
Lied,
mit
dem
eine
ganze
Generation
wohl
die
gleichen
Assoziationen
verbindet.
Kaum
ein
Song
der
letzten
Dekaden
hat
die
romantischen
Sehnsüchte
einer
spirituellen
Liebe
derart
lyrisch
in
ein
Lied
verwandelt,
wie
Leonard
Cohen’s
„Suzanne“.
Selbst
nach
so
vielen
Jahren
lässt
dieser
Song
noch
immer
das
Blut
schneller
pulsieren.
Eigentlich
ist
jede
Kopie
zum
Scheitern
verurteilt.
Nur
ab
und
an
gelingt
es
Künstlern
mit
großem
Einfühlungsvermögen,
einem
wie
Herman
van
Veen,
der
Botschaft
eigene
Stimmungen zu verleihen. Auch FÄHRMANN’s Interpretation ist davon nicht weit entfernt und das empfinde ich als schön.
An
diesem
Abend
genieße
ich
einige
sehr
schöne
balladeske
Lieder.
Ich
spüre
viel
Herz,
viel
Seele
und
einen
Touch
leiser
Melancholie
sowie
Nachdenklichkeit
in
den
Worten.
Als
er
ganz
am
Ende,
schon
als
Zugabe,
das
schöne
„Anna,
komm’
lass
uns
verschwinden“
singt,
endet
ein
intimer
Liederabend,
wie
man
ihn
heute
leider
nur
noch
selten
erleben
kann.
Nur
noch
selten
geschieht
es,
dass
einer,
nur
mit
seinen
Gedanken,
in
Worte
gekleidet,
und
seinem
Gesang
mit
Gitarrenbegleitung
zu
verzaubern und entführen vermag. Das hat etwas Besonderes und etwas sehr Schönes dazu.
Minuten
später,
im
Angesicht
des
in
der
Dunkelheit
der
Nacht
versteckten
Verfalls
einerseits
und
der
gleißenden
Reklame
für
den
Markt
andererseits,
ziehe
ich
meine
Hoffnung
auch
aus
solchen
Liedern,
dass
es
eine
Alternative
zu
diesen
Gegensätzen
da
draußen
geben
muss.
Denn
hier
wollen
Menschen
leben
und
sich
nicht
ausschließlich
zu
Marktteilnehmer
degradieren lassen. Einer hat vielleicht gerade versucht, davon zu singen.